Dieser Assamtee ist ein Geheimtipp. Malzig. Eine Note Honig. Feine Mischung aus herb und blumig.
Riecht leicht erdig. Rotgold in der Tasse. Assam ist kein geschützter Begriff, wird oft gefälscht und verschnitten. Dieser aber ist echt, er trägt das Assam-Siegel des "Tea Board India". Im Bio-Teegarten Tonganagaon im Nordosten Indiens wird er geerntet, und fair gehandelt ist er auch. Man muss nur schnell sein, wenn man beim Berliner "Assam Projekt" Tee bestellen will. Vier Monate dauerte es das letzte Mal, dann war das Lager leer. Ein paar Tonnen verkauft. An Kunden in ganz Deutschland. So lief das bisher jedes Mal, seitdem Hagen Kühn, 31, und Max Schütze, 30, mit ihrem Shop für Assamtee Mitte 2014 ins Netz gingen.
"Nicht vorrätig", meldet die Internetseite der Berliner Teehändler dann. Nun heißt es warten: vier Monate lang, manchmal. Bis neuer Tee geerntet ist. Das Assam Projekt verkauft nur "Second Flush", also die zweite Ernte. Keinen Tee aus dem "First Flush" oder der "Mid Season". Denn je später die Ernte, desto aromatischer der Tee.
Mit dem Laster wird der Assamtee von Tonganagaon nach Kalkutta gefahren. Das kann Wochen dauern. Es regnet viel. Oft bleibt der Lastwagen auf den matschigen Straßen stecken. Und wenn das Schiff dann endlich in Kolkata mit dem Tee beladen ist und in See sticht, vergehen noch mal Wochen, bis es im Hamburger Hafen anlegt.
Lager komplett leergekauft
"Hagen & Max" trösten ihre Kunden derweil in ihrem Blog mit Nachrichten wie diesen: "Liebe Freunde des guten Geschmacks. Ihr habt unser Lager komplett leergekauft. Und das schneller als von uns in unseren kühnsten Träumen erwartet!" Oder: "Die nächste Ernte wird voraussichtlich zum Ende des 3.
Quartals 2016 verfügbar sein. Hierzu werden wir nochmals gesondert informieren." Klingt ein bisschen nach Planwirtschaft. Und Start-up.
Wie kommt man auf die Idee, mit Assamtee zu handeln? Darjeeling gilt doch als der "Champagner unter den Tees". "Darjeeling ist ein feiner Tee", formuliert Max Schütze vorsichtig, "aber er ist kein Tee, den man morgens trinkt." Hagen Kühn wird deutlicher: "Wir trinken halt lieber Assam. Den Hype um Darjeeling verstehen wir nicht."
Die beiden sind seit ihrer Grundschulzeit beste Freunde. Max besuchte Hagen oft. Wenn dessen Vater um 17 Uhr nach Hause kam, setzte sich die Familie in den Wintergarten und trank erst mal Tee.
"Das war ein Ritual" , erzählt Hagen. Nun sitzt er neben Max am Küchentisch in einer Berliner Altbauwohnung. Vor ihnen stehen weiße Teeschalen. Auf kleinen Tellern liegen Teeblätter. Der Tee für die nächste Saison ist allerdings schon längst bestellt. Wie immer ist es ein Assam mit der Gradierung "SFTGFOP1" . Übersetzt heißt das: "Special Finest Tippy Golden" (SFTG), also feinste, goldene Blattspitzen. "Flowery" (F) verheißt ein blumiges Aroma. "Orange" (O) steht für "königlich".
"Pekoe" (P) kommt aus dem Chinesischen und bedeutet "weißer Flaum", ein Hinweis auf die Unterseite der zarten, jungen Blätter. Die "1" steht für besonders hohe Qualität.
Langer Weg bis zum Teehandel
Vom Nachmittagstee im Wintergarten bis zum eigenen Teehandel war es ein langer Weg. Hagen Kühn studierte erst mal Wirtschaftsingenieurwesen. Max Schütze lernte Koch im Berliner Hilton. 2008 gewann er mit der Jugendnationalmannschaft der Köche die Olympiade in Erfurt. Später kochte er im Verteidigungsministerium. Dann studierte er Lebensmittel- und Verpackungstechnik. Für beide stand eigentlich immer fest, dass sie sich mal selbstständig machen würden. "Es gibt doch nichts Schöneres, als seine eigene Firma zu haben", sagt Hagen. Auch Max wollte "was Eigenes machen und auf jeden Fall weiter mit Lebensmitteln zu tun haben". Tee lag irgendwie nahe.
Nachdem sie beschlossen hatten, Assamteehändler zu werden, wälzten sie die Verzeichnisse von Biofachmessen. Ließen sich Teeproben schicken, probierten, trafen eine Vorauswahl. Und überließen einem professionellen Teeverkoster das letzte Wort. Der Vorkoster empfahl ihnen den Bio-Assamtee eines indischen Händlers, der seit sechs Generationen Tee anbaut und exportiert. Hagen und Max trafen sich mit dem Manager in einem Berliner Hotel und orderten ein paar Tonnen. "Man überweist Geld und hofft, dass es gut geht", sagt Max.
Die beiden hatten inzwischen eine GmbH gegründet und ihre gesamten Ersparnisse in das vorgeschriebene Mindestkapital von 25 000 Euro gesteckt. Sie fanden eine Berliner Behindertenwerkstatt, die den Tee lagert, verpackt und verschickt. "Wir wollen, dass es Menschen mit Behinderung ermöglicht wird, am Arbeitsleben teilzuhaben" , sagt Hagen Kühn.

Doch dann bekamen die Jungunternehmer plötzlich Post. Der Anwalt eines bekannten Teehändlers drohte mit Unterlassungsklage. Streitwert: 200.000 Euro. Das Assam Projekt hieß damals noch anders. Ein Mitbewerber fürchtete Verwechslungsgefahr. Am Ende zahlten die beiden 7000 Euro und änderten ihren Namen. "Das war natürlich ein herber Rückschlag. Wir hatten ja noch keine Tüte Tee verkauft", erinnert sich Max Schütze.
Doch als wenig später der erste Assamtee eintraf, ging es mit dem Verkauf ganz schnell. "Zuerst orderten nur Freunde und Bekannte. Plötzlich bestellten immer mehr fremde Leute, die uns übers Internet gefunden hatten. Und es wurden mit jedem Tag mehr", erzählt Max Schütze. Im Moment warten die beiden wieder auf das Schiff aus Kolkata. Ihren Tee mit dem Flugzeug einzufliegen kommt nicht infrage. "Schlecht für die Ökobilanz", sagt Hagen Kühn. Der Tee soll in ein paar Tagen am Hamburger Hafen ankommen. Eine Spedition fährt ihn mit dem Laster nach Berlin. Und dann heißt es: schnell sein.