Eine mutmaßliche Vertraute der NSU-Terroristin Beate Zschäpe möchte sich in ihrem Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. Das gab ein Verteidiger der 44 Jahre alten Susann E. zum Prozessauftakt bekannt. Ihr wird unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Das kann mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden.
Die Neonazi-Terrorzelle NSU bestand aus Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Das Trio lebte jahrelang unerkannt im Untergrund und verübte zehn Morde in ganz Deutschland. Ihre Opfer waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Mundlos und Böhnhardt verletzten zudem Dutzende Menschen bei zwei Bombenanschlägen in Köln und begingen 15 Raubüberfälle. Sie töteten sich 2011 in Eisenach, um ihrer Festnahme zu entgehen. Erst dann flog der NSU auf.
Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass E. eine intensive Freundschaft mit Zschäpe verband und dem "Nationalsozialistischen Untergrund" bei ihrem Leben im Untergrund half. Sie geht ferner davon aus, dass E. spätestens seit 2007 von der Mordserie und den Raubüberfällen des NSU wusste - entweder durch ihren Ehemann André E. oder durch Zschäpe selbst.
Der Ehemann war 2018 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter des Oberlandesgerichts München sahen es als erwiesen an, dass er dem NSU-Trio Bahncards organisiert hatte, die auf ihn und seine Frau ausgestellt waren, aber Fotos von Zschäpe und Uwe Böhnhardt zeigten.
Das wird nun auch Susann E. zur Last gelegt, die heute in Kirchberg bei Zwickau lebt und als Pflegekraft arbeitet. Laut Anklage soll sie Zschäpe zudem ihre Krankenversicherungskarte für mehrere Behandlungen beim Zahnarzt überlassen haben. Auch an der Anmietung eines Wohnmobils, das Böhnhardt und Mundlos für ihren letzten Raubüberfall auf eine Sparkasse in Eisenach am 4. November 2011 benutzten, soll die Beschuldigte beteiligt gewesen sein.
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Das Gericht hat bis Juni 2026 weitere 43 weitere Prozesstage angesetzt. Erste Zeugen sollen an diesem Freitag vernommen werden - drei Beamte des Bundeskriminalamtes. Beate Zschäpe ist am 3. und 4. Dezember als Zeugin geladen.
Vor dem Gebäude des Oberlandesgerichts demonstrierten Dutzende Menschen gegen Rechtsextremismus und verlangten eine vollständige Aufklärung auch zu Hintergründen der Verbrechen.
Am Rande des Prozessauftaktes nahm auch die Bundesanwaltschaft noch einmal Stellung zu den NSU-Verbrechen. "Die terroristische Vereinigung hat durch ihre rassistischen, menschenverachtenden und gegen das friedliche Zusammenleben aller Menschen in Deutschland gerichteten Taten den Opfern und Angehörigen unermessliches Leid zugefügt. Es ist uns bewusst, dass es in diesem Zusammenhang in verschiedener Weise zu staatlichen Fehlern und Versäumnissen gekommen ist, was dieses Leid noch vertieft hat", erklärte Bundesanwalt Kai Lohse.
Lohse zufolge kommt es in der Verhandlung darauf an, in einer "sorgfältigen Gesamtwürdigung der Indizien zu einem gerechten Ergebnis zu kommen". "Wir wissen, dass im Zusammenhang mit dem Gesamtgeschehen des Nationalsozialistischen Untergrunds vieles offen geblieben ist bisher. Leider", betonte er. Man habe auch nicht die Erwartung, dass in diesem Verfahren sämtliche Fragen geklärt werden könnten. Es gebe aber die begründete Hoffnung, zumindest in dem nun zu verhandelnden Teilbereich eine weitere Aufklärung schaffen und so die eine oder andere Antwort finden zu können.