Deutschland stellt erneut einen Rekord auf: Am Donnerstag vemeldete das Robert Koch-Institut (RKI) innerhalb der vergangenen 24 Stunden 236.120 neue Corona-Fälle. Damit wurde der bisherige Höchstwert vom Vortag mit 208.498 übertroffen. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag indessen am Donnerstag bei 1283,2, und damit über dem bisherigen Rekord von 1227,5 am Vortag. Wie das RKI zudem mitteilte, wurden am Donnerstag 164 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet.
Am Donnerstag vor einer Woche hatten die Gesundheitsämter bundesweit noch 203.136 Neuinfektionen vermeldet. Die Inzidenz hatte vor einer Woche noch 1017,4 betragen. Der Indikator beziffert die Zahl der neuen Ansteckungen pro 100.000 Einwohner im Zeitraum von sieben Tagen.
Hospitalisierungsrate liegt bei knapp 5
Seit Pandemie-Beginn verzeichneten die Gesundheitsämter nach Angaben des RKI insgesamt 10.422.764 Infektionsfälle. Die Gesamtzahl der registrierten Corona-Toten in Deutschland liegt nun bei 118.334. Die Zahl der von einer Corona-Erkrankung genesenen Menschen in Deutschland beziffert das RKI auf rund 7.869.200.
Als entscheidenden Maßstab für eine Verschärfung oder Lockerung der Corona-Maßnahmen hatten Bund und Länder im November die sogenannte Hospitalisierungs-Inzidenz festgelegt. Dieser Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus liegen. Laut dem aktuellsten RKI-Bericht lag die Hospitalisierungs-Inzidenz am Mittwoch bundesweit bei 4,77.
Söder pocht auf Lockerungen
Trotz der neuen Rekordinzidenzen mehren sich die Forderungen nach einer Lockerung der Corona-Beschränkungen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte der "Bild": "Wir sollten konsequente Öffnungsschritte jetzt angehen." Konkret forderte er die bundesweite Abschaffung der 2G-Regel im Handel, die Streichung der Testpflicht in Restaurants und eine Anhebung der Obergrenzen für Stadien. Kritik an Söder kam aus der SPD.
Söder regte an, Kontaktbeschränkungen grundsätzlich zu überprüfen: "Wo FFP2-Masken getragen werden, kann man Kontaktbeschränkungen runterfahren. Dafür muss der Bundesgesundheitsminister einen Stufenplan erstellen", sagte er der "Bild". Reformbedarf sieht Söder zudem bei den Reiseregelungen. "Die Inzidenz hat bei Omikron als Maßstab ausgedient. Bei so hohen Werten, wie wir sie derzeit haben, machen zum Beispiel auch Reiseregelungen mit Verweis auf Risiko-Gebiete wenig Sinn. Das Einzige, was sinnvoll ist, sind Test nach der Rückkehr. Das muss angepasst werden."
Bundesärztekammer: Deutschland sollte sich auf sinkende Fallzahlen vorbereiten
Auch die Bundesärztekammer forderte einen Stufenplan für Öffnungsschritte. "Wenn sich das Infektionsgeschehen so entwickelt, wie von Epidemiologen prognostiziert, werden die Fallzahlen von Ende Februar an allmählich sinken", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Bund und Länder sollten deshalb vorbereitet sein und möglichst schon jetzt Stufenpläne für Öffnungen vorbereiten, die dann hoffentlich bald umgesetzt werden können."
Zugleich betonte Reinhardt, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Moment noch unumgänglich seien: "Die Situation hierzulande ist einfach eine andere als in England oder Dänemark. Deutschland hat die zweitälteste Bevölkerung in Europa und eine im Vergleich zu Dänemark und England niedrige Impfquote unter Älteren." In der Altersgruppe der über 60-Jährigen seien immer noch zwölf Prozent ungeimpft.
In England und Dänemark sind die Beschränkungen mittlerweile wieder fast komplett abgeschafft worden. Auch Italien und Tschechien verkündeten am Mittwoch trotz hoher Infektionszahlen Lockerungen.
Politik uneinig über weitere Lockerungsschritte
Der Vorstandvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sprach sich für den jetzigen Zeitpunkt gegen Lockerungen aus. "Die Krankenhäuser verzeichnen stark steigende Fallzahlen auf den Normalstationen und selbst auf den Intensivstationen werden wieder mehr Covid-Patienten eingeliefert", sagte Gaß dem RND. "Aber natürlich benötigen wir für die nahe Zukunft, wenn wir die Omikron-Welle hinter uns gebracht haben, klare Perspektiven für Öffnungen", ergänzte er.
In der Ampel-Koalition in Berlin gingen die Meinungen auseinander. Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki drängte darauf, die Corona-Maßnahmen zeitnah zu lockern. "Wenn es keinen sachlichen Grund gibt, müssen die Maßnahmen enden, und zwar nicht zu einem bestimmten Datum, sondern sofort", sagte Kubicki dem RND. "Wir sind wohl näher an diesem Punkt als viele meinen."
Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, sah indes keinen Raum für Lockerungen und Öffnungspläne. "Wir haben aktuell die höchste Infektionsrate jemals. Es ist daher zu früh, konkrete Schritte oder einen konkreten Zeitpunkt zu nennen", sagte Baehrens dem RND. "Ich plädiere sehr dafür sich Zeit zu lassen, weil wir sonst Erwartungen wecken, die wir nicht halten können."
Baehrens kritisierte zudem, dass einige Bundesländer abermals Lockerungen im Alleingang beschlossen hatten. "Das Verrückte ist doch, dass Markus Söder und Michael Kretschmer, die noch vor wenigen Monaten einheitliche, scharfe Maßnahmen gefordert haben, jetzt das Gegenteil machen", sagte die SPD-Politikerin mit Blick auf die Ministerpräsidenten aus Bayern und Sachsen. Die unterschiedlichen Botschaften seien ihrer Ansicht nach "ein Teil unseres Problems."