Pandemiebekämpfung Geimpft, genesen, getestet? Fragen zu den aktuellen Corona-Regeln und die Antworten

Es gibt viele Corona-Maßnahmen und noch mehr Fragen
Wenn Sie den Überblick über die Corona-Maßnahmen verloren haben, gibt es eines, was Sie sich unbedingt merken müssen: Die Maske bleibt
© Christoph Hardt / Geisler-Fotopres / Picture Alliance
Die Corona-Regeln werden regelmäßig angepasst. Da schwirrt einem schon mal der Kopf. Warum wurde der Genesenenstatus verkürzt? Wie lange gelte ich als vollständig geimpft? Und wann kommt die nächste Auffrischung? Antworten auf die drängendsten Fragen.

Mitte Januar hatte die Regierung den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzt – ohne die Bürger im Vorfeld zu informieren. Als wäre das nicht überraschend genug verkündete man zudem, dass diese Regelung nicht für die Abgeordneten im Parlament gelten solle. Die Aktion löste Kritik aus. Nicht zuletzt deshalb, weil sie für zahlreiche Bürger praktisch über Nacht Einschränkungen bedeutete, mit denen keiner gerechnet hatte.

Das Beispiel zeigt: Unter der neuen Bundesregierung setzt sich die von den Vorgängern gefestigte chaotische Krisenkommunikation fort. Und das obwohl der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, im Gespräch mit dem stern vergangene Woche betonte, die Bundesregierung sei mit dem Anspruch angetreten, wissenschaftsbasierte Politik zu betreiben. Wie viel Wissenschaft hinter den Entscheidungen steht, erschließt sich jedoch nicht allen Bürgern.

Die drängendsten Fragen zur aktuellen Lage im Überblick:

Warum wurde der Genesenenstatus verkürzt?

Das Robert Koch-Institut (RKI) begründet die Entscheidung damit, dass "die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Delta-Variante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikron-Variante haben". Hierfür stützt sich das RKI einerseits auf die jüngste Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Diese hatte im Dezember eine Auffrischung der Corona-Impfung nach dem zweiten Piks empfohlen. Als Grund nannte die Stiko die hoch infektiöse Omikron-Variante.

Darüber hinaus orientiert sich das RKI an Untersuchungen der UK Health Agency. Einem Bericht von Ende Dezember 2021 zufolge schützt die Impfung gegen die neue Virusvariante weniger effektiv vor einem symptomatischen oder schweren Verlauf als bei der Delta-Variante. Zwar schreiben die Forscher, dass der Impfschutz vor einem symptomatischen Verlauf bei Omikron deutlich niedriger ist als bei Delta, allerdings helfe die Impfung effektiver gegen eine Hospitalisierung.

Ähnliches ergab eine dritte Studie, auf die sich das RKI stützt. Forscher des Imperial College in London hatten das Risiko für eine Hospitalisierung bei einer Erkrankung mit Delta und Omikron vergleichen. Die Studie zeigt: Der Schutz vor einer Infektion mit der Omikronvariante ist begrenzt. Auf welchen Zeitraum genau, geht aus der Untersuchung jedoch nicht hervor.

Aufgrund der massiven Kritik an der Entscheidung verwies Regierungssprecher Steffen Hebestreit darauf, dass es sich bei der Verkürzung des Genesenenstatus um "keine politische Entscheidung" handelt. Es sei "der wissenschaftliche Stand, den das RKI, das dafür zuständig ist, mitgeteilt und umgesetzt hat".

Warum gibt es Kritik an der Entscheidung?

Die Verkürzung auf drei Monate sei eine "politische Entscheidung, die auf Basis der Daten nicht nachvollziehbar ist", sagt dagegen der Immunologe Carsten Watzl. Kritiker bemängeln zudem, bei der Entscheidung sei es vor allem darum gegangen, mehr Menschen zum Impfen zu bewegen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Problematisch ist auch die Datengrundlage. Bisher kann keiner genau sagen, wie viele Menschen von einer Corona-Infektion genesen sind. Der Grund: Nicht jeder Infektion folgt ein symptomatischer Verlauf, sagen etwa Forscher der Gutenberg Universität in Mainz. Daten der dort durchgeführten Covid-19-Studie, die sich unter anderem mit den Pandemiefolgen beschäftigt, ergab, dass ungefähr 42 Prozent aller Infektionen unerkannt bleiben. Das RKI rechnet gegenwärtig mit rund 7,5 Millionen Genesenen in Deutschland (Stand 27. Januar). Gleichzeitig geht es aber von einer  "Untererfassung" aus.

Immunologe Watzl bezeichnet die Entscheidung, den Genesenenstatus zu verkürzen, deshalb als "Blindflug". Man wisse nicht, wer in Deutschland genesen ist oder zusätzlich geimpft ist. Das sei aber wichtig, um die Größe der viel beklagten Impflücke realistisch einzuschätzen.

Sollten Genesene mit Geimpften gleichgestellt werden?

"Zahlreiche Studien" hätten belegt, dass Menschen, die von Covid-19 genesen sind, sich in den Monaten darauf selten erneut infizieren, schreiben Forscher im Fachmagazin "The Lancet Infectious Diseases". Einer Studie vom September zufolge senkt eine Infektion mit dem Delta-Typ des Virus das Risiko, sich erneut zu infizieren, um mehr als 80 Prozent. Eine weitere Studie zeigt, dass sich von mehr als 9000 zuvor Infizierten innerhalb eines Jahres nur 0,7 Prozent erneut anstecken.

Zu dem Zeitpunkt als die Studien durchgeführt wurden, kursierte die Omikron-Variante allerdings noch nicht. Zudem sei die Immunität "sehr variabel", im Mittel seien Genesene etwas weniger gut geschützt als Geimfte nach zwei Dosen Biontech, sagt Watzl. Aber es gebe auch Vorteile: "Bei Genesenen geht der Antikörperspiegel etwas langsamer zurück als bei Geimpften. Und die Antikörper sind breiter aufgestellt."

Antikörper sind zudem nur ein Teil des Schutzes, den der Körper ausbildet. T-Zellen könnten möglicherweise sogar lebenslang aktiv sein. Patienten, die sich 2002/03 mit Sars-Cov-1 infiziert hatten, wiesen laut "The Lancet Infectious Diseases" noch 17 Jahre später T-Zellen gegen diesen Virentyp auf. Die Autoren empfehlen der Politik explizit, Genesene mit Geimpften gleichzustellen – allerdings fiel dieses Urteil in einer Phase, als die Delta-Variante noch dominierte.

Wie sieht es mit Omikron aus?

"Studien zeigen zwar, dass viele Antikörper von Genesenen die Omikron-Variante nicht mehr so gut erkennen können und diese Personen damit kaum noch einen Schutz vor der Infektion haben", sagt Immunologe Watzl. Allerdings ist das auch bei Geimpften der Fall. Wird der Genesenenstatus verkürzt, müsse dasselbe auch für die Laufzeit des Impfzertifikats getan werden. Grundsätzlich geht aber aber nicht davon aus, dass Omikron den Genesenenschutz massiv beeinträchtigt.

Warum gilt diese Regelung nicht für Bundestagsabgeordnete?

Kritisiert wurde die Entscheidung, den Genesenenstatus zu verkürzen auch deshalb, weil Bundestagsabgeordneten von der Regel ausgenommen wurden. Wie ein Parlamentssprecher der Tagesschau erklärte, gelte diese Regelung aber nur für Plenar- und Sitzungssäle. Begründet wird dies mit einer Regelung, wonach die Corona-Regeln im Bundestag an eine veraltete Fassung der Covid-Verordnung der Bundesregierung gekoppelt sind. Sie galt Anfang Januar als die neuen Bundestagsregeln beschlossen wurden. Die geänderte Corona-Verordnung trat erst Tage später in Kraft.

Am Donnerstag wollen die Abgeordneten darüber beraten, ob der Genesenenstatus auch für sie verkürzt werden soll. Vertreter der SPD sowie das Bundesgesundheitsministerium gehen davon aus, dass die neue Regelung künftig auch im Plenarsaal gelten wird.

Wann sollten sich Genesene impfen lassen?

Da Genesene ebenso wie Geimpfte nur vorübergehend vor symptomatischen Infektionen durch Corona oder eine Hospitalisierung geschützt sind, empfiehlt die Stiko eine Auffrischung. Genesenen empfiehlt die Stiko, sich drei Monate nach der Erkrankung impfen zu lassen. Als frühesten Zeitpunkt nennt die Kommission vier Wochen nach dem Ende der Symptome. Damit soll der Schutz aufrechterhalten und die Weitergabe des Virus verhindert werden. Wissenschaftliche Daten, um die Entscheidung zu begründen, zieht die Stiko in ihrem "Epidemiologischen Bulletin" nicht heran.

Muss die dritte Impfung wieder aufgefrischt werden?

Israel hatte Ende Dezember angekündigt, über 60-Jährigen eine vierte Impfung zu verabreichen. Dasselbe gilt nun auch für Erwachsene mit Vorerkrankungen. Auch in Dänemark können Risikpatienten eine vierte Impfung in Anspruch nehmen. Voraussetzung für die vierte Impfung sei nur, dass die dritte Impfung mindestens vier Monate zurückliegt.

Der Grund: Auch der Immunschutz nimmt auch hier wider ab. Zahlen der UK Health Agency zufolge reduziert die Auffrischung das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt um 74 Prozent. Allerdings gilt dies nur in den ersten zwei bis vier Wochen nach der Impfung. Zehn Wochen später liegt der Schutz nur noch bei 66 Prozent. Der Schutz vor einem symptomatischen Verlauf fällt etwas geringer aus. Innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen wird das Risiko durch die Auffrischung um 65 bis 75 Prozent reduziert. Ab der zehnten Woche fällt der Schutz auf 45 bis 50 Prozent.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die vierte Corona-Impfung bereits laut angedacht. Wegen der bisher noch mangelnden Datenlage hat die Stiko aber noch keine Empfehlung für die vierte Impfung herausgegeben. Bisher wird nach Tagesschau-Informationen nur in Ausnahmefällen ein viertes Mal geimpft – etwa bei medizinischem Personal oder Organtransplantierten. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, sagte im Gespräch mit dem stern, dass eine vierte Impfung durchaus denkbar sein. Allerdings könne es sich nach jetzigem Stand nur um ein Impfangebot wie bei der Grippeimpfung handeln.