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Corona-Pandemie Debatte um Isolationspflicht: Politik und Fachleute streiten über Verlängerung

Karl Lauterbach will die Isolationspflicht
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erhält Gegenwind wegen seinen Plänen für die Isolationspflicht
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Das Corona-Infektionsschutzgesetz läuft aus und Karl Lauterbach will schon neue Pläne schmieden. Doch jetzt entbrennt ein Streit um die Schutzmaßnahmen. Im Zentrum: die Isolationspflicht.

Die Sommerwelle brandet über Deutschland hinweg. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach befürchtet, dass sich die Lage im Herbst weiter verschärft und pocht auf Pläne, um die Pandemie dann noch zügeln zu können. (Mehr dazu lesen Sie hier.) Und wieder einmal sorgt das leidige Corona-Thema für Streit. Denn wieder einmal geht es um die Schutzmaßnahmen – die manche für überfällig und andere für übergriffig halten.

Aktueller Knackpunkt: die Isolationspflicht. Das noch gültige Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass infizierte Menschen für fünf Tage in häusliche Isolation müssen. Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen vor der Rückkehr zur Arbeit zudem per Schnell- oder PCR-Test nachweisen, dass sie negativ sind. Für Menschen, die Kontakt mit Corona-Infizierten hatten, wird eine fünftägige Quarantäne dringend empfohlen.

Wenn das Infektionsschutzgesetz ausläuft, muss unter anderem die Isolation neu geregelt werden. Kassenärztechef Andreas Gassen hatte sich am Wochenende für eine Lockerung der Maßnahme ausgesprochen. Er plädiert dafür, die derzeitige Regelung aufzuheben, weil dadurch auch Infizierte ohne Symptome zur Isolation verpflichtet würden – und dies vielerorts zu Personalengpässen führe.

FDP warnt vor Personalengpässen

Diese Position teilt auch die FDP. Eine Diskussion darüber sei richtig, sagte etwa FDP-Vize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). "Aus meiner Sicht ist es sowohl epidemiologisch als auch aus Gründen der Eigenverantwortung überfällig, den Menschen diese Entscheidung wieder zu überlassen – so, wie es andere europäische Länder schon längst getan haben."

Ähnlich äußerte sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er warnte vor Personalausfällen durch Isolationspflichten. "Wir werden in systemrelevanten Bereichen vor enormen Herausforderungen stehen, wenn wir massenhaft positiv Getestete ohne Symptome in die Isolation schicken", sagte er der "Rheinischen Post" (Montag).

Mit dem Vorschlag stoße Gassen eine wichtige Debatte an, sagte die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Durch Impfungen seien viele Menschen vor schweren Verläufen geschützt.

Lauterbach muss sich hier aber vor allem mit den Ländern einigen, die entsprechende Verordnungen erlassen.

"Wir haben ein Informationschaos"

Auf der Seite des Gesundheitsministers stehen die Sozialdemokraten und die Grünen. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Saskia Weishaupt plädierte für ein Festhalten an den Regeln. Wenn Menschen zur Arbeit gingen, sollten sie nicht der Gefahr ausgesetzt sein, sich anzustecken, sagte sie der Funke Mediengruppe. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte bereits am Wochenende klar, dass er nichts von dem Vorschlag hält. "Infizierte müssen zu Hause bleiben. Sonst steigen nicht nur die Fallzahlen noch mehr, sondern der Arbeitsplatz selbst wird zum Sicherheitsrisiko", schrieb er auf Twitter.

Auch der Vorsitzende des deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, hat sich gegen eine Änderung der bestehenden Isolations- und Quarantäneregeln bei Corona ausgesprochen. "Meiner Ansicht nach sollten wir bei den aktuellen, vernünftigen Regeln bleiben, die ja bereits die Isolationsdauer auf fünf Tage verkürzt haben", sagte Weigeldt der "Welt" vom Dienstag. "Wer einen positiven Test hat, sollte einige Tage zu Hause bleiben, auch wenn er sich ganz gut fühlt."

Dies gelte natürlich umso mehr, wenn jemand im medizinischen Bereich arbeite, sagte Weigeldt weiter. So würden weitere Ansteckungen vermieden. "Ich halte diese permanente Debatte aktuell für sinnlos. Wir haben ein Informationschaos, das mehr verwirrt, als dass es hilft."

Mehrere Lehrerverbände haben sich ebenfalls gegen ein Ende der Corona-Isolationspflicht ausgesprochen. "Die Selbstisolation jetzt aufzugeben, käme bei den aktuellen Infektionszahlen einer Durchseuchung gleich", sagte der Vizevorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Andreas Keller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Gerade in Lehrerzimmern bestehe die Gefahr von Ansteckungen in großer Zahl, was zu Schulschließungen führen könnte, warnte er. "Das kann nicht das Ziel sein."

Auch der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sagte dem RND: "Wenn alle Quarantäne- und Schutzmaßnahmen aufgegeben werden und sich Infektionen ungehindert ausbreiten können, besteht die Gefahr, dass sich der bestehende Lehrkräftemangel so verschärft, dass das Kartenhaus Schule endgültig zusammenbricht." Die ohnehin angespannte Personalsituation an Schulen habe sich durch die Corona-Pandemie "unerträglich zugespitzt".

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, mahnte, im Fall einer Aufhebung von Quarantäne- und Isolationsvorgaben wäre in Kombination mit anderen Faktoren im Herbst eine so große Infektionswelle an Schulen zu befürchten, "dass der Schulbetrieb ernsthaft gefährdet sein könnte".

Union fordert klare Schutzkonzepte

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der "Rheinischen Post" (Montag): "Die hohen Infektionszahlen in diesem Sommer treffen glücklicherweise auf eine große Anzahl geimpfter Bürger." Das reduziere die Wahrscheinlichkeit von schweren Verläufen. "Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Ampel sich nicht einig über mögliche Maßnahmen ist und bis jetzt noch kein Konzept für den Herbst und Winter vorgelegt hat."

Sorge forderte Schutzkonzepte für die älteren und vorerkrankten Menschen. Zugleich müssten Lockdowns und Schulschließungen vermieden und die Impfkampagne auf die vulnerablen Gruppen und Personen mit nicht ausreichendem Immunschutz ausgerichtet werden. "Anstatt diese Vorbereitung zu treffen, präsentiert uns die Regierung sowohl schrille Katastrophenwarnungen des Gesundheitsministers als auch Andeutungen des Justizministers über den Sinn von Masken", kritisierte Sorge.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte kürzlich erklärt, "eine Form der Maskenpflicht in Innenräumen" werde im Schutzkonzept der Regierung sicher eine Rolle spielen. Eine Einigung dazu gibt es in der Koalition bislang aber nicht. 

cl DPA AFP

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