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Recherche von NDR, WDR und SZ FFP2-Masken: Apotheker verdienten sich "dumm und dämlich" – mithilfe von Spahns Ministerium

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte der Recherche zufolge den Weg für die FFP2-Masken-Verteilaktion über die Apotheken frei – trotz Warnungen
© John MacDougall / AFP
Apothekerinnen und Apotheker haben nach Recherchen von Medien mit der Verteilung von FFP2-Masken viel Geld verdient, womöglich deutlich zu viel. Das legen Recherchen mehrerer Medien nahe. Vor allem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht in der Kritik.

Die Verteilaktion von FFP2-Masken zum Schutz vor dem Coronavirus an besonders gefährdete Gruppen im Winter wirkte offenbar wie eine Gelddruckmaschine für viele Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland – mit kräftiger Unterstützung aus dem Gesundheitsministerium und dem Geld der Steuerzahlenden.

Dieses Bild zeichnet eine gemeinsame Recherche von Westdeutschem Rundfunk (WDR), Norddeutschem Rundfunk (NDR) und der "Süddeutschen Zeitung" (SZ).

FFP2-Masken zu Apothekenpreisen?

Um die von einem schweren Covid-19-Verlauf bedrohten Menschen zu schützen, hatten Bund und Länder im November beschlossen, dass insgesamt 15 der wirksamen Schutzmasken an diese ausgegeben werden sollen – mitfinanziert vom Bund. Zunächst konnten sich die betroffenen Personen je drei kostenlose Masken in den Apotheken des Landes abholen. Später unter der Vorlage von Coupons gegen eine Eigenbeteiligung der Empfängerinnen und Empfänger in Höhe von zwei Euro für jeweils sechs Masken.

Die Apothekerinnen und Apotheker sollten dafür eine Erstattung vom Bund bekommen, die den Recherchen zufolge weit über dem tatsächlichen Preis für FFP2-Masken lag. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter der Führung von Minister Jens Spahn (CDU) legte demnach die Höhe auf sechs Euro pro Maske fest. Erst für die Aushändigung der letzten fünf Masken sei der Betrag auf 3,90 Euro reduziert worden, so WDR, NDR und SZ – was immer noch weit über dem damaligen Marktpreis lag.

So seien im Einzelhandel Ende November beispielsweise fünf Masken für 9,99 Euro erhältlich gewesen. Auch das eigens vom BMG beauftragte Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young sei auf niedrigere Preise pro Maske gekommen: 4,29 Euro Anfang Oktober und 1,22 Euro im Großhandel Ende November – ermittelt durch Abfragen auf Preisvergleichsportalen im Internet, zum Beispiel "Geizhals.de".

Das BMG habe für seine Erstattung die 4,29 Euro zu Grunde gelegt und pauschal 1,71 Euro für den Arbeitsaufwand der Apothekerinnen und Apotheker draufgepackt – ungeachtet der Tatsache, dass sie wohl kaum einen Einzelhandelspreis von 4,29 Euro pro Maske bezahlt haben dürften, sondern ihre Waren über den Großhandel zu deutlich günstigeren Konditionen beziehen können. Sie berichteten von Einkaufspreisen zwischen 60 Cent und 1,50 Euro pro Stück. Die Aktion war damit ein Geldsegen für die Apotheken im Land.

Reporter testet FFP2-Masken vom Discounter (Symbolbild)

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WDR, NDR und SZ gehen von Kosten in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro für den Bund und damit für die Steuerzahlenden aus. Der Druck der fälschungssicheren Coupons habe schon rund 9,3 Millionen Euro gekostet. Und für die Ausgabe der ersten drei kostenlosen Masken habe der Bund allein fast 500 Millionen Euro an den Apothekerverband überwiesen, der das Geld an die Apotheken verteilte – und zwar "egal wie viele Masken sie abgaben", wie es heißt. Durchschnittlich erhielt jede Apotheke demnach rund 25.000 Euro in Runde eins der Masken-Verteilaktion.

Besonders pikant: Den Recherchen zufolge gab es sogar im BMG deutliche Warnungen vor dem teuren Verfahren ("gravierende Finanzwirkungen"), die jedoch von Minister Spahn persönlich beiseite gewischt worden seien. Auch seien Alternativen aufgezeigt worden. So seien etliche Beamte davon ausgegangen, dass sich viele der gefährdeten Menschen die Masken durchaus selbst hätten leisten können und sollen einen "Verzicht auf die Verordnungsfähigkeit von FFP2-Schutzmasken" empfohlen haben. Alternative Angebote, etwa einer Drogeriekette, die Masken deutlich preiswerter für einen Euro zu verteilen, habe das BMG nicht berücksichtigt. Das Ministerium teilte NDR, WDR und SZ auf Anfrage mit, dass zum Beispiel bei Discountern die Strukturen für Beschaffung, Qualitätsprüfung, Patientenberatung und sowie die Entgegenahme von Coupons "nicht bzw. nicht im selben Umfang" vorhanden seien.

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"Wir haben uns dumm und dämlich verdient"

"Wahrscheinlich wäre es einfacher gewesen, allen Bürgern Masken zuzusenden, dann wäre der Umstieg auf die FFP2-Maske effizienter gewesen, man hätte mehr Leute erreicht und es wäre nicht teurer gewesen", wird SPD-Gesundheitsheitsexperte Karl Lauterbach zu der Verteilaktion zitiert – ähnlich hatte es das Bundesland Bremen gehandhabt, mit Erfolg.

Für viele Apothekerinnen und Apotheker dürfte der Maskendeal das Geschäft des Jahres gewesen sein, mindestens. Etliche wollen ihren Gewinn jedoch gespendet haben. Insgesamt sei die Rechnung "sehr gut aufgegangen", sagte ein Apotheker dem Rechercheverbund. "Wir haben uns dumm und dämlich verdient."

Quellen: Norddeutscher Rundfunk und Westdeutscher Rundfunk bei "Tagesschau.de", "Süddeutsche Zeitung"Beschluss von Bund und Ländern vom 16. November

wue / tkr

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