Sich vegan und vegetarisch zu ernähren, liegt im Trend. Statt Fleisch und Milch kommen dann Sojamilch und Tofu auf den Tisch. 700.000 Deutsche greifen dem Statistikportal Statista zufolge mehrmals in der Woche zu Sojaprodukten. 2010 waren es noch 560.000. Kaum mehr ein Coffee-Shop, der Latte macchiato nicht auch mit Soja- statt Kuhmilch anbietet, und die Tofu-Würstchen sind ebenfalls längst aus den Reformhäusern in die Regale von gut sortierten Supermärkten gewandert.
Wer Sojalebensmitteln isst, macht dies oftmals mit dem guten Gefühl, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Tofu, Tempeh oder Sojamilch sollen gut für die Gefäße sein, bei Wechseljahrsbeschwerden helfen und sogar gegen Krebs schützen. Ganz unbegründet sind die Versprechen nicht. Forscher beobachten seit einiger Zeit, dass in asiatischen Ländern, in denen Sojalebensmittel täglich verzehrt werden, Frauen seltener an Brustkrebs erkranken. Auch Herzprobleme und Osteoporose treten nicht so häufig auf wie in westlichen Ländern.
Doch ist Soja wirklich die Ursache dafür? Was ist dran an den Gesundheitsversprechen? Ist ein übermäßiger Soja-Konsum sogar gefährlich? Und sind Nahrungsergänzungsmitteln mit Soja-Extrakten empfehlenswert?
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Was ist Soja und ist es so gesund?
Sojabohnen zählen zu den Hülsenfrüchten. Die Bohnen sind vor allem reich an hochwertigem pflanzlichem Eiweiß und damit für Vegetarier eine sehr gute Proteinquelle. Zudem enthalten sie Ballaststoffe sowie Vitamine - etwa Vitamin E und B-Vitamine -, Kalzium, Magnesium, Eisen und Folsäure. "Allerdings sticht Soja in diesem Punkt nicht besonders hervor", sagt Sabine Kulling, Lebensmittelchemikerin am Karlsruher Max Rubner-Institut. "Vollkornprodukte etwa liefern ebenfalls B-Vitamine und Folsäure."
Sojaforscher und Gesundheitsaposteln sind allerdings in erster Linie an den sogenannten Isoflavonen interessiert, sekundären Pflanzenstoffen, die ähnlich wie das Geschlechtshormon Östrogen wirken und für die positiven Effekte etwa auf die Herzgesundheit verantwortlich sein könnten. Sie werden auch als Phytoöstrogene oder Phytohormone bezeichnet. In Soja sind die beiden Isoflavone Genistein und Daidzein enthalten.
Sojabohnen können gegart, als Ganzes verzehrt oder zu Sojaprodukten wie Sojamilch, -joghurt, -mehl, Tofu, Tempeh (ein mithilfe eines Schimmelpilzes hergestellter Sojakuchen) oder Miso (eine Paste etwa zum Würzen von Suppen) verarbeitet werden. Das aus der Bohne gewonnene Sojaöl enthält die gesunden ungesättigten Fettsäuren.
Sind Sojalebensmittel gut fürs Herz?
1999 erlaubte die US-amerikanische Arznei- und Lebensmittelbehörde FDA Unternehmen, damit zu werben, dass eine an ungesättigten Fettsäuren und Cholesterin arme Ernährung, die zudem Soja enthält, "das Risiko für Herzerkrankungen senken könnte". Seitdem dürfen Hersteller Sojaprodukte mit der Auszeichnung "gesund fürs Herz" versehen. Die FDA empfiehlt, 25 Gramm Sojaprotein pro Tag zu verspeisen, was in etwa ein bis zwei Gläsern Sojamilch entspricht.
Der Grund: Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass die in Soja enthaltenen Isoflavone das gefäßschädigende LDL-Cholesterin im Blut deutlich senken können. Ob dies tatsächlich dazu führt, dass etwa weniger Herzinfarkte auftreten, ist offen. Eine Anzahl weiterer Studien hat die ersten Hoffnung aber ohnehin stark relativiert: Der Effekt von Soja auf LDL ist lange nicht so groß wie angenommen.
"Dass 25 Gramm Soja täglich gut fürs Herz sind, ist so nicht mehr haltbar", sagt auch Kulling vom MRI. "Wenn es überhaupt eine Wirkung zeigt, dann nur eine kleine." Die Harvard Medical School hingegen zufolge sind Sojalebensmittel trotzdem gut für die Herzgesundheit, schreibt - das aber eher indirekt, "da sie zumeist an die Stelle von weniger gesunden Alternativen, wie etwa rotem Fleisch, treten."
Hilft Soja gegen Wechseljahrsbeschwerden?
Gegen unangenehme Beschwerden der Wechseljahre wie etwa Hitzewallungen soll Soja ebenfalls helfen. Isoflavon findet sich daher auch isoliert in Nahrungsergänzungsmitteln, die gegen die Menopausen-Symptome angeboten werden. Theoretisch ist eine Wirkung durchaus nachvollziehbar: Bei Frauen sinkt während der Wechseljahre der Östrogenspiegel. Sojaprodukte, die Isoflavone und damit Phytoöstrogene enthalten, könnten dies abmildern. Tatsächlich ahmen Isoflavone die Aktivität von Östrogen allerdings nur sehr schwach nach.
Die "American Heart Association" kommt daher 2006 in einem Überblick zu dem Fazit, es sei unwahrscheinlich, dass Sojalebensmittel ausreichend Östrogen-Aktivität haben, um etwa gegen Hitzewallungen zu helfen. Auch Kulling betont: "Die Summe aller Studien zeigt keinen nachweisbaren Effekt."
Sojaprodukte könnten bei einzelnen Frauen dennoch wirken. Verantwortlich dafür könnte sein, dass Isoflavone im Darm unterschiedlich verstoffwechselt werden. Daidzein kann im Darm zu Equol umgebaut werden - ein Stoff, der stärker östrogen wirkt als Daidzein und so dazu beitragen könnte, Wechseljahrsbeschwerden zu lindern. Ob im Darm Equol in großer Menge gebildet werden kann, hängt allerdings auch von der Bakterienbesiedelung und der Genetik ab.
Kulling sieht daher kein Problem, wenn gesunde Frauen in eine ausgewogene Ernährung "normale" Mengen - etwa ein bis zwei Gläser Sojamilch pro Tag oder ein Glas und 85 Gramm Tofu - einbauen, um einfach auszutesten, ob sich dadurch Beschwerden lindern lassen.
Von der Einnahme hoch dosierter isoflavonhaltiger Nahrungsergänzungsmittel rät das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Frauen in den Wechseljahren jedoch ab. Die positiven Wirkungen seien nicht belegt, schwerwiegende gesundheitliche Folgen nicht auszuschließen. In toxikologischen Studien habe sich gezeigt, dass die Gabe von Isoflavonen - in isolierter und hoch dosierter Form - die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigen und das Brustdrüsengewebe verändern könne. Auch wenn es sich dabei lediglich um Tierstudien handelt, betont das BfR: Es sei "nicht auszuschließen, dass diese als östrogenähnlich anzusehenden Effekte auch die Entwicklung von Brustkrebs fördern können."
Beugt Soja Brustkrebs vor?
Hier ist die Studienlage nicht einheitlich: "Es gibt zahlreiche und gute Übersichtsstudien, die einen Zusammenhang zwischen einem Sojaverzehr und einem selteneren Auftreten von Brustkrebs in asiatischen Ländern zeigen", sagt Kulling. Auch wenn dadurch nicht bewiesen ist, dass Soja ursächlich dafür verantwortlich ist, sei auch ein Dosiseffekt zu erkennen, sagt die Lebensmittelchemikerin: "Je mehr Soja aufgenommen wurde, desto größer war auch der Schutzeffekt."
Allerdings: Dieser Zusammenhang ist nur für asiatische Länder nachgewiesen - nicht für westliche Länder. "Hier ist die Aufnahme von Sojalebensmitteln einfach zu gering", sagt Kulling. Es könnte aber auch sein, dass Asiatinnen einfach generell einen gesünderen Lebensstil pflegen - und sich dieser positiv auf das Brustkrebsrisiko auswirkt.
Die Studien aus Asien zeigen auch: Wenn es überhaupt einen Schutzeffekt gibt, dann ist eine frühe - ab dem Jugendalter - und lebenslange Sojazufuhr entscheidend. "Das bedeutet aber umgekehrt auch: Wenn ich nie Soja verzehrt habe und erst im späten Erwachsenenalter damit anfange, wird das mein Brustkrebsrisiko nicht verändern", sagt Kulling.
Sollten Brustkrebspatientinnen besser auf Soja verzichten?
Darüber streiten die Experten. Regt Soja eher das Wachstum von Brustkrebszellen an oder hilft es dabei, diese zu bekämpfen? Aus Zell- und Tierstudien gibt es Hinweise darauf, dass Sokjaextrakte Krebszellen schneller wachsen lassen. Nachvollziehbar ist das, denn Genistein und Daidzein wirken ähnlich wie das Hormon Östrogen, wenn auch schwächer. "Brustkrebszellen haben in der Regel Östrogenrezeptoren - also kleine Antennen, an die die Moleküle andocken können", sagt Kulling. "Auf Östrogene reagieren die Krebszellen daher mit Wachstum."
Allerdings: "Bisher gibt es keine Hinweise bei Brustkrebspatientinnen, dass ein normaler Verzehr von Sojaprodukten für diese Frauen schädlich ist", sagt Kulling.
Für Aufsehen sorgte erst vor kurzem eine Humanstudie von US-Forschern um Moshe Shike. Demnach fördert eine tägliche Nahrungsergänzung mit etwa 50 Gramm Sojaprotein bei an Brustkrebs erkrankten Frauen die Aktivität bestimmter Gene, die sich unter anderem tumorfördernd auswirken kann. "Was diese Veränderung tatsächlich bedeutet, ist aber noch unklar und sie ist keinesfalls mit einer Erhöhung des Risikos gleichzusetzen", betont Kulling. "Im Sinne der Vorsorge sollten Brustkrebspatientinnen aber nur im moderaten Maß Sojalebensmittel verzehren."
In einem begleitenden Kommentar zu der Studie weist auch Onkologe V. Craig Jordan auf Unsicherheiten hin. Die Wirkung der Phytoöstrogene könnte auch davon abhängen, wann diese zum Einsatz kommen: Zu früh oder um die Menopause herum, könnten sie das Wachstum der Tumorzellen fördern. Nach der Menopause könnten sie jedoch einen Nutzen zeigen - und dafür sorgen, dass Tumorzellen absterben.
"Ob ein Schutz vor Brustkrebs möglich ist und Patientinnen durch Sojaprodukte einem Rückfall vorbeugen können, bleibt zurzeit noch offen - ebenso wie die Frage, ob sich Frauen mit Brustkrebs durch Soja in größeren Mengen oder durch konzentrierte sojahaltige Nahrungsergänzungsmittel nicht doch schaden könnten", schreibt das Deutsche Krebsforschungszentrum.
Zur Krebsvorbeugung wird daher empfohlen, auf ein gesundes Körpergewicht zu achten, sich viel zu bewegen und möglichst wenig Alkohol zu trinken. Auch Stillen senkt das Brustkrebsrisiko. Von einseitigen Ernährungsweisen und Nahrungsergänzungsmitteln raten die Experten ab - Gesunden ebenso wie Brustkrebspatientinnen.
Ist Soja-Säuglingsnahrung empfehlenswert?
"Nein", sagt Kulling. Bezogen auf das Körpergewicht sind Säuglinge durch Soja-Babynahrung einer sehr hohen Exposition von Isoflavonen ausgesetzt. Welche Auswirkungen diese hormonähnlichen Stoffe auf einen sich entwickelnden Organismus haben, sei nicht geklärt.
Das betont auch das BfR. Es schließt sich daher den Empfehlungen der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin an. Demnach sollten nicht oder nicht voll gestillte Kinder Sojanahrung regelmäßig nur in begründeten Ausnahmefällen und nach ärztlicher Empfehlung bekommen. "Sojanahrung für Säuglinge ist nicht für die Ernährung gesunder Säuglinge gedacht", schreibt das BfR.
Beeinflusst Soja die Fruchtbarkeit?
Die Befürchtungen lauten: Bei Männern könnten die östrogenähnlichen Stoffe das Testosteron-Level senken und auch Frauen mit Kinderwunsch sollten besser auf Sojalebensmittel verzichten. "In Studien ließ sich das nicht belegen", sagt Kulling. "Beim Menschen wurden östrogene Effekte oder nachteilige Wirkungen auf die Entwicklung der Geschlechtsorgane und die Fruchtbarkeit bisher nicht nachgewiesen", schreibt auch das BfR.
Ist Soja schlecht für die Schilddrüse?
Die in Soja-Produkten enthaltenen Isoflavone stehen auch im Verdacht, die Funktion der Schilddrüse zu hemmen und Symptome wie eine Gewichtszunahme, Müdigkeit und eine Kropfbildung hervorzurufen. Der hemmende Effekt zeigt sich dem BfR zufolge im Zellversuch, durch die Zugabe von Jod lasse er sich jedoch beheben, schreibt das Institut.
"Die in Soja enthaltenen Isoflavone können nur problematisch werden, wenn die Schilddrüsenfunktion ohnehin schon beeinträchtigt ist und ein Jodmangel vorliegt", sagt Kulling. Da bei Frauen mit zunehmendem Alter ohnehin ein Risiko für eine Schilddrüsenunterfunktion tragen, könne sich dieses durch Isoflavonpräparaten erhöhen, schreibt das BfR. Hier ist daher Vorsicht geboten.
Was müssen Allergiker beachten?
Wer vermutet, dass er unter einer Laktoseunverträglichkeit oder an einer Milcheiweißallergie leidet, weicht gerne auf Sojaprodukte aus. Allerdings birgt auch die Milchalternative ein Allergierisiko. Zwar ist die Soja-Allergie relativ selten - bei etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung tritt sie auf. Doch was die Wenigsten wissen: Auch Birkenpollenallergiker müssen aufpassen.
Da ein Soja-Eiweiß dem Allergen von Birkenpollen ähnelt, kann eine sogenannte Kreuzallergie auftreten. Betroffene leiden dann an den typischen Symptomen einer Allergie, die von eher harmlosem Juckreiz und Schwellungen über Hautausschläge und Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu schweren allergischen Reaktionen reichen. Selten kann auch ein lebensgefährlicher anaphylaktischer Schock auftreten.
"Wer eine Birkenpollenallergie hat, sollte Soja daher meiden", sagt Kulling. Bei Lebensmitteln hilft ein Block auf die Verpackung: In Europa müssen Produkte, die Soja enthalten, gekennzeichnet sein.
Muss ich Angst vor Gen-Soja im Essen haben?
Um in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion eingesetzt werden zu können, muss ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) zugelassen werden. Für Lebensmittel, die direkt aus GVO hergestellt wurden, gibt es eine Kennzeichnungspflicht - allerdings auch erst ab einem Schwellenwert von 0,9 Prozent je Zutat. Solche Verunreinigungen sind zulässig, wenn der Hersteller nachweisen kann, dass sie "zufällig" in das Produkt gelangt sind oder "technisch unvermeidbar" waren. Spuren von GVO können also in jedem Lebensmittel vorkommen, ohne dass dies auf der Verpackung stehen muss.
Werden Lebensmittel wie Milch, Fleisch, Käse und Eier mithilfe von GVO hergestellt, muss dies allerdings nicht gekennzeichnet werden. Das Hühnchen kann also mit Gen-Soja gefüttert worden sein, ohne dass es der Verbraucher erfährt. Zwar können Lebensmittelhersteller seit 2008 ihren Produkten das Label "Ohne Gentechnik" verpassen. Doch diese Kennzeichnung ist freiwillig.
In Deutschland prüft die amtliche Lebensmittelüberwachung regelmäßig Lebensmittel auf Bestandteile von gentechnisch veränderten Pflanzen. Das Fachportal Transgen hat die Ergebnisse für 2013 gesammelt, Zahlen von zehn Bundesländern liegen bislang vor.
Unter mehr als dreitausend Lebensmittelproben war demnach jedes fünfte Sojaprodukt GVO-positiv - im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl rückläufig. Verstöße gegen die Kennzeichnungsvorschriften habe es nur vereinzelt gegeben und auch Funde nicht-zugelassener GVO seien 2013 die Ausnahme geblieben. Bei Sojalebensmitteln wurde bislang kein einziges Mal gegen die Kennzeichnungsvorschriften verstoßen.
"Im Allgemeinen sind Lebensmittel mit einer GVO-Kennzeichnung in Deutschland nur selten zu finden", heißt es auf Transgen. Der Grund dafür ist: Eine Mehrheit der Vebraucher lehnt hierzulande solche Produkte schlichtweg ab. Bei Lebensmitteln mit GVO-Kennzeichnung handelte es sich um sojahaltige Erzeugnisse wie zum Beispiel Sojaöl aus dem Asia-Shop oder Nahrungsergänzungsmittel mit Sojalecithin.
Sind Sojalebensmittel nun empfehlenswert oder nicht?
"Soja ist ein gutes, aber ganz normales Lebensmittel", sagt Kulling. Keine Wunderbohne, die das Herz stärkt und zuverlässig vor Krebs schützt. Aber auch keine Gefahrenquelle, durch die gesunden Menschen Unfruchtbarkeit und Schilddrüsenprobleme drohen.
"Weder der Hype noch die Überzeichnung der Gefahren ist gerechtfertigt", betont die Lebensmittelchemikerin. "Wer Soja mag, muss in der Regel keine Bedenken haben, wenn er es in Maßen verzehrt. Er sollte sich, was die Gesundheitsversprechen betrifft, nur nicht zu viel erhoffen."