Nordic Walken ist in. Es schont die Gelenke. Belastet werden nur die Zwerchfelle von allen, die es unfreiwillig betrachten müssen. Seien wir ehrlich: Es sieht bescheuert aus. Dabei ist die Grundidee ja richtig. Ein Marketingexperte einer finnischen Sportartikelfirma dachte lange darüber nach, ob es irgendeinen Weg gibt, auch im Sommer Skistöcke zu verkaufen. Er erfand Nordic Walking und macht damit seitdem Millionen. Weil Millionen es machen. Es wandert der Deutsche nicht mehr über Stock und Stein, sondern verstockt auf Asphalt. Skifahren ohne Skier - wie abgefahren.
Walkern kannst du momentan nicht aus dem Weg gehen. Sie sind überall. Sie sind nicht schnell, aber viele. Und wenn du versuchst zwischen ihnen mit dem Fahrrad Slalom zu fahren, wisse, sie ignorieren die Erfindung des Rades. Und sie sind bewaffnet: Der Stock ist ganz schnell umfunktioniert.Vorsicht!
Nichts gegen Bewegung
Ich habe wirklich nichts gegen mehr Bewegung, im Gegenteil. Und die Knie zu schonen ist auch nicht verkehrt. Hätte Gott wirklich gewollt, dass wir aufrecht gehen, hätte er uns bessere Knie gegeben. So zwingen uns unsere größten und anfälligsten Gelenke sprichwörtlich in die Knie.
Besser als Nordic Walken soll deshalb Bladen sein. Also Inline-Skaten. Statt die Gelenke mühselig beim Laufen über Jahre zu verschleißen, reicht jetzt ein einziger Sturz, und die Knie sind im Arsch. Entschuldigen Sie den Ausdruck, aber angesichts der Geschwindigkeiten auf Skates ist das sogar anatomisch korrekt. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe es probiert.
Gesundheitsbewusst wie ich bin, versuchte ich Risiken zu minimieren, durch die richtige Ausrüstung: Schoner über Ellenbogen, Knie und Handgelenke. In voller Montur inklusive Helm bist du praktisch bewegungsunfähig. Und allein daher auf die Rollen angewiesen. Ein Teufelskreis.
Denn die Hersteller tun alles dafür, einen festen Stand zu vereiteln: große glatte Rollen, und alle in einer Schusslinie. An jedem Kinderwagen sind Bremsen vorgeschrieben. Nur Erwachsene meinen, sich noch unter das Niveau von Babys begeben zu müssen, indem sie sich ungebremste Rollen unterschnallen.
Überschlags-Rechnung mit neuer Bedeutung
Okay, der rechte Schuh hat am Hacken einen kleinen Gummipfropfen, den so genannten Stopper. Eine kleine Überschlagsrechnung: Wie realistisch ist es, 85 Kilogramm Körpermasse, die durch ein Gefälle von fünf Prozent auf 45 Stundenkilometer beschleunigt wurden, zu "stoppen" durch sanften Druck auf eine Fläche von der Durchschlagskraft eines Radiergummis? Ein Pfropfen auf den heißen Stein. Da bekommt Überschlags-Rechnung eine neue Bedeutung.
Das Trügerische ist aber, dass du gar nicht anhalten willst. Denn Stehen ist auf den Dingern viel schwieriger, als in Bewegung das Gleichgewicht zu halten. Ein paar Schlittschuhschritte, und du rollst. Nach den ersten Schrecksekunden stellt sich plötzlich ein Gefühl tiefer Genugtuung ein. Leichtigkeit, Anmut, Grazie. Alles strahlst du aus. Du täuschst dich. Nicht aber die Menschen, die dir entgegenkommen. Sie wissen um die Gravitationskräfte hinter deiner Grazie. Sie schauen mitleidig - und wechseln die Straßenseite.
Beim Autofahren hofft man ja, sollte man die Kontrolle verlieren, möglichst auf kein Hindernis zu prallen. Beim Bladen ist es umgekehrt. Du suchst Hindernisse, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Woran festhalten: Baum oder Laterne? Ich nehme ein Taxi. Keine bewusste Entscheidung. Es steht plötzlich vor mir, ich brettere hinein und klammere mich reflexartig oben am Taxi-Schild fest. Der Fahrer gibt in Panik Vollgas. An der nächsten roten Ampel erspähe ich einen Gullydeckel und lasse mich fallen. Perfekt. Ein Rums, und die Rollen stecken im Kanalgitter, so fest, dass sich die Schuhe nie wieder rühren können. Ich laufe barfuß heim, jede Zehe Bodenhaftung - ein Genuss. Die Erde hat mich wieder.