Der Partyhit "Layla" von DJ Robin und Schürze steht nicht nur auf Platz 1 der Charts, auch bei den Aufreger-Themen in Deutschland ist er ganz vorne mit dabei. Als sexistisch wird der Text von vielen empfunden und deshalb sollte er auf Volksfesten in Würzburg und Düsseldorf nicht mehr gespielt werden. Vor allem die Zeile "Ich hab' 'nen Puff und meine Puffmama heißt Layla / Sie ist schöner, jünger, geiler", stört Kritikerinnen und Kritiker.
Wenn man sich das Lied aus der Perspektive der Gender Studies ansieht, ist es gleich in mehreren Hinsichten problematisch. Einerseits repliziert es Genderklischees und bedient sich dem Phänomen, das in der Fachsprache "Doing Gender" genannt wird. "Doing Gender" meint, dass ein Geschlecht nicht nur rein biologisch existiert, sondern dass es auch gesellschaftliche Zuschreibungen und geschlechtstypische Verhaltensweisen gibt, die schon Babys und Kleinkindern anerzogen werden. Bekanntes Beispiel dafür ist die Debatte um das Kinderspielzeug:
Debatte um Partyhit "Layla": Diese Songs wurden boykottiert oder sogar verboten
Auch Schlagerstar Drafi Deutscher musste Erfahrungen mit einem Boykott sammeln. Sein Lied "Marmor, Stein und Eisen bricht" wurde in Bayern verboten. Es heißt im Text: "Marmor, Stein und Eisen bricht / Aber unsere Liebe nicht / Alles, alles geht vorbei / Doch wir sind uns treu". Aber wegen der angeblich falschen Grammatik durfte es im Bayerischen Rundfunk nicht gespielt werden. Laut der Verantwortlichen von damals müsste es heißen: "Marmor, Stein und Eisen brechen".
Jungen haben häufiger Spielzeug, das mit Stärke assoziiert ist, wie etwa Schwerter oder Ritter und wenn sie einen Rock tragen wollen, wird das prompt als seltsam empfunden. Mädchensachen sind auch noch heute typischerweise rosa und flauschig und glitzern. Kleine Mädchen sollen sich lieber um ihre Puppen oder Kuscheltiere kümmern. Die angelernten Verhaltensweisen und Zuschreibungen ziehen sich bis ins hohe Erwachsenenalter und prägen sich weiter aus. Aus Mädchen werden Frauen und die sollen dann "schön und jung und geil" sein, wie der Song "Layla" suggeriert.
"Layla" ist nicht der krasseste Song, der es an die Chartspitze geschafft hat
Die Kritik an dem Song ist also wissenschaftlich und moralisch gesehen absolut gerechtfertigt, doch ist dieser Text nur die Spitze des Eisbergs: Er reproduziert Stereotype, die schon von klein auf gelernt wurden. Angesetzt werden sollte ganz früh etwa mit geschlechtsneutralem Spielzeug in den Kitas und richtiger Aufklärung über geschlechtliche Vielfalt in der Schule. Noch immer werden Themen wie Intergeschlechtlichkeit oder vielfältige Familienmodelle dort kaum besprochen. Wenn das flächendeckend passieren würde, könnte nachhaltig ein gesellschaftliches Bewusstsein für solche Themen geschaffen werden.
Ein weiteres Modell aus den Gender Studies ist das der Intersektionalität. Es meint grob gesagt, dass sich verschiedene Differenzkategorien verstärken und zu einer Mehrfachdiskriminierung führen. Nimmt man sich also die Layla aus dem Song und stellt sie sich als reale Person vor, so könnte sie realistisch von Mehrfachdiskriminierung betroffen sein. Der Name Layla wird zwar auch als Alias in der Escort-Szene verwendet, er ist aber vor allem ein typisch türkischer Mädchenname. Und so könnte sich in Laylas Fall eine spezifisch miteinander verwobene Form von Diskriminierung ergeben – und zwar aufgrund von Geschlecht, Rassismus und Beschäftigungsfeld. Auch dürfte dieses Modell nur in den wenigsten Schulen auf dem Lehrplan stehen, obwohl es eigentlich sehr anschaulich Zusammenhänge darstellen kann.
In der ganzen Debatte sollte man aber nicht vergessen, dass "Layla" nicht der einzig problematische Song ist, der eine große Popularität erfährt. Zeitreise ins Jahr 2012: Rapper Flo Rida veröffentlicht seinen Song "Whistle", der wochenlang an der Spitze der Charts steht und auf keinem iPod mit Kabelsalat-Kopfhörern fehlen darf. Junge Menschen tanzen auf Partys dazu und haben vor allem einen Ohrwurm: "Can you blow my whistle baby, whistle baby?" Das Thema des Songs ist: Oralsex.
2010, "Pumped Up Kicks" verhilft der Band Foster The People zum internationalen Durchbruch und diversen Chartspitzen, dabei ist das Thema des Textes die Amoklauf-Fantasie eines Schülers: "All the other kids with the pumped up kicks / You better run, better run / Faster than my bullet" heißt es im Song. Nominiert war er 2011 sogar für den renommierten "MTV Video Music Award für das beste Rock-Video".
Eine Amoklauf-Fantasie war 2011 ein Ohrwurm
Im Jahr 1979 schaffte es der Song "Bobby Brown (Goes Down)" von Frank Zappa in die Radios. Und dort sind zwischen eindeutigen sexuellen Anspielungen auch immer wieder Passagen mit Beschreibungen von Sexual-Praktiken zu finden, die nur von Insidern verstanden werden dürften. Darin heißt es etwa: "Eventually me and a friend / Sorta drifted along into S&M / I can take about an hour on the tower of power / As long as I get a little golden shower". Auf Deutsch wäre der Song vermutlich zensiert worden, auf Englisch avancierte er jedoch zum Radiohit.
2022 war das erfolgreichste Album der ersten drei Monate "Pussy Power" von Katja Krasavice, obwohl oder vermutlich gerade weil es viele explizite Inhalte und Szenen beschreibt. In der gleichnamigen Single singt Krasavice etwa: "Leck sie weiter, bis sie gibt Pussy Power / Bubble Butt und große Tits Pussy Power / Ich fick' mit wem ich will Pussy Power".
Die Liste mit obszönen und gewaltverherrlichenden Songs ließe sich beliebig fortsetzen, soll aber nur verdeutlichen: Themen wie Stalking, Drogen- und Gewaltverherrlichung und Entführung haben es in die Popkultur und in die Charts geschafft. Und: Andere Songs sollten im Zuge der Debatte auch hinterfragt werden, denn "Layla" ist nicht der krasseste Song, der es an die Chartspitze geschafft hat – und der sich durch die öffentliche Aufregung nun größerer Popularität denn je erfreut.