Manchmal gehen Kindheitsträume in Erfüllung. Bei Dietmar Wunder war dies der Fall. Seine Begeisterung für Sean Connery als James Bond war einer der Gründe, weshalb sich der heute 41-Jährige schon als Jugendlicher für die Schauspielerei begeisterte. Nach abgeschlossener Schauspielausbildung übernahm er Rollen fürs Theater und Fernsehen. Durch einen Zufall entdeckte der gebürtige Berliner sein Talent zur Synchronisation. Mit "Twin Peaks" und "Ausgerechnet Alaska" geriet Wunder 1990 gleich zu Beginn seiner Sprecher-Karriere an zwei Kult-Serien und machte sich schnell einen Namen.
Im Laufe der nächsten Jahre lieh er zahlreichen hochkarätigen Hollywood-Schauspielern seine Stimme, darunter Jamie Foxx, Edward Norton, Christian Bale, Robert Downey jr. und Jude Law. Regelmäßig spricht er Don Cheadle und Adam Sandler. Nun ist Daniel Craig dazugekommen - und beschert Dietmar Wunder die Erfüllung seines lang gehegten Traums. stern.de-Redakteur Carsten Heidböhmer traf den Synchronsprecher einen Tag nach der Deutschlandpremiere von "Casino Royale" in Berlin.
Herr Wunder, wie haben Sie erfahren, dass Sie die deutsche Stimme von James Bond sein werden?
Der Produktionsleiter der Synchronfirma rief mich an und sagte: "Du arbeitest jetzt für Ihre Majestät". Ich habe mich darüber riesig gefreut. Abends habe ich dann mit meiner Frau angestoßen - aber nicht mit Martini.
Es ist das erste Mal, dass Sie Daniel Craig sprechen. Haben Sie sich angeschaut, wie er in seinen anderen Filmen synchronisiert wurde?
Sich an anderen zu orientieren ist gefährlich. Jeder hat seinen eigenen Charakter in der Stimme. Man sollte versuchen, seine eigene Farbe reinzubringen. Ich habe versucht, das darzustellen, was Daniel Craig vorgegeben hat.
Sie leihen mehreren amerikanischen Schauspielern Ihre Stimme. Darunter Adam Sandler, der ein extremer Gegenpol zu Daniel Craig ist. Wie bringt man so verschiedene Typen unter einen Hut?
< Das sind sicher die konträrsten Schauspieler, die ich spreche. Es kam oft die Frage auf: Adam Sandler spricht jetzt James Bond? So kann man das aber nicht sehen. Es sind natürlich zwei komplett unterschiedliche Charaktere, die auch stimmlich ganz anders sind. Ich klinge bei Sandler ganz anders. Er spricht höher, nasaler. Craig dagegen warm und tief. Ich versuche das bei der Synchronisation umzusetzen. Auch der Sprachduktus der beiden ist ganz verschieden.
Wie schaffen Sie es technisch, mit Ihrer Stimme so verschiedene Charaktere darzustellen?
Grundsätzlich kann man natürlich nicht jeden Schauspieler synchronisieren. Ich könnte zum Beispiel nie Arnold Schwarzenegger sprechen, da müsste ich meine Stimme zu sehr verändern. Das hält man nicht lange durch, damit macht man sich seine Stimme kaputt. Grundsätzlich ist das alles Handwerk. Manchmal spreche ich an einem Tag drei verschiedene Schauspieler. Das ist dann wie ein Schalter, den ich umlege.
Sie legen in ihrem Job einen Spagat hin: Einerseits müssen Sie dem Schauspieler eine gewisse Wiedererkennbarkeit verschaffen, andererseits verlangt jede Rolle ihre Individualität.
Es ist noch mehr: Gleichzeitig sollen wir unsere eigene Seele auch mit reinbringen, damit es nicht nur eine Kopie ist, sondern auch echte Gefühle zu hören sind.
Können Sie da auch etwas Persönliches in so eine Rolle einbringen?
Teils, teils. Gerade bei einer solchen Produktion muss man stark am Original bleiben. Wenn er in einer Situation keinen lockeren Spruch bringt, kann ich da nicht im Deutschen komplett etwas anderes machen.
Inwieweit haben Sie Einfluss auf die deutschen Texte?
In der Regel liegt das fertig übersetzte Buch vor. Das ist bereits gecheckt, ob es lippensynchron ist. Wir haben aber immer eine künstlerische Freiheit. Wenn man mit einem Supervisor im Atelier ist, kann man da immer was ändern. Geschriebene Sätze lesen sich oft gut, sprechen sich aber manchmal nicht so flüssig. Ich betreue als Synchronregisseur "CSI: NY", da darf ich mir in Absprache mit der Redakteurin von "Vox" gewisse Freiheiten herausnehmen und die Texte mundgerechter machen. Ich versuche dafür zu sorgen, dass die Figuren umgangssprachlich klingen.
Sieht man beim Liebesdialog die Schauspielerin oder die Synchronsprecherin vor sich?
Man steht vor einem Pult und sieht vor sich einen Fernseher oder die Leinwand. Und man spricht nach vorne. Das heißt: Bei einem Liebesdialog spreche ich mit Eva Green.
Wie wichtig ist es, dass man bei Action-Szenen die körperlichen Bewegungen nachvollzieht?
Beim Synchronisieren darf man sich eigentlich nicht bewegen. Ein wenig macht man das aber trotzdem immer. Wenn ein Schauspieler im Film telefoniert und den Kopf dabei schräg hält, macht man das als Synchronsprecher auch. Als Synchronregisseur rate ich oft neuen Kollegen, die Mundbewegungen des Schauspielers zu imitieren. Also wenn der die Kiefer vorschiebt, das auch zu tun. Du sitzt dann sofort auf dem Gesicht von dem Schauspieler drauf. Wenn der Schauspieler rennt, ist das natürlich eine Technik-Frage, das zu simulieren. Es gibt sogar Synchronsprecher, die einen Sprint im Sitzen simulieren können. Es ist ein Handwerk, das viel mit Schauspiel und Technik zu tun hat. Nur eine schöne Stimme zu haben, reicht nicht aus.
Gibt es Schauspieler, die Sie gerne einmal synchronisieren würden?
Da mein Sohn gerade das Dschungelbuch entdeckt hat, würde ich gerne mal Balu den Bären synchronisieren.
Haben Sie die Schauspieler mal getroffen, die Sie sprechen?
Ich habe Adam Sandler bei einer Premiere getroffen. Sehr nett. Edward Norton habe ich auf der Premiere von "American History X" kennen gelernt. Ein sehr sympathischer, ganz bescheidener, zurückhaltender Typ. Die waren auch sehr interessiert an meinem Job und haben sich nach meiner Arbeit erkundigt. Das kennen die ja aus Amerika gar nicht.
Klar - als Schauspieler gibt man einen Teil der Macht an den Synchronsprecher ab.
Das ist auch nicht zu unterschätzen. Ich habe es mehrfach erlebt, dass sich das Publikum über eine schlechte Synchronisation beschwert hat. Das ist den Amerikanern mehr und mehr klar geworden, deswegen wollen sie immer öfter mitentscheiden, welche deutschen Stimmen besetzt werden. Ich würde mal sagen, zu 60 Prozent besteht die deutsche Unterhaltungsindustrie aus synchronisierten Fassungen fremdsprachiger Filme. Deswegen ist es meiner Meinung nach so wichtig, dass die Arbeit gut gemacht wird.
In vielen Filmen und Serien hat man sich so an die Synchronstimme gewöhnt, dass man das Original gar nicht mehr hören mag. "Laurel und Hardy" ist so ein Beispiel.
Wunderbar! Interessant ist es auch bei Bruce Willis. Der hat im Original eine recht jugendliche Stimme. Manfred Lehmann, sein Synchronsprecher, klingt dagegen ganz hart und kernig. Grundsätzlich find' ich es durchaus erlaubt, wenn man eine andere Stimme nimmt. Hauptsache, der Charakter bleibt erhalten. Das legendärste Beispiel für eine gelungene Synchronisierung ist aber "Die Zwei". Im englischen Original eine recht langweilige Serie, die deutsche Version ist der Brüller schlechthin.
Das lag an der eigenwilligen Übersetzung von Rainer Brandt.
Genau. Der eine bestimmte Art von Synchronisation eingeführt und seinen eigenen Witz daraus gemacht. Rainer Brandt ist schon eine Ikone im Synchronuniversum. Der hat eine bestimmte Art zu synchronisieren eingeführt. Er hat gefragt: Was ist denn wichtig in einem Satz? In einem Satz muss man nur die wichtigen Worte verstehen - nicht jeden einzelnen Konsonanten. Es hängt natürlich immer alles vom Film ab. Es sollte unsere Aufgabe sein, die Sprache und den Charakter des Films so gut es geht ins Deutsche zu übertragen. Und je mehr das Gefühl entsteht, 'Hey! Der Film ist ja auf Deutsch gedreht', desto besser haben wir unseren Job gemacht.
Wie genau es Dietmar Wunder schafft, so grundverschiedene Charaktere zu synchronisieren, demonstriert er an einem Beispiel. Den legendären Satz "Mein Name ist Bond, James Bond" gibt er in zwei Versionen: Wie Daniel Craig ihn sagt - und wie Adam Sandler ihn sprechen würde.