Peter Sloterdijk und Christian Lindner sind nicht das einzige Problempaar in der Kulturgeschichte des Abendlandes. Der Beziehungsstatus zwischen Philosophen und Machthabern ist schwierig bis zerrüttet. Die beiden ungleichen Partner können voneinander nicht lassen. Doch miteinander können sie auch nicht. Tragisch.
Immer wieder haben Machthaber die Nähe von Philosophen gesucht. Denn nur die besonders rohen Herrscher können sich einfach damit zufriedengeben, als reine Tyrannen zu gelten. So etwas schaffen eigentlich nur Typen wie Trump oder Putin. Der handelsübliche Machthaber spaziert irgendwann düster durch die hallenden Korridore seines Amtssitzes, betrachtet grüblerisch die Galerie seiner Vorfahren und fragt sich nach seinem Platz in der Geschichte. Spätestens dann wird ihm klar, dass Golf, Fuchsjagd und stetes Bunga-Bunga im Bikini-Atoll einfach nicht ausreichen, um die Existenz eines Menschen zu füllen. Also schicken sie ihren diensteifrigen Majordomus aus, einen frischen Geist aufzuspüren, der ihre traurige Existenz veredele und ihr Tiefe und Sinn gebe.
Im Bergwerk der Begriffe
Doch nicht nur die Könige sehnen sich nach Abwechslung. Auch manch einen luftigen Geist juckt es nach zehrender Morgenschicht im düsteren Bergwerk der Begriffe in den Fingern. Dann genügt es dem ätherischen Geistesmenschen nicht mehr, immer nur den kratzigen Gänsekiel über die schneeweiße Seite zu schieben oder in seinem Lieblingsantiquariat mit einem ehrfurchtsvollen Kopfnicken begrüßt zu werden; plötzlich will der Luftgeist die Arme tief in den klebrigen Teig der Wirklichkeit sinken lassen; plötzlich will er sich auch mal die Hände so richtig schmutzig machen; plötzlich will er Ruhm, Macht und Ehre.
Außerdem sind Königspaläste, Ministerien und Kanzleien oft einfach besser geheizt als die zugige Denkerklause, wo es dauernd von der Decke tropft. In einem Schloss ist der Service einfach besser.
Bundesrepublikanische Windmaschine
Und so kommt es dann, dass König und Philosoph bald nebeneinander in tiefen Sesseln versinken und über die Notwendigkeit schöner Gartenanlagen, funkelnder Opernhäuser oder wohltemperierter Grausamkeiten an den Landesgrenzen parlieren.
Aber ach: Auch das wird irgendwann wieder langweilig. Und dann kann der Philosoph von Glück sagen, wenn er nur in die Wüste geschickt wird, und nicht gleich gezwungen wird, sich in seinen rostigen Säbel zu stürzen. So war es zumindest früher. Inzwischen haben sich die Machtverhältnisse etwas zugunsten der Philosophen verschoben.
Heutzutage kann der Philosoph mit ein paar Boshaftigkeiten den Ruf des Königs auf immer ruinieren, ohne weitere Konsequenzen fürchten zu müssen. Wie das geht, hat Peter Sloterdijk eben erst eindrucksvoll gezeigt. Aus Rache dafür, dass Christian Lindner nie wirklich auf den kostbaren Rat unserer TÜV-geprüften, bundesrepublikanischen Windmaschine gehört hat, hat der Philosoph den ehemaligen Finanzminister mit einem einzigen Bonmot für immer erledigt. Lindner, so Sloterdijks grausames Verdikt, sei nie etwas anderes gewesen als ein "intellektueller Selbstversorger."