Eigentlich wollte Museumsdirektorin Cecilie Hollberg in Florenz nur die Jahresbilanz und kommende Projekte auf einer Pressekonferenz vorstellen. Das ist Routine und bietet die Gelegenheit, die eigenen Leistungen herauszustellen. Doch es kam anders. Hollberg löste ungewollt einen Sturm der Entrüstung aus, der mittlerweile sogar Rom erreicht hat. Um die nationale Aufregung zu verstehen, muss man wissen, dass Hollberg eines der berühmtesten Museen der Welt leitet: die Galleria dell'Accademia, Heimat des Davids von Michelangelo.
Was war passiert? Hollberg hatte es auf der Jahrespressekonferenz am vergangenen Montag gewagt, sich zum Thema Massentourismus in der Toskana-Metropole zu äußern: "Wenn eine Stadt erst einmal zur Hure geworden ist, ist es für sie schwierig, wieder Jungfrau zu werden. Wenn jetzt nicht die absolute Bremse gezogen wird, gibt es keine Hoffnung mehr", sagte sie da.
Cecilie Hollberg spricht großes Problem für Florenz an
Die Deutsche Hollberg sprach damit ein Problem an, mit dem zahlreiche europäische Städte und Tourismusregionen zu kämpfen haben: "Florenz ist sehr schön. Ich hätte gern, dass es wieder an seine Bewohner geht und nicht vom Tourismus zerquetscht wird." Leider sei es dafür zu spät, urteilte sie. Die 380.000-Einwohner-Stadt Florenz gehört mit mehr als fünf Millionen Touristen pro Jahr zu den meistbesuchten Städten Italiens. Die Lebenshaltungskosten sind hoch.
Doch das eigentliche Anliegen Hollbergs interessierte nicht mehr. Sie versuchte noch, die Empörungswelle einzufangen. In einer Erklärung ließ sie verbreiten, sie liebe die Stadt und habe die "falschen Wörter" verwendet. Dem Sender Rai sagte sie: "Mir liegt es fern, irgendjemanden beleidigen zu wollen – und schon gar nicht die Florentiner." Sie habe deutlich machen wollen, dass Florenz verantwortungsvollen Tourismus betreiben müsse. Doch es nutzte nichts. Die Worte waren in der Welt und zogen ihre Kreise.
"Die Äußerungen der scheidenden Direktorin Hollberg über unsere Stadt sind einfach wahnsinnig", legte die stellvertretende Bürgermeisterin und Kulturstadträtin Alessia Bettini los. Das sei die "die schwerste Beleidigung, die man je von einem Menschen gehört" habe, zürnte sie. In Rom zeigte man sich entsetzt. Der Kulturminister der Rechts-Regierung, Gennaro Sangiuliano, betrachtete die Worte Hollbergs als Beleidigung für ganz Italien. Er kündigte an, "alle geeigneten Initiativen" zu prüfen. Was das genau heißt, sagte er nicht.
Druck aus allen politischen Lagern
Der Druck auf Hollberg kommt nicht nur aus dem nationalkonservativen Lager, sondern auch aus dem linksliberalen. Der frühere italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, dessen politische Karriere einst als Bürgermeister von Florenz begann, brachte einen Rücktritt ins Gespräch. Zum Schluss wollte der aktuelle Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella, nicht mehr schweigen: "Florenz als Hure zu bezeichnen, ist meines Erachtens eine Beleidigung von beispiellosem Ausmaß für die ganze Stadt."
Dass Politiker über Florenz' Stadtgrenzen hinaus die unbedarften Äußerungen nutzen, um sich zu profilieren, hat mit dem Rang zu tun, den die großen italienischen Museen besitzen. Sie sind fester Bestandteil der italienischen Nationalidentität, die Besetzung der Direktorenposten hat große politische Bedeutung. Kulturminister Sangiuliano hat im vergangenen Sommer keinen Hehl daraus gemacht, dass für seinen Geschmack zu viele Ausländer an der Spitze der wichtigsten Kultureinrichtungen stehen. Da kommen ihm die ungeschickten Äußerungen Hollberg gerade recht.
Hollberg kann sich deswegen nicht sicher sein, dass der im Sommer auslaufende Vertrag verlängert wird. Dabei ist sie sehr erfolgreich. Die Besucherzahlen des Museums stiegen von 1,4 Millionen im Jahr 2015 auf 2,01 Millionen im Jahr 2023, ein Rekordjahr. Hollberg hat die Accademia modernisiert. Die Aufmerksamkeit liegt jetzt nicht nicht mehr nur auf dem David, sondern genauso auf anderen großen Kunstwerken.
Quellen: DPA, "Corriere Fiorentino", "Weltkunst", "Süddeutsche Zeitung".