Takashi Murakami Der geschäftstüchtigste Künstler seit Warhol

Von Alexander Jürgs, Frankfurt
Dagegen war die Pop-Art ein Kinderspiel: Takashi Murakami verschmilzt Kunst und Kommerz, Popkultur und Mode wie kein Zweiter. Er designt Taschen für Vuitton, dreht Video für Kanye West. In Frankfurt verwandelt der selbsternannte "Marketingkünstler" nun ein komplettes Museum in eine schrill-bunte Parallelwelt.

Im Normalfall ist der Museumsshop ein Anhängsel des Ausstellungshauses. Aus Kunst wird dort Kitsch: Klimts Frauen auf T-Shirts, Van Goghs Blumen auf Tassen und ein Picasso für den Regenschirm. Takashi Murakami dagegen stellt den Museumsshop in die Mitte seiner Ausstellung, ins Herz des Museums. Merchandising, das ist bei ihm kein Nebenprodukt der Kunst, sondern die Kunst selbst. Und wenn man die plüschigen Kissen in Blütenform, die Mangafiguren und bunten Buttons sieht, die dort verkauft werden, dann kommt man schnell zu dem Schluss: Kitsch wird hier zur Kunst.

Gerade wurde dem japanischen Kunstsuperstar Murakami in Frankfurt ein ganzes Museum frei geräumt, in dem sich dessen Skulpturen, großformatige Gemälde und eben auch jener zitronengrün gestrichener "KaiKai Kiki Shop" nun glitzernd und schrill entfalten. Eine Handvoll Charaktere wie Murakamis Alter Ego DOB, die Mangafiguren KaiKai und Kiki oder der schüchtern-verliebte Pennäler Inochi mit dem Kartoffelkopf treffen in dieser bunten Parallelwelt auf ein überschaubares Repertoire an Motiven: Blumen, Kirschblüten oder (Atom)pilze.

Dazu kommen noch jede Menge Körperflüssigkeiten. Ein "Lonesome Cowboy" ejakuliert in den Raum hinein, ihm gegenüber presst das Comicmädchen "Hiropon" Milch aus ihren überdimensionalen Brüsten - alles auf Hochglanz poliert und merkwürdig steril. "Superflat" - superflach - nennt Murakami seine Kunst, die vor allem eines sein will: eine starke, unverwechselbare Marke. Nicht umsonst trägt die Schau den Titel "© Murakami".

Kommerzkünstler ist klassisch ausgebildet

Zur Pressekonferenz erscheint der Künstler gutgelaunt mit Nickelbrille, Kinnbart, dem obligaten Pappbecher von Starbucks und eigener Übersetzerin. Ob er dann etwas zu seinen Werken sagen möchte? Nein, wiegelt Murakami ab - um dann wenig später doch von seiner Begeisterung für die japanische Tradition der Meisterschüler zu berichten. Er selbst wurde noch in der klassischen Nihonga-Malerei ausgebildet. Heute, als Meister von 120 Mitarbeitern, führt er ein hypermodernes Unternehmen mit Filialen in Tokio und New York, das seine Produkte, Auftritte und Ausstellungen weltweit vermarktet.

"KaiKai Kiki" (elegant und bizarr) taufte Murakami dieses Imperium, das besonders durch die Zusammenarbeit mit Louis Vuitton für Furore sorgt. Seit 2002 entwirft Murakami für die Luxusmarke Handtaschen mit Kirschblütendekor und bunten Logos, die längst zu raren Sammlerstücken avanciert sind. Und natürlich zeigt er diese Entwürfe nun auch im Museum. So drastisch und so konsequent wie Murakami hat vor ihm noch niemand die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz verwischt, nicht einmal Damien Hirst mit seinem mit Diamanten besetzten Totenschädel.

Taschen für Vuitton, Video für Kanye West

Aber ist das überhaupt noch Kunst, was Takashi Murakami in seinen Ausstellungen zeigt? Ein Film, der die Figuren Kiki und KaiKai zu Wassermelonenbauern oder in futuristische Stadtansichten führt, entpuppt sich als klassischer japanischer Anime - niedlich genug, um auch Kleinkinder zu begeistern. Die großen Gemälde und Plastiken könnte man sich auch als Comics sehr gut vorstellen. Ihre grafische Qualität ist ohne Frage beeindruckend, reicht sogar an die Arbeiten von Manga-Meistern wie Katsuhiro Otomo oder Hayao Miyazaki heran. In einem anderen Raum läuft ein Video, das der Japaner für den US-Rapper Kanye West hat zeichnen lassen. Zur Kunst werden diese Werke erst, weil Murakami sie mit aller Vehemenz dazu erklärt. Anders als der Westen kennt die japanische Kultur keine strikte Trennung zwischen Handwerk und hoher Kunst - diesen Leitsatz will Murakami nun global verstanden wissen. Für diese Idee engagiert er sich als selbsternannter "Marketingkünstler".

Übertrifft Warhols "Factory"

Verglichen mit Murakamis Firma "KaiKai Kiki" war Andy Warhols "Factory" eine kleine, harmlose Spielwiese. Wenn die Künstler der Pop Art ihre Werke in hohen Stückzahlen produzierten oder die Warenwelt glorifizierten, dann war da immer auch ein Funke Ironie oder Kritik mit im Spiel. Warhols "Factory" war ein Laden voller Freaks und Aussteiger - Murakamis Betrieb arbeitet hocheffizient und präsentiert sich als smartes Unternehmen. Der Japaner liebt den Kapitalismus ohne Widerspruch.

Deswegen ist seine Produktpalette auch so vielfältig: Im Museumsshop gibt es seine Figuren für einige Euro, die Installation "My Lonesome Cowboy" ersteigerte ein Sammlerehepaar aus Santa Monica kürzlich für 13,5 Millionen Dollar. Superflach, das bedeutet bei Murakami vor allem supererfolgreich. Das "Time Magazine" kürte ihn in diesem Jahr zu einem der hundert einflussreichsten Menschen der Welt.

Die Ausstellung "© Murakami" ist vom 27. September bis zum 4. Januar 2009 im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, Informationen unter www.mmk-frankfurt.de

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