M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Merz, Maaßen, Amthor – Jurassic Pack: CDU. Aber normal

Eine Kolumne von Micky Beisenherz
Hans-Georg Maaßen
Hans-Georg Maaßen will für die CDU in den Bundestag einziehen. Mehrere Kreisverbände in Thüringen wählten ihn am Freitag zu ihrem Spitzenkandidaten.
© Michael Reichel / DPA
Die CDU hadert weiter mit Armin Laschet. Aus Angst, die Wahl zu verlieren, kramt die Partei ihre Altstars hervor. Für Aufbruch steht das nicht - im Gegenteil.

"Wie kann man so irre sein?" Das wäre doch mal ein schöner Slogan für die Bundestagswahl. Klar, es ist kein "Mehr Demokratie wagen" wie einst bei den Sozialdemokraten oder Kretschmanns "Sie kennen mich".

"Sie kennen mich". Na, das wäre nun auch ein Satz, der nirgends so deplatziert wirken würde wie bei den Christdemokraten. Die Partei kennt ja nicht mal mehr sich selbst. Zumindest hatte die NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler so ihre Probleme damit, ihre Union zu identifizieren, jetzt, da der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in Thüringen gerade als Bundestagskandidat nominiert wurde.

"An die 37 Parteikollegen in Südthüringen: Ihr habt echt den Knall nicht gehört! Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen?", schrieb die CDU-Politikerin bei Twitter. "Wer so große Angst vor der AfD hat, hat so vieles längst aufgegeben. Ein bitterer Tag."

Güler ist derzeit nicht die Einzige, die sich verwundert die Augen reibt über die Richtung, die ihre Partei da einschlägt. "Richtung" ist auch nicht ganz korrekt. Sind es doch gleich mehrere Routen, die man nimmt. Es ist erst ein paar Tage her, dass der bislang etwas glücklose Versöhner (Euphemismus des Jahres) Armin Laschet verkündete, Friedrich Merz in sein Wahlkampfteam zu holen. Eine etwas ungewöhnliche Wahl für einen Spitzenkandidaten, der nun eigentlich für Veränderung und Moderne stehen möchte – solange alles so bleibt wie es ist.

Vor wenigen Jahren, ich befand mich in einer tiefen Krise, hörte sich ein Gesprächstherapeut tapfer meine Leidensgeschichte an. Ich berichtete von meinen Wünschen, meiner Angst vor der Zukunft, den Problemen, in der Hoffnung, er möge mir eine Lösung anbieten. Mein Gegenüber gelangte nach geduldigem Zuhören zu einem einfachen Fazit: "Mit dem, was Sie mir hier erzählen, senden Sie mir zwei völlig verschiedene Aufträge. Was Sie wollen, das wird nicht gehen. Sie können nicht das eine haben und das andere bekommen."

Bei der CDU passt nichts mehr zusammen

Ich will damit nicht andeuten, dass die CDU zur Gesprächstherapie müsste – das wäre allein schon deshalb unklug, weil Paul Ronzheimer von "Bild" direkt live daraus tickern würde. Beratungsbedarf wäre aber wohl vorhanden. So richtig passt nichts mehr zusammen. Während man auf Bundesebene nun mit dem gleichermaßen gemäßigten wie mäßigen Laschet in Umfragen "flatten the Curve" spielt, bietet der Thüringer Landesverband besagten Maaßen auf. Den Polyester-Hooligan von der Werte-Union. Also dem Verein für Leute, dem die CDU zu links und die AfD zu Hoecke ist.

Die verhaltensauffällige Klemmbrille soll nun also diejenigen wieder an sich binden, denen ihre Christdemokratische Union unter Angela Merkel zu einer Art Hippietruppe verkommen scheint. Hansi, lass es dreggern. Mit Maaßen bekommt Laschet doch noch seinen Brückenlockdown – zur AfD. Allzu groß jedenfalls sind die ideologischen Unterschiede zwischen Meuthens Schreckenskabinett und dem rheinischen Migrationsskeptiker nun wirklich nicht.

Der gar nicht mehr so frische Vorsitzende findet das zwar öffentlich nicht sooooo toll, andererseits könnte es ja sogar klappen. Und da nimmt man das bisschen Geraune doch ganz gerne in Kauf. Plakate mit "Für mehr Vielfalt – Euer Armin" kann man im September ja trotzdem noch kleben. Wurscht.

Maaßen wird auf Thüringen losgelassen

Maaßen hat sich endgültig so verändert, dass er als christdemokratische Doppelmutante auf Thüringen losgelassen wird – mit offenem Ausgang, wie aggressiv und ansteckend man ihn dann später im Bundestag wieder vorfinden wird. Das alles nimmt man offenkundig billigend in Kauf, weil die Angst riesig ist, "in den neuen Bundesländern" an den Urnen bitter abzuschmieren, oder um es anders zu sagen: Die CDU hat mehr Schiss vorm Osten als Friedrich Merz vorm Gendern.

Womit wir bei der nächsten, nun ja, dornigen Chance wären. Letztgenannten darf Laschet gerne zu Wahlkampfveranstaltungen nach Magdeburg oder Erfurt schicken, während auf ihn selbst dort niemand wartet. Eher im Gegenteil. Als konservatives Versprechen taugt Merz, der Burschenschafts-Jesus aus dem Sauerland, während der frisch gekürte Kanzlerkandidat weite Teile der letzten alten Volkspartei mächtig unterwältigt.

Aber man hat sich nun mal eben so entschieden, weil man nicht den eben erst gewählten Parteivorsitzenden gleich wieder komplett beerdigen kann. Obwohl der bayerische Mitbewerber so tolle Umfragewerte hat. Seufz. Man ist schließlich noch nicht komplett zur SPD mutiert.

Für viele in der CDU/CSU ist Laschet nun das Raststätten-Gericht, was man sich bestellt hat und nun halt nehmen muss, während in Sichtweite gerade das herrliche Büffet aufgebaut wird. Um diesen "sein Platz ist in Bayern"-Phantomschmerz ein wenig zu lindern, bietet der Spitzenkandidat nun den doppelten Fastparteivorsitzenden auf – als "Söder-Detox", wie es der großartige Hajo Schumacher unlängst beschrieb.

Merz kann dir helfen – kann dich aber auch killen

Das ist ein heikles Unterfangen: Merz ist wie Sputnik V. Kann helfen. Kann dich aber auch killen. Was für eine Botschaft geht von alledem aus? Merz. Maaßen. Amthor. Roland Koch wartet schon in der Kryo-Kammer. Ist das noch Wahlkampf oder schon Voodoo?

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer 
(Ein-)gemischtwarenladen. Autor (heute Show, Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen

Die CDU gibt vor, in die Moderne marschieren zu wollen, die Zukunft gestalten zu wollen, für eine pluralistische Gesellschaft einzutreten – und bietet mit seinem Jurassic Pack genau das prominente Personal auf, das für das genaue Gegenteil steht.

Mag sein, dass man so am rechten Rand sogar ein paar wieder einhegen kann. Aber wie viele verlierst du, die in den Merkel-Jahren ihren Frieden mit diesem stockkonservativen Haufen gemacht hatten und nun mit Grausen auf die aktuelle Entwicklung blicken. Was will die CDU? Also, außer bloß diese verdammte Wahl zu überleben. Irgendwie.

Laschet selbst ist wahrlich nicht zu beneiden. Wer einen 8000er besteigen will mit einer Seilschaft aus Merz, Maaßen und Söder, der sollte sicherheitshalber besser fliegen können. Die CDU sitzt in der "Tenet"-Falle. Der Plot bis zum 26. September: Um in der Zukunft erfolgreich zu sein, musst du alles nochmal rückwärts laufen lassen, das Morgen mit viel Gestern reparieren.

Der Plot war verwirrend, der Film großer Quatsch, toll inszenierter Blödsinn und letztlich: enttäuschend. Ja, es ist richtig. Es kann auch eine Tugend sein, sich breit aufzustellen. Für jeden etwas anzubieten. Manch einer hat sich beim Spagat aber auch schon einen bitteren Adduktorenabriss geholt. Und diese programmatische Schizophrenie offenbart vor allem: Mit einem Spitzenkandidaten Laschet ist die CDU noch nicht durch.

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