M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Markus Söder – Rilkes blauer Panther in der Staatskanzlei

  • von Micky Beisenherz
Markus Söder mit einem Plüschpanda
Markus Söder mit einem Plüschpanda, den er zuvor vom Parteisekretär der Kommunistischen Partei als Gastgeschenk überreicht bekommen hat
© Peter Kneffel / DPA
Heute Chengdu, morgen Ampfing: Markus Söder lässt keinen Instagram-Moment aus, wirkt aber seltsam tapsig. Unser Kolumnist hat einen Karrierevorschlag.

Ja, spätestens seit Ostern wissen wir: Um zu verstören, muss der Mann nicht die Landesgrenzen verlassen. Aber dazu gleich mehr.

Würde man ein Jobprofil anhand von Flugrouten erstellen, könnte man schnell auf den Gedanken kommen, bei Markus Söder handelte es sich um den deutschen Außenminister. Binnen kurzer Zeit führte ihn sein Weg von Schweden über Serbien bis ins ferne China. Verwechslungsgefahr mit der amtierenden Außenministerin besteht dennoch nicht, da Söder zum einen wahrlich nicht auf hohe Schuhe angewiesen ist und auf der anderen Seite in Ländern wie China nicht dadurch auffällt, den Machthabern mit allzu übertriebenem Interesse an Menschenrechten auf die Nerven zu gehen. Dann doch lieber zu den Pandas im Zoo von Chengdu, dem Insta-Feed Zucker geben. Wäre Instagram eine Leinwand, Söder wäre Bob Ross. Es ist alles so irre banal, man mag aber nicht wegschauen, weil es so bizarr schön ist.

Hühnerfüße isst Markus Söder nicht

Da ist also im chinesischen Gehege zum einen diese drollige, vom Aussterben bedrohte Spezies. Zum anderen waren da auch noch die Pandas, die ja auch nicht ganz unknuffig sind. Warum es Söder zuerst zu den Pandas geführt hatte – man kann da nur mutmaßen. Möglicherweise hat man sich an das präpotente Gebaren des fidelen Franken erinnert und sich erhofft, die sexuell dramatisch inaktiven Tiere durch seine Ansicht irgendwie, nun ja, zu animieren. Im Laufe seines Trips ins Reich – oder zumindest den Teilbereich – der Mitte wusste der bayerische Ministerpräsident einiges an regionalen Speisen zu präsentieren.

Da Delikatessen rechtsaußen von Entenzungen für den Mitteleuropäer aber eher im Dschungelcamp als im eigenen Körper angemessen platziert erscheinen, beließ es der fränkische Karbonmagen dieses Mal bei einem #soederisstdasnicht als begleitendem Hashtag seiner kulinarischen Kapriolen. Hühnerfüße verweigert er schlicht. Amputierte Gockel erinnern ihn vermutlich zu sehr an das eigene Schicksal. Dabei ist er dann wieder bei der Peking-Ente, und das soll an dieser Stelle kein Synonym für die Fehlannahme sein, dass die Asien-Reise etwas gebracht hätte.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Die gesamte Bildstrecke legt den Schluss nahe, dass er genauso gut in ein Chinarestaurant in Dingolfing hätte gehen können – es hätte international ähnliche Wirkung gezeitigt. (Wobei man zugeben muss, dass Baerbocks Mahnvisiten in Peking mutmaßlich genauso fruchtlos sein dürften.)

Klar, auf der Oberfläche heißt es schnell, dass der süddeutsche Industriestaat die Wirtschaftsbeziehungen stärkt und "mir hier in Bayern vorangehen, Schaunsie." Unübersehbar ist ebenfalls, dass hier einer bei seinen vielen Reisen eine Art Parallelkanzler spielt, und die Staatskanzlei lässt ihn, weil keiner sich traut ihm beizubringen, dass das 2021 nicht geklappt hat.

Manchmal, da fallen ihm die Dinge noch zu. So wie im Februar, als zur Münchner Sicherheitskonferenz die US-Vizepräsidentin Kamala Harris anreiste und er ihr in einer Mischung aus Staatsmann und Monaco Franze noch auf dem Flugfeld ein Lebkuchenherz überreichen konnte. Hier trafen sich gleich zwei, bei denen es um Haaresbreite fast zum ganz großen Amt gereicht hätte. Am Ende hoffen beide, sowohl Söder als auch Harris darauf, dass der Alte in der Pole Position doch noch stolpern möge – mindestens rhetorisch – und dann sind sie da! Söder allerdings scheint daran nicht mehr so recht zu glauben und wirkt seit einiger Zeit seltsam unernst. Und das ist für seine Verhältnisse eine bemerkenswerte Steigerung.

Am Ostersonntag dann bot sich den Söder-Tifosi via Comment bei Insta die Chance, ein Ei vom Södermaggus himself zu gewinnen. Bevor der Eindruck entsteht, der superpotente Landesvater drohte mit Testikelspende: Es handelte sich um ein handtaschengroßes Schoko-Ei. Aber eines mit dem Konterfei des selbstbewussten Franken. Bei Instagram. Für Sonderschulkoryphäen wie Katja Krasavice oder Dieter Bohlen wäre ein solches Incentive für Fans keine weiter ungewöhnliche Aktion, aber: Könnten Sie sich so etwas z.B. bei Malu Dreyer oder Reiner Haseloff vorstellen? Eben. Als ginge es darum, sich selber wieder zu spüren, ritzt der Mann ganz hart entlang des Pocher-Rubikons oder tritt eine der ihm früher so verhassten Auslandsreisen an. Im Zweifel kombiniert er einfach beides. Egal, ob Dancing Queen in Stockholm oder Panda-Petting in Peking – die geradezu irre Kaskade an Meme-Material bei Instagram beeindruckt.

Ei am Legend.

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Gelangweilt vom repetitiven Regionalfürstendasein gibt er den Joker, um sich abzulenken vom trübseligen Streifen durch die bayerische Staatskanzlei wie Rilkes Panther. Was einst noch witzig war, ist heute nur noch pflichtschuldige Feierlichkeitsverrichtung: Heute Händeschütteln bei Maurer Aicher in Freilassing, morgen anerkennendes Humpta beim 75. von Landtechnik Gruber in Ampfing und dann landesväterlich tätschelnd Hilde Voigt im Pflegeheim zum 108. Geburtstag gratulieren. Wenn dann Baerbock parallel nach Gaza fliegt und sogar ein Robert Habeck in Washington für voll genommen wird, fühlt sich Söder selbst kaum jünger als die Geehrte neben ihm.

Der lustige Fiesling, der Laschet gekillt hat

Viele offizielle Anlässe begeht er längst ohne Krawatte, erstaunlich angeplautzt und nachlässig gekleidet als hätte die Staatskanzlei den Pförtner am Ende einer Zwölf-Stunden-Schicht geschickt. Der Mann ist am Ende seiner Möglichkeiten angekommen. Klar, er ist ein gern gesehener Gast im Fernsehen. Aber als Entertainer, nicht als Politiker. So wie Jo Gerner oder JR Ewing damals. Der Schurke, den wir lieben. Der lustige Fiesling, der Laschet damals gekillt hat. Man ist gespannt, wie er sich heute wieder aus den zementierten Positionen vom Vorjahr rauswieselt. Wen haut er heute wieder hinterrücks in die Pfanne? Und sind wir ehrlich: Das Thema Gendern taugt in erster Linie als kulturkrawalliges Boulevardpotenzial. Als buntes T-Shirt von Funfreitagskomikern. So richtig ernsthafte Politik ist das nicht. Die scheint den müden Meme-Jockey eher anzuöden. 

Der kommende Kanzler Friedrich Merz sollte Söder zum Dank für die Mehrheitsbeschaffung in der Union zum Bundespräsidenten machen. Gut, Plädoyers für Selbstlosigkeit, Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit bei den Neujahrsansprachen ließen ein wenig die Glaubwürdigkeit vermissen. Aber er könnte viel rumreisen, würde reichlich Material generieren und das Beste: Er hätte keinen Einfluss mehr auf konkrete Politik.

Darauf einen Teller Hühnerfüße!

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