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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Enissa Amani oder wenn die Narzissmen blühen

Enissa Amani Micky Beisenherz
Enissa Amani: Meisterreife in der teutonischen Urdisziplin Humor
© Matthias Balk / DPA
Enissa Amani hat bei den "About You Awards" eine Laudatio gehalten. So weit, so schlimm. Weil eine Journalistin es dann wagte, süffisant darüber zu schreiben, rief die Komikerin ihre Follower zum Shitstorm auf. Ein Paradebeispiel für Kreativität blockierenden Narzissmus, findet unser Autor.
Von Micky Beisenherz

Der Deutsche ist für seinen Humor ja bekanntlich so bekannt wie Engländer für gutes Essen oder zügige Abschiede aus der EU. Insofern muss man sagen, hat die Komikerin Enissa Amani unlängst bewiesen, dass sie in dieser teutonischen Urdisziplin es wirklich zur Meisterreife gebracht hat. Was war geschehen?

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Amani, laut Wikipedia eine deutsch-iranische Komikerin, trat bei den sogenannten "About You Awards", offenbar eine Art Instagram-Oscar, als Laudatorin auf. So weit, so schlimm. Aber durchaus keine unpassende Wahl. Verfolgt man ihren Online-Account, so entsteht schnell der Eindruck, dass sie zwischen intellektuellen Zwölfendern wie Sylvie Meis oder Sami Slimani durchaus gut aufgehoben ist. Selbst wohlmeinende Betrachter zählen deutlich mehr Kostümwechsel als Pointen.

Wo war ich? Ach, ja. Die Laudatio in der Sparte "Comedy": Dort ließ sich Amani minutenlang darüber aus, dass sie es entsetzlich fände, nicht Comedian oder Stand Upperin, sondern "Komikerin" genannt zu werden. Würde dies so weiter gehen, wolle sie nach Nicaragua flüchten, um dort Papayas zu züchten. Was im Kontext einer superfoodaffinen Influencer-Leistungsschau vermutlich sogar ein erstrebenswertes Ziel ist. (Jetzt, da ich es gerade schreibe, bin ich bereits ebenso gelangweilt vom Thema wie Sie. Aber ich schreibe das jetzt eben noch zuende.)

Ja, es ist wirklich so banal. Diesen Aspekt wie auch alle anderen dieser sagenhaft dümmlichen Veranstaltung griff die "Spiegel"-Journalistin Anja Rützel wie so häufig in einer humorvollen Nachbetrachtung der TV Show auf, und damit sollte es sich gehabt haben.

Produziert, gesehen, vergessen

Derlei Shows sind wie Snaps oder Stories im Internet. Produziert, gesehen, vergessen. Nicht so dieses mal. Amani empfand über diese Fernsehkritik ausgesprochene Insta-Gram und mobilisierte ihre 500.000 Follower wenig subtil gegen die Frau, die es gewagt hatte, sich süffisant über ihre Teilnahme an der Show zu äußern.

Da, wann immer es dümmlich, unsachlich und billig wird, die AfD nicht weit ist, schaltete sich auch noch der bayerische Landtagsabgeordnete Andreas Winhard mit ein, teilte die Papaya-Passage aus Rützels Text.

Enissa Amani

Hui, da kündigt eine Migrantin an, Deutschland verlassen zu wollen! Eine für Rassisten natürlich willkommene Steilvorlage. AfD, kurz: Applaus falscher Demokraten. Et voilà, fortan wurde Rützel als "AfD-Nutte" beschimpft, aufs Übelste angegangen und selbst ihr Hund (!) war vor Beleidigungen nicht sicher.

Die, die den verantwortungslosen Umgang der Winnie Mandela von Instagram mit ihrer Followermacht kritisierten, durften ähnliche Behandlung genießen. So wurde der Sachverhalt binnen weniger Tage zu einer özilesken Verquirlung individueller Fehlleistung mit der in unserer Gesellschaft wichtigen Debatte über Fremdenfeindlichkeit und Integration. Natürlich ausgetragen im Internet.

Weltkongress der Egozentriker

Eine krude Zwangehe zwischen dem Eitelkeitsmoloch Instagram und der Empörungskloake Twitter - und dem Normalbürger vermutlich bislang nicht weiter aufgefallen. Doch wer hier das Thema Rassismus in den Vordergrund rückt, reduziert Amani unfairerweise auf den Migrationshintergrund.

Und das ist eingedenk ihrer atemberaubenden Selbstgefälligkeit zu kurz gegriffen.

Immerhin brachte sie es fertig, eine Laudatio auf drei Nachwuchs -... tja, wiesagichsdennjetzt... Possenreißer zu halten, die zu circa 85 Prozent nur aus Reflexionen über sich selbst bestand.

Eine Unart, die von vielen der großen Comedians in Deutschland Besitz ergriffen hat.

Ebenso wie von Amani. Dass sowas selbst auf dem Weltkongress der Egozentriker unangenehm auffällt, muss man auch erstmal schaffen. Mein Geld, meine Ticketverkäufe, mein Netflix-Special.

Geschüttelt von so viel schnellem Ruhm verliert der ein oder die andere schon mal komplett den Bezug zur Realität und verhängt trumpartig via Twitter drakonische Strafen über derlei blasphemische Texter. Ein Muster, das sich durch die komplette Karriere der frech gestylten Spaßmacherin zieht - hatte sie doch vor ein paar Jahren eine eigene Show bei ProSieben, auf die sich nicht wenige sehr gefreut hatten.

Europaparlament für deutsche Witzeerzähler

Doch, ach. Schnell blieb sie ihrem eigenen Anspruch, dem politischen oder intellektuellen Diskurs ein paar gewichtige Punkte beizusteuern, durch allzu viel socialmediacontaminierten Flachsinn alles schuldig. Fortan konzentrierte sie sich in den Folgesendungen fast nur noch darauf, in endlosen Eröffnungsmonologen Fernsehköchen oder sonstigen Kritikern zu erklären, warum sie ja gerade erst neu in dem Business ist oder die Neider sie ohnehin am Arsch lecken können.

Zum Ende einer jeden Selbstrechtfertigungssuada war die aktuelle Episode schon fast rum, bevor Substanzielles hätte verhandelt werden können. Dann die gesamte Staffel.

Und irgendwie auch die Fernsehkarriere.

Ob Netflix jetzt so eine Art Europaparlament für deutsche Witzeerzähler ist, das vermag ich nicht zu sagen. Dem Vernehmen nach muss man selbst in dem Special lange auf den ersten Gag warten, weil die Künstlerin sich allzu lange damit aufhält, zu erzählen wie toll es sei, dass sie hier stehen dürfe.

Wenn der Fall Amani überhaupt Beleg für einen grassierenden -Ismus ist, dann weniger für Rassismus, sondern vielmehr Narzissmus und gekränkte Eitelkeit. Ein Wesenszug, der in der deutschen Comedy noch verbreiteter scheint als im Deutsch-Rap. Was eigentlich schon fast unmöglich ist.

Enissa Amani hat ein T-Shirt mit einem lustigen Spruch

Den Verfasser einer satirischen Betrachtung des eigenen Schaffens anhand der eigenen Anhängerschaft gezielt bis ins Private hinein verfolgen zu wollen ist nicht nur sagenhaft unsouverän, sondern schäbig. Es erinnert in seiner Methodik daran, wie der Humorist Schlecky Silberstein kürzlich mittels Followerpower bis ans eigene Klingelschild verfolgt wurde - bezeichnenderweise von der AfD. Parallelen, die niemand in seiner Vita stehen haben will. Und was ist eigentlich so schlimm an dem Wort Komiker?

Unter diesem Label werden in Deutschland gemeinhin zuerst Namen genannt wie Loriot, Hape Kerkeling oder Helge Schneider. Insofern ist es vielleicht tatsächlich nicht das Richtige. Gegen das Etikett Komiker wehrt sich neuerdings nicht nur die wütende Klamaukerette, sondern auch der ukrainische Präsident Selensky.

Dabei sind dem tatsächlich schon ein paar gute politische Gags gelungen.

Aber, hey: Wir alle wollen künftig sorgsamer mit der korrekten Berufsbezeichnung umgehen und lernen. Nur, woher sollten die Leute auch wissen, dass Amani Comedienne ist - sie hatte ja nicht mal ein T-Shirt mit einem lustigen Spruch drauf an! "Ich liebe euch doch alle." 

Das ist wieder frei, glaube ich.

Enissa Amani greift AfD-Politiker an – mit ziemlich drastischen Worten

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