Die Corona-Pandemie hat Kinder aus von Armut betroffenen Familien hart getroffen. In Deutschland bedeutet das: Jedes vierte Kind. Eines dieser Kinder war lange Zeit die Musikerin Badmómzjay. "War" – Präteritum! Denn Jordy Napieray hat es geschafft, eine der erfolgreichsten Musikerinnen der Gegenwart zu werden. (Dieser Name ist übrigens kein Fehler: Badmómzjay will Jordy genannt werden, von ihrem vollen Namen Jordan abgeleitet, nicht Josy, wie es zum Beispiel in ihrem Wikipedia-Eintrag heißt.) Genau genommen, ist sie die erste Frau, die mit 18 Jahren auf Platz eins der deutschen Charts stand. Und das bereits vier Mal. Doch Alter spielte für die selbstbewusste Jordy noch nie eine Rolle.
Seit der siebten Klasse färbt sie sich ihre Haare rot und legt sich mit allen Klassenkameraden an, die ihr auf den Kopf schlagen und "Buzzer" rufen. In der zehnten Klasse bemerkt sie, dass sie die Cartoon-Figuren Kim Possible und Lara Croft attraktiv findet, googelt "Mädchen küsst Mädchen" und postet auf Facebook: "Hey Leute, ich stehe übrigens auf Frauen." Als sie eines Nachts nicht schlafen kann, tippt sie auf der Couch eines Kumpels ihren ersten Rap-Text in die Notizen ihres Smartphones. Ein Label-Deal bei Universal folgt. Drei Jahre und viele Studie-Sessions später landet ihr Song "Ohne dich" auf Platz eins. Obwohl ihr Debütalbum "badmómz" erst jetzt erscheint, ist die 19-Jährige schon seit einigen Jahren für tausende Teenagerinnen in Deutschland sowas wie die junge Steffi Graf für deren Eltern: ein Vorbild.
Badmómzjay: "Ich war ein Kind ohne Kindheit!"
Im Interview mit dem stern erzählt die heute 19 Jahre alte Jordy, was es bedeutet, als Kind in Armut aufzuwachsen und schildert den ersten Moment, in dem ihr die schwierige Situation ihrer Familie bewusst wurde: "Dass meine Familie arm ist, merkte ich, als ich in die erste Klasse kam. Ich saß plötzlich zwischen irgendwelchen Lisas, die in großen Häusern lebten und von ihren Eltern Pferde geschenkt bekamen, während bei uns zu Hause mal wieder der Strom abgestellt wurde. Für diese Lisas war ich nur ein Assi".
Ihre Kindheit, so sagt die Rapperin heute, habe sie abgehärtet. Denn sie musste kämpfen, um zu überleben. Wie ehrlich und selbstbewusst die 19-Jährige auftritt, denkt und spricht, wird auch im Gespräch mit dem stern deutlich: "Manchmal erzählen mir Menschen, auf welchen Spielplätzen sie als Kind gespielt haben, welche Bücher sie vorgelesen bekommen haben, welche Kinderserien sie gucken durften. Das kenne ich alles nicht. Ich war ein Kind ohne Kindheit. Ich wurde geboren und musste erwachsen sein. Kein Kind sollte wissen, wie es aussieht, wenn Eltern sich anschreien, wenn Gläser durch die Wohnung fliegen, wenn Menschen geschlagen werden und wenn Freunde sterben."
Es hätte viele Abende gegeben, an denen der Strom abgestellt wurde, oder ihre Mutter ihr nichts anderes geben konnte, als eine Scheibe Brot. Während andere Kinder rumnörgeln, wenn ihnen etwas nicht schmeckte, aß Jordy einfach, was auf den Teller kam. Denn sie wusste, das alles drohte zusammenzubrechen, wenn sie ihrer hochüberlasteten Mutter noch mehr Probleme mache. Heute, viele Jahre später, erzählt sie im Gespräch mit dem stern von dem seltsamen Gefühl, mit ihrer Mutter und Labelchefin in teuren Restaurants zu sitzen. Doch mit dem Erfolg der vergangenen Jahre, kam auch die Angst: "Als Kind habe ich meine Armut akzeptiert. Ich habe nie daran gedacht, dass sich an der Situation meiner Familie irgendwann etwas ändert. Heute habe ich Angst, wieder in die Armut abzurutschen. Und ich habe Angst, dass die Menschen mich und meine Musik wieder vergessen. Diese Angst werde ich nie ablegen.Wenn du einmal weißt, wie es auf der anderen Seite aussieht, dann vergisst du das nicht."
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