Die Botschaft kam aus dem Internet, und sie erschütterte Nirvana-Fans wie ein Erdbeben: Kurt Cobain im Duett mit Destiny's Child zum Herunterladen. Der Rock-Rebell im Karohemd mit den Hit-Mäusen im Push-up-BH.
Das Stück »Smells Like Booty« - ein wüster Mix aus dem Nirvana-Klassiker »Smells Like Teen Spirit« und dem Destiny's-Child-Hit »Bootylicious« - ist kein Einzelfall, sondern der neueste Trend im Popgeschäft. Zu Hause am PC basteln sich Musikfans ihre eigenen Songs, indem sie schon bekannte Hits einfach übereinander mischen. Unzählige so genannte »Mash-up-Remixe«, auch »Bastard Pop« genannt, kursieren zurzeit im Internet - und werden jeden Tag hundertfach gratis heruntergeladen: Whitney Houston trällert mit Kraftwerk, Eminem rappt mit Britney Spears, und Christina Aguilera rockt mit The Strokes. Je extremer die Paarung, desto spannender das Ergebnis. Manche der Stücke klingen besser als ihre Vorbilder.
Erfunden hat das »Mash-Up-Remix«der DJ Richard X aus London. »Ich war es einfach leid, dass beim Plattenauflegen die Musikstile immer noch so getrennt behandelt werden«, erklärt der 28-Jährige. So entstand am Heimcomputer mit Hilfe einer Musiksoftware das Duett »Whitney Houston vs Kraftwerk«. Der Mix aus Diven-Gesang und kühlen Elektrorhythmen wurde ein Hit in der Underground-Szene.
Inzwischen hat auch die von Raubkopierern geplagte Musikindustrie den Trend der zusammengeschusterten Hits erkannt. So überraschte Kylie Minogue bei ihrem Liveauftritt bei den Brit Awards mit einer Mixvariante ihres Hits »Can't Get You Out Of My Head« und »Blue Monday« von den Elektropoppern New Order. Das DJ-Duo Soulwax veröffentlicht gerade die gewaltige Sound-Collage »2 Many DJs«. Ein Album, das aus 187 verschiedenen, ineinander gemixten Stücken aus Pop, Rock, Punk und Rap besteht.
Doch wie das so ist, wenn der Mainstream einen Trend aus der Subkultur aufsaugt und zum kommerziellen Produkt degradiert, für seine Erfinder geht der Reiz verloren. Zwar unterschrieb Richard X gerade einen Produzentenvertrag mit der Plattenfirma Virgin und landete gleich mit seinen ersten Klientinnen, der Girlgroup Sugababes, einen Top-Ten-Hit in England - doch die Aussicht, jetzt ganz legal Song-Kombinationen anzufertigen, reizt ihn nur noch wenig. »Die Faszination von «Mash-up-Remixen» liegt vor allem in der Illegalität«, sagt Richard X, »wenn dieser Aspekt wegfällt, dann wird das Produzieren genauso langweilig wie bei Puff Daddy.«
Hannes Ross
Mitarbeit: Heiko Hoffmann