Der Sommer ist in Sicht, und es wird wieder laut in der Eifel, so laut wie jedes Jahr, wenn das Festival "Rock am Ring" über gleich drei Bühnen geht. Vom 5. bis zum 7. Juni kommen 90.000 Menschen zusammen, um 100 Bands zu erleben, darunter die Top-Acts Prodigy, Foo Fighters und Die Toten Hosen. Fast wäre es dieses Mal noch deutlich lauter geworden: Nur etwas mehr als 30 Kilometer entfernt sollte am selben Wochenende ein weiteres Großereignis stattfinden mit dem sperrigen Namen "Der Ring - Grüne Hölle Rock".
Der Festival-Kalender ist in diesem Jahr so umfangreich wie nie zuvor, der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft schätzt, dass ihn - je nach Zählweise - 600 bis 700 Veranstaltungen füllen, die meisten aus der Sparte Rock und Pop. Neben Premieren wie dem Lollapalooza in Berlin, Ableger eines erfolgreichen US-Festivals, bitten in dieser Saison auch die Rocker von AC/DC so oft ins Freie wie nie zuvor in Deutschland: Für ihre neun Stadionkonzerte sind mehr als 700.000 Tickets verkauft.
In der Eifel ist das Ringen um die Zuschauer das Duell zweier Großveranstalter: auf der einen Seite die Marek Lieberberg Konzertagentur aus Frankfurt, erfahren im Geschäft mit mehrtägigen Großveranstaltungen, auf der anderen die DEAG, die Deutsche Entertainment AG mit Sitz in Berlin, die bislang große Namen wie Peter Maffay und David Garrett unter freiem Himmel auf die Bühne schickte, an Festivals sich aber noch nicht versucht hatte.
Konkurrenz auch im Süden
Ihre Chance sah die DEAG gekommen, als Marek Lieberberg im vergangenen Jahr ankündigte, nach 30 Jahren "Rock am Ring" nicht mehr auf seinem angestammten Platz, dem Nürburgring, auszurichten. Weil die Capricorn Group, der neue Betreiber der Rennstrecke, eine höhere Beteiligung am Gewinn aus dem Musikgeschäft forderte, wich Lieberberg auf den Flugplatz der Stadt Mendig aus. Dem Geschäft schadete der Umzug nicht: Seit Monaten ist "Rock am Ring" ausverkauft.
Lieberberg darf sich als Sieger fühlen im Kampf um das Publikum rund um den Nürburgring. Die DEAG verlegte zunächst den Termin ihrer "Grünen Hölle", dann zog das Festival um nach Gelsenkirchen, wo es jetzt vom 29. bis zum 31. Mai in der Veltins-Arena und auf zwei Nebenbühnen stattfindet. Und auch im Süden buhlen beide Kontrahenten um Kunden: Zusätzlich zu Lieberbergs "Rock im Park" in Nürnberg (5. bis 7. Juni), einem vor mehr als 20 Jahren eingeführten Festival, veranstaltet die DEAG in München vom 29. bis 31. Mai das "Rockavaria".
Marek Lieberberg mag zum Konflikt nichts mehr sagen, nur kurz klagen möchte der 69-jährige Veranstaltungs-Routinier: Ein Jahr seines Lebens habe er geopfert, um ein geeignetes Gelände zu finden und das Festival dort neu zu planen. Nachdem auch "Rock im Park" ausverkauft ist, zieht er Bilanz: "Der Versuch, zwei Festivalmarken anzugreifen, ist kläglich gescheitert."
Optimismus ist Programm
Im Berliner Bezirk Tiergarten sitzt Peter Schwenkow, Geschäftsführer der DEAG, in seinem Büro im sechsten Stock eines Altbaus und blickt entspannt auf sein Programm. "Rockavaria läuft fantastisch", sagt der 61-Jährige. Von angeblichen Millionen-Verlusten, über die die Branche spekuliert, will er nichts wissen; für die Außendarstellung ist Optimismus Programm. Nach der Verlegung hätte auch der Vorverkauf für "Rock im Revier" gewaltig angezogen. Ein mögliches Zuviel an Festivals? "Ach, das ist ganz normaler Wettbewerb."
Der Konkurrenz macht die Inflation der Großereignisse dennoch Sorgen, denn die gestiegene Nachfrage nach Bands treibt die Gagen in die Höhe. "Gegenüber 1997 ist ein Headliner um das 20-fache teurer geworden", sagt Folkert Koopmanns, der mit seiner Hamburger Agentur Scorpio unter anderem die Festivals Hurricane und Southside ausrichtet. Eine Band wie die Brit-Rocker Muse, neben Kiss und Metallica Headliner auf den Bühnen der DEAG, hätte auch Koopmanns gern verpflichtet. "Aber beim Pokern mussten wir passen, sonst wären unsere Tickets zu teuer geworden."
Koopmanns verlangt 150 Euro für drei Tage Musik und Camping, 200 Euro, so glaubt er, sind vielleicht irgendwann mal die Schmerzgrenze. "Die Festival-Besucher sind jung, im Schnitt 18 bis 24 Jahre alt, da ist das Taschengeld knapp." In die Zukunft blickt Koopmanns deutlich skeptischer als ein Peter Schwenkow von der DEAG. Noch strömten zu Festivals die geburtenstarken Jahrgänge, aber alle vier, fünf Jahre tausche sich das Publikum fast komplett aus. Koopmanns glaubt: "Es kann nicht immer nur aufwärts gehen."