Bilanz Taylor Swift in Europa: "Ein kollektiver Mittelfinger gegen Hass"

Umgeben von Konfetti: Taylor Swift bei einem Konzert in Amsterdam
"Es haben sich auf der Tour auch Trends entwickelt": Taylor Swift im Juli auf der Bühne in Amsterdam. Damals fingen die Fans an, beim Song "Willow" gelbe Ballons hochzuhalten
Zum letzten Konzert von Taylor Swift in Europa: Ein Gespräch mit der Swift-Expertin Anne Sauer – über die bedeutenden Momente der Tournee und Swifts Umgang mit den Wien-Absagen.

Sie wurde wie Taylor Swift 1989 geboren: Anne Sauer ist Autorin, Podcasterin und Moderatorin in Hamburg. Sie studierte Buchwissenschaft und Philosophie. Diesen Sommer erschien ihr Buch "Look What She Made Us Do" über Taylor Swift. Sauer erklärt darin den Hype um die Sängerin anhand ihrer eigenen Biografie. Sie ist bekennender Swiftie.

Frau Sauer, heute Abend geht in Wembley der europäische Teil von Taylor Swifts "Eras Tour" zu Ende. Aus deutscher Sicht: Was waren die bedeutenden Momente? 
Natürlich die Auftritte in Gelsenkirchen und in Hamburg, wo sie jeweils zum ersten Mal gespielt hat. Gerade was Gelsenkirchen angeht: Das hat noch mal bewiesen, welchen Impact diese Fanbase haben kann. Also wenn sich die Fans dort aufhalten, die sich mit viel Liebe auf das Konzert vorbereitet haben.

Alles glitzert plötzlich und funkelt, so viele Paillettenkleider und Cowboyhüte.
Die Fans zeigen sich so, wie sie sich wohlfühlen. Die Stadt ist auf einmal viel bunter als sonst. Das war schön zu beobachten.

In Hamburg kam der böse Regen, da wurde Swift erstmal nass… 
Der ist ja gar nicht so böse im Swift-Universum. Sie liebt Regenshows! Ich bin sehr froh, dass ich dabei war.

Wie viele von ihren Konzerten haben Sie gesehen? 
Zwei. Ich war einmal in Gelsenkirchen, einmal in Hamburg, und ich wäre auch eigentlich in Wien aufs Konzert gegangen.

Die Autorin Anne Sauer im grünen Jackett
"Ich wäre eigentlich auch in Wien aufs Konzert gegangen": Anne Sauer ist seit 2017 Fan von Taylor Swift – damals kam das Album "Reputation" heraus
© Mareike Harder

In Wien mussten ihre drei Konzerte wegen eines möglichen Anschlags abgesagt werden. Swift hat sich bis heute nicht dazu geäußert. Warum schweigt sie?
Darüber wird viel spekuliert. Ich nehme an, dass gerade in einer Krisenkommunikation viele Faktoren wichtig sind. Wenn Taylor Swift etwas bei Instagram postet oder sich irgendwo äußert, wird das natürlich in die ganze Welt rausgeschickt, und alle gucken darauf. Ich kann mir vorstellen, dass sie gerne etwas dazu gesagt hätte, aber dass sie sich in ihrem Team darauf geeinigt haben, möglichst keine Aufmerksamkeit auf diese Sache zu lenken. Es ist durchgedrungen, dass sie dabei war, als die Entscheidung gefällt wurde.

Man sieht deutlich, dass sie Tränen in den Augen hat

Tatsächlich?
Das ist, was ich gehört habe. Aber, und das ist für die Fans entscheidend: Es gibt Fotos von ihr, wie sie jetzt beim ersten London-Konzert rausgekommen ist. Wir haben alle darauf gewartet: Wie ist ihre Stimmung? Und da sieht man deutlich, dass sie Tränen in den Augen hat. Ich glaube schon, dass sie das auf ganz vielen Ebenen sehr mitgenommen hat.

Dennoch nehmen ihre Fans ihr übel, dass sie nichts direkt dazu gesagt hat. Die schreiben etwa bei Instagram, sie fühlten sich nicht gesehen, nicht zurückgeliebt. 
Ich glaube, es ist vermessen zu sagen, sie fühle nicht mit den Wienern mit. Aber ich bin auch irritiert, sage ich ganz ehrlich. Ich dachte, sie macht nicht einfach weiter, ohne etwas dazu zu posten. Aber wenn man sich aus einer anderen Richtung mit dem Thema beschäftigt, hängt da halt auch ein riesiges Gefahrennetzwerk dran. Das ist schon eine ernste Situation, und ich glaube, wir wissen da zu wenig, als dass wir uns eine finale Meinung erlauben können. Deshalb warte ich ab und schaue, was passiert. Und letztlich ist auch die Frage: Wer kommentiert da? Sind das die Fans, die in Wien auf der Straße standen und sich die Seele aus dem Leib gesungen haben? Oder sind das die, die von außen gucken und nun etwas erwarten?

Waren Sie in Wien mit auf der Straße?
Ja, ich war vor Ort. Ich hatte am Abend vorher eine Lesung aus meinem Buch. Mit ganz vielen Swifties. An dem Abend kam dann die Nachricht, dass die Konzerte abgesagt sind. Am nächsten Tag war ich in einem Paralleluniversum.

Wie sah das aus? 
Es war wie Liebeskummer. Ich habe all die Swifties gesehen, die wirklich überall waren. Die sind kostenlos ins Museum gegangen oder haben sich andere Geschenke abgeholt, die die Stadt als kleines Trostpflaster zur Verfügung gestellt hat. Und dann war da die Corneliusgasse, eine Anspielung auf "Cornelia Street".

Das Buch "Look What She Made Us Do" von Anne Sauer über Taylor Swift ist im Rowohlt Verlag erschienen
Das Buch "Look What She Made Us Do" von Anne Sauer über Taylor Swift ist im Rowohlt Verlag erschienen

Ein Song von Taylor Swift.
Und da wurde sich aufgehalten und gefeiert und gesungen und geweint und Freundschaftsbänder getauscht. Ich hätte nicht gedacht, dass mich das so bewegt. Weil dann erst so nach und nach durchsickerte, warum die Konzerte abgesagt worden waren, was das eigentlich bedeutet. Diese Tour ist ja eigentlich, das habe ich auch in meinem Buch geschrieben, ein kollektiver Mittelfinger gegen Hass. Da ist dieser Safe Space, und dass es Menschen gibt, die den gefährden, das hat uns sehr wütend gemacht. Aber gleichzeitig dieser Zusammenhalt, den wir da gesehen haben, das war sehr berührend.

In der englischen Presse war jetzt zu lesen, Swift suche "verzweifelt" nach einer Wiedergutmachung für die Wien-Konzerte. Wird sie die noch nachholen?
Ich fürchte, dieses Jahr nicht. Die Ticket-Erstattungen sind auf dem Weg, wir haben gestern die Nachricht bekommen; das heißt, der letzte Funke Hoffnung ist gerade ausgelöscht worden. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass Wien in Zukunft eine Rolle bei ihr spielen wird. 

Fans von Taylor Swift vor dem Wembley Stadion
"Die Stadt ist auf einmal viel bunter": Fans von Taylor Swift vor dem Londoner Wembley Stadion, in dem die Sängerin während ihrer Eras-Tour insgesamt achtmal gastiert

Sie haben sicher die ganze Europa-Tour verfolgt. Wo fühlte Swift sich am wohlsten? Vielleicht bei den ersten Konzerten im Juni in Wembley, vor 90.000 Menschen, als Prinz William mit seinen Kindern kam und auch Sir Paul McCartney, der mit den Fans tanzte? 
Ich glaube, dass jede Künstlerin, jeder Künstler Orte hat, die ihr oder ihm vielleicht durch die Vergangenheit bedingt ein bisschen mehr bedeuten als andere. Aber sie war zum ersten Mal in Hamburg, zum ersten Mal in Gelsenkirchen, und hat uns trotzdem genauso viel Respekt und Freude gezeigt wie sonst wo auch. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie irgendwo weniger gibt oder weniger darauf achtet, was die Fans machen. Es haben sich auf der Tour ja auch Trends entwickelt, zum Beispiel in Amsterdam: Da wurde ein Fanprojekt aufgegriffen von ganz vielen Fans. Da ging es um Luftballons…

… diese gelben, die bei "Willow" hochgehalten und beleuchtet wurden?
Ja, und die wurden von da an mit jedem Konzert immer mehr. Das hat sie wahrgenommen und bei Instagram angesprochen. Aber London mag schon besonders für sie sein, sie war im Juni schon dort und tritt jetzt noch fünfmal dort auf. Das ist ihr längster Aufenthalt. Und ein pulsierender Ort, wo sie coole Stars mit dazuholen kann, die vielleicht nicht einfach mal nach Gelsenkirchen fliegen.

Mir würde alles aus dem Gesicht fallen, wenn Harry Styles käme

In Wembley trat sie jetzt mit Ed Sheeran auf. Swifties spekulieren, dass heute Abend ihr Ex-Boyfriend Harry Styles zum Duett erscheint, weil er kürzlich mit ihren Freundinnen von den Haim Sisters in London gesehen wurde. 
Swifties spekulieren viel, wenn der Tag lang ist. Harry Styles halte ich für unwahrscheinlich. Mir würde jedenfalls alles aus dem Gesicht fallen, wenn es so käme. Aber ich glaube es nicht. Dafür ist diese Verbindung zwischen den beiden zu vorbelastet. Und sie weiß ja auch, dass alles, was sie tut, die Bildpolitik komplett beeinflusst. Die Medien wären die nächsten Tage voll mit Bildern von ihr und Harry Styles, und ich weiß nicht, ob es das ist, was sie erreichen möchte. 

Da wäre ihr Footballer-Boyfriend vielleicht auch böse. 
Das überschattet einfach zu viel von dem, was sie leistet. Aber ich glaube schon, dass uns noch der eine oder andere Überraschungsgast erwartet oder vielleicht sogar eine Ankündigung. Einige Theorien weisen auf die Ankündigung von "Reputation Taylor's Version hin". Also, wir sind gespannt!

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