Das ist also der neue Joko: Kein Herzkasper auf einem Heißluftballon. Kein zugenähter Mund. Kein Pilot verlässt in fünftausend Metern Höhe per Fallschirm die Propellermaschine und lässt ihn in ungläubiger Panik allein zurück. Er wird nicht als Hello Kitty lebendig begraben oder isst büschelweise Brennnesseln. Keine Streiche und Sadomasochismen mehr. Selbst die meckernde Lache hat Joko Winterscheidt in der Garderobe gelassen bei der Premiere seiner ersten eigenen Show. Das ist gut, weil neu, und gewöhnungsbedürftig, weil anders.
Wir werden Zeugen einer Normalwerdung: Joko ist bei "Beginner gegen Gewinner" (ProSieben) nicht mehr der Akteur, der sich in immer bescheuertere Abenteuer stürzt – sondern einfach der Moderator, der durch die Sendung führt, nicht mehr und nicht weniger. Nur ein Mal setzte er sich am Samstagabend selbst hinters Steuer und lieferte sich mit dem Formel-1-Piloten Nico Hülkenberg ein Rennen unter ungleichen Bedingungen: Er in einem echten PS-Flitzer, Hülkenberg in einem schrottigen Bulli mit allerhand Tüddelkram auf dem Dach. Da schienen die Kindsköpfigkeit und das präpotente Pennälertum noch einmal auf, die Winterscheidt berühmt gemacht haben. Ansonsten heißt das Berufskonzept jetzt: Disziplin statt Adrenalin. Man kann sich auch nicht sein Leben lang vor laufender Kamera mit Wodka besaufen.
"Beginner gegen Gewinner": Frech, aber nicht freakig
"Beginner gegen Gewinner" hat das Potenzial zur großen Familienshow, keine Frage. Es ist ein gut gemixter Cocktail aus unterschiedlichen Formaten. Ein bisschen "Schlag den Star", ein bisschen "Wetten, dass..?", ein bisschen "Wok-WM" und "TV total Turmspringen". Frech, aber nicht zu freakig. Das Prinzip David gegen Goliath funktioniert sowieso immer. Wir lieben es, wenn Profis ihre profihafte Maske fallen lassen, so richtig ins Rödeln kommen und am Ende vielleicht sogar gegen den Underdog den Kürzeren ziehen. Scheitern ist super, wenn es die Richtigen trifft.
Das sind in der neuen ProSieben-Show Sportstars, die in ihrer Paradedisziplin gegen Amateure antreten und dabei ein Handicap aufgebrummt bekommen. Tischtennis-Champion Timo Boll tauschte den Schläger gegen eine Bratpfanne, Arne Friedrich bolzte den Ball von einem ein Meter hohen Ständer Richtung Tor, während sich die Eisschnellläuferin Anna Seidel während des Rennens mit einem Sessel abquälte und der Weitspringer Alyn Camara im Dinokostüm abhob.
Sie alle verloren ihre Duelle, nur zwei Meister setzten sich durch: Die 400-Meter-Läuferin Ruth Spelmeyer zog im barocken Kostüm kurz vor der Ziellinie noch an ihrer Konkurrentin vorbei, und der Sportholzfäller Dirk Braun säbelte auch auf einem rollenden Bürostuhl seine Einmann-Zugsäge gnadenlos schnell durch einen Stamm.
Zwei Frauen in einem Meer aus Männern
Das hatte Witz und Tempo und war noch in einem erträglichen Maß erniedrigend. Das große Schnarchen setzte vor und nach den Matches ein. Eine Art Paten-Trio – Elyas M'Barek, Matthias Opdenhövel und Nico Rosberg – kaute bei jedem Kandidaten die Sachlage in einer Ausführlichkeit und Ernsthaftigkeit durch, als gäbe es noch eine zusätzliche Competition: das exponentielle Auftürmen und Verballern von Sendezeit zwischen den Werbeblöcken. Eine Show muss schon sehr gute Argumente haben für fast vier Stunden Dauer. "Beginner gegen Gewinner" hatte Argumente für höchstens drei.
So viel Gigantomanie braucht einen Haufen Geschmacksverstärker. Jedes Duell wurde zum Drama hochgeraunt, das Publikum sprang permanent von den Sitzen auf (oder wurde dazu animiert), ein einziges Johlen und Jubeln, als fänden hier echte sportliche Meisterschaften statt und nicht nur Gaga-Wettkämpfe (um einen allerdings ordentlichen Batzen Geld).
Das Fernsehen behauptet sich in der Konkurrenz zum Internet nicht dadurch, dass es möglichst großsprecherisch und breitbeinig daherkommt. Mehr Verspieltheit und Entspanntheit würde "Beginner gegen Gewinner" gut tun – vor allem aber: mehr Weiblichkeit. "Falls Sie noch einen Videorekorder haben, drücken Sie jetzt auf Record", sagte Joko Winterscheidt zu Beginn der Show. Haben wir gemacht und am Ende genau zwei Frauen in einem Meer aus Männern gezählt. Da ist noch Luft nach oben.
