Sie ist zurzeit Deutschlands Wunderwaffe gegen sinkende Quoten, Auflagen, Musik-Verkäufe. Wo Lena draufsteht, ist Aufmerksamkeit sicher. Deutschland ist vereint in seltsamer Verzückung um die 18-jährige Abiturientin Lena Meyer-Landrut, die Deutschland beim Eurovision Song Contest in Oslo vertritt und zurzeit alle Download-Rekorde bricht. Deutschland einig Lenaland.
Sie ist ein Medienphänomen. Klar, dass jetzt jeder etwas von dem Lena-Hype abhaben will. Und wer könnte davon mehr gebrauchen als Thomas Gottschalk: Nachdem bei der Februar-Ausgabe von "Wetten, dass..?" mit 7,8 Millionen Zuschauern so wenige wie noch nie zugesehen haben, wird natürlich auch Gottschalk zum Lenastheniker und zeigt eine Schwäche für die 18-jährige Hannoveranerin. So ist die kleine Lena nicht nur die große Hoffnung für Deutschland in Oslo sondern auch für den schwächelnden Entertainer. Eine ganz schön große Last für diese zarten Schultern.
Die Rechnung ging nur bedingt auf. Gottschalk kam mit seiner Samstagabendshow auf durchschnittlich 9,61 Millionen Zuschauer. Das sind zwar deutlich mehr als bei der letzten Sendung, aber die Zehn-Millionen-Marke verfehlte er.
Grandioses Line-up
Zu Beginn der 188. "Wetten, dass..?"-Ausgabe aus Salzburg betont Gottschalk, der als "Mozart des ZDF" angekündigt wird, zunächst die kulturelle Herausforderung, in dieser Stadt aufzutreten. Im Opernhaus läuft parallel zur Show Wagners "Götterdämmerung" - von der RTL-Konkurrenz mit Dieter Bohlens Superstar-Suche (5,9 Millionen Zuschauer) ganz abgesehen. Mithalten will man beim ZDF mit einer Gottschalk-Dämmerung. Einer Musik-Show auf höchstem Niveau. Mit Shakira, Sopranistin Anna Netrebko, der Rockband Gossip, Musical-Komponist Andrew Lloyd Webber, dem Volksmusiker Hansi Hinterseer, den Scorpions und eben Lena.
Das Line-up ist ohne Frage grandios. Nur: Der Funke will trotzdem nicht überspringen. Woran liegt es? Gastgeber Gottschalk und Michelle Hunziker stehen sich viel zu oft gegenseitig im Weg. Der Chef-Moderator lässt seine Assistentin nicht ausreden. Sie fällt ihm ins Wort. Es dauert, bis man sich eingegroovt hat. Und trotzdem: Eine Sendung ohne die chaotische Hunziker mag man sich gar nicht mehr vorstellen.
Metzger Raab verliert Wurstwette
Nach dem Auftritt von Pop-Sängerin Shakira und etwas Geplänkel mit Slalom-Weltcupsiegerin Maria Riesch und Entertainer Hansi Hinterseer steigt die Hoffnung auf etwas mehr Unterhaltung mit dem nächsten Gast: Stefan Raab. Doch der ProSieben-Mann und Lena-Entdecker passt sich mit seinen Kalauern nur dem "Wetten, dass..?"-Niveau an: "Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass ein Mann mit so einer Frisur Deutschlands größter Entertainer wird?". Gottschalk frotzelt zurück und präsentiert dem gelernten Metzger die nächste Wette. Eine Wurstwette. Ein Kandidat will 22 Wurstsorten am Wurstwasser erkennen. Raab wettet dagegen und muss später "Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei" auf dem Akkordeon spielen. Raab kann es nicht fassen: "Da muss ein Redakteur erstmal drauf kommen: Der Metzger kriegt die Wurstwette und soll ein Wurstlied singen", witzelt er.
Das ist öffentlich-rechtlicher Humor. Willkommen im ZDF. Aber was lässt ein Stefan Raab nicht über sich ergehen, um seinen Zögling einem möglichst großen Publikum zu präsentieren und die Werbetrommel zu rühren. Und dann kommt sie: Die große Hoffnung des Grand Prix, des Thomas Gottschalk und gefühlt des ganzen Universums: Lena Meyer-Landrut, die jetzt nur noch Lena heißt. Im kleinen Schwarzen kiekst sie ihren Oslo-Hit "Satellite" auf der großen "Wetten, dass..?"-Bühne. Das ist putzig. Verglichen mit dem "DSDS"-Ballermann-Programm, das parallel auf RTL läuft, ein Lichtblick am Samstagabend.
Lena-Zauber verpufft
Im Gegensatz zum späteren Auftritt von Beth Ditto der Rockband Gossip ist Lena jedoch ganz schön blass. Auch auf dem Sofa stiehlt Wuchtbrumme Ditto der Abiturientin die Show. Zwischen TV-Ziehvater Raab und Gottschalk ist die Hannoveranerin gar nicht mehr so frech und spontan, wie man es von "unserem Star für Oslo" gewohnt war. Plötzlich ist ihre brave Art eher beklemmend, ihr Auftritt ermüdend statt extravagant. Die Leiden der jungen Lena: Der ganze Hype scheint doch etwas zu groß für das kleine, nette Mädchen zu sein, das doch eigentlich nur singen will. Als Gottschalk seinen nächsten Gast, den Opernstar Anna Netrebko ankündigt, scherzt Lena: "Find' ich zum Kotzen". Und plötzlich ist da auch gar nichts mehr putzig.
So wendet sich Gottschalk dann auch relativ schnell seinen anderen Gästen zu. Schauspielerin Emma Thompson, Beth Ditto, Andrew Lloyd Webber. Netrebko ist schon gegangen. Man kann es ihr nicht verübeln. Nicht nur der Lena-Zauber verpufft zwischen Wurstwette und Eierhüpfen, auch der Rest der Salzburg-Ausgabe von "Wetten, dass..?" enttäuscht zu größten Teilen. Und nach drei Stunden ist man dann doch einfach nur froh, dass nicht nur die Wurst zwei Enden hat, sondern auch diese Show eins findet.