Gegen halb vier beginnt Jan Fedders letzte Runde über den Kiez. Eine letzte Streifenfahrt für ihn, der fast 30 Jahre als Polizist Dirk Matthies im "Großstadtrevier" hinterm Lenkrad von Peterwagen 14/2 für Recht und Ordnung auf St. Pauli sorgte.
Dieser Dienstag wäre sein 65. Geburtstag gewesen, Zeit für die Pension. Doch es kam anders. An diesem Tag, eineinhalb Stunden vor seiner letzten Fahrt, nehmen Hunderte Kollegen, Weggefährten, Freunde und Familienmitglieder in der Hamburger St. Michaeliskirche Platz, um sich von Jan Fedder zu verabschieden. Hier wurde Fedder getauft, hier wurde er konfirmiert, hier sang er im Chor, hier heiratete er im Jahr 2000 seine Marion. Und hier findet nun die Trauerfeier für ihn statt — so hatte er es sich vor seinem Tod gewünscht.
Promi-Auflauf bei Jan Fedders Trauerfeier
Ein roter Teppich führt ins Innere des Michels, wie der barocke Backsteinbau in Hamburg nur genannt wird. Davor drängen sich die Menschen, wollen Blicke erhaschen auf all die Prominenten, die sich angesagt haben. Reinhold Beckmann, Tim Mälzer, H.P. Baxxter, Olivia Jones, Uschi Glas, Mike Krüger und so weiter und so fort. Dazu Leute aus dem Milieu, wie man so sagt. Außerdem Vertreter des Hamburger Senats, der Bürgermeister, der Polizeipräsident. Auf Jan Fedder können sich alle einigen.

Treppenstufen, die in das Haus gegenüber vom Michel hineinführen, werden zu Tribünenplätzen, Balkone und Fenster zu Logen. Die Menschen beobachten das Treiben vor der Kirche, das mit seinem Blitzlichtgewitter, den vielen Mikrofonen und Kameras und den Übertragungswagen der Fernsehsender teilweise eher an eine Filmpremiere als an eine Trauerfeier erinnert. Polizisten müssen die Schaulustigen immer wieder an den Rand bitten, damit die schweren Limousinen die Trauergäste vor den Eingang bringen können. Eine Stunde vor Beginn der Trauerfeier sind es einige Hundert Menschen, die drinnen keinen Platz bekommen haben und draußen stehen müssen — und es werden immer mehr.
Für sie ist neben dem Kirchenschiff eine Leinwand aufgebaut, man kennt es vom Fußball. Hier kommen die Hamburger zusammen, die sich von "ihrem Jan" verabschieden wollen. Sie tragen Anzug oder noch die Kleidung vom Bau. Es sind die da, die man auf dem Kiez "Originale" nennt und es steigen Touristen aus dem Stadtrundfahrt-Bus und bleiben da. Der eine mit der Knolle Astra in der Hand, die andere mit dem Coffee-to-go-Becher. Sie haben ihre Liebsten mitgebracht, ganz gleich ob sie noch nicht oder nicht mehr selbst gehen können. Jan Fedder bezeichnete sich selbst einmal als den letzten Volksschauspieler. Ganz unrecht hat er sicher nicht.
Auch Michael Lemke ist gekommen, er wohnt ganz in der Nähe und will seinem Lieblingsschauspieler auf dessen letzter Reise ganz nah sein. "Er war immer geradeaus, ein ganz hervorragender Mensch", sagt der "Großstadtrevier"-Fan. Sowieso, die Fedder-Schnauze, das Direkte, das Menschliche — wen man auch fragt, das fällt allen ein, das schätzten die Fedder-Fans an ihm. Rosi aus Rahlstedt genauso wie Dennis aus St. Pauli, vielleicht 30 Jahre alt. "Jan war auch für alle da, die es nicht so einfach haben", sagt er und meint damit wohl auch sich selbst. Auf St. Pauli, in Fedders Kiez, gibt es viele, die es nicht immer einfach haben.
"Mein geliebter Jan, schlaf gut"
"Die Fans haben das Gefühl, einen Freund, zumindest aber einen guten Bekannten verloren zu haben", spricht Michel-Hauptpastor Alexander Röder von der Leinwand. "Und deswegen wollen so viele Menschen hier den letzten Auftritt des Schauspielers erleben." Es ist still auf dem Platz neben der Kirche. Bittet der Pastor zum Gebet, werden auch dort die Hände gefaltet, die Blicke gehen nach unten.
In der Kirche erfüllt Sängerin Jessy Martens einen weiteren Wunsch von Jan Fedder. "Knockin' On Heaven's Door" kommt auch aus den Boxen neben der Leinwand draußen. Eine Frau lässt einen roten Luftballon in Herzform in den grauen Himmel steigen. Die Ersten auf dem Platz neben dem Michel müssen sich mit Taschentüchern Wangen und Augen trocknen.
Es reden der ARD-Programmdirektor Volker Herres, der frühere NDR-Intendant Lutz Marmor und Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Sie alle sagen, was auch Michael und Rosi und Dennis sagen. Jan Fedder, der war ein guter Typ, einer mit Ecken und Kanten. Am Ende geht Marion Fedder ans Pult. 23 Jahre waren die beiden ein Paar. Zum Schluss ihrer Rede bricht ihre Stimme: "Mein geliebter Jan, schlaf gut." Auf dem Platz vor der Kirche müssen Menschen weinen. Der Rest ist Applaus, eine Verneigung vor Jan Fedder.
Sechs Hamburger Polizisten tragen den schweren Eichensarg hinaus aus dem Michel zum Leichenwagen. Die Ludwig-Erhard-Straße verläuft sechsspurig entlang, Beamte sperren sie kurzerhand ab. Stillstand, Stau. Aber niemand beschwert sich.
Mit einer Polizeieskorte macht sich der schwarze Mercedes auf den Weg Richtung Reeperbahn. Dort erweist der Kiez Jan Fedder die letzte Ehre. Hunderte Menschen stehen am Straßenrand Spalier, eine Frau hält ein Schild in der Hand: "Tschüs, Jan", ein Mann schwingt die Hamburg-Fahne. Auf seiner letzten Runde durch St. Pauli wird Jan Fedder getragen von Applaus. Wirte kommen aus ihren Kneipen, Apothekerinnen aus ihren Geschäften, Verkäufer aus ihren Sexshops.
Auch an der Davidwache, dem berühmten Polizeirevier in der Mitte der Reeperbahn, fährt der Konvoi in Schrittgeschwindigkeit vorbei. Es gibt Überlegungen, den Platz vor der Wache in "Jan-Fedder-Platz" umzubenennen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.
Die letzte Streifenfahrt ist zu Ende
Überhaupt: Fedder und die Hamburger Polizei, das war und ist eine besondere Verbindung. Eine Lokalzeitung schrieb einmal, dass Dirk Matthies aus dem ARD-"Großstadtrevier" vielen Polizeischülern als Vorbild galt. Das Herz am rechten Fleck, für die Schwachen einstehen, fair sein. Seit 1990 verkörperte Fedder den "Schutzmann", vor dem der "Ede" Reißaus nimmt, wie es im Titelsong heißt. Er sorgte mit seiner "Revierfamilie" für Recht und Ordnung auf dem Kiez. Die Davidwache ist das 15. Polizeirevier in der Hansestadt — und dennoch ganz offenkundig Vorbild für das 14. Revier aus der Erfolgsserie. Und so stehen auch die Beamten vom 15. an diesem Dienstagnachmittag am Straßenrand und sagen ihrem "Kollegen" "auf Wiedersehen". Seit 2000 ist Fedder Ehrenkommissar der Hamburger Polizei, auch in Bayern und Schleswig-Holstein würdigten die Behörden ihn auf diese Weise. Jan Fedder und das "Großstadtrevier" haben womöglich mehr für das Image der Hamburger Polizei getan als all die im Präsidium erdachten Kampagnen zusammen.
Kurz vor der Großen Freiheit stoppt der Konvoi minutenlang. In einem weißen Pavillon lässt das Kiezlokal "Ritze" eine Sängerin auftreten. "Ave Maria" singt sie — wieder fließen Tränen, wieder gibt es Applaus. Der Konvoi rollt weiter. Auf einer Leinwand über "Susis Show Bar" leuchtet Fedders Gesicht. Dirk Matthies wacht weiter über sein St. Pauli.
Jan Fedder hat einmal gesagt: "Fertig is' fertig, wenn ich sag is' fertig!" Gegen 15.45 Uhr biegt der schwarze Mercedes von der Reeperbahn rechts ab auf die Holstenstraße. Die letzte Streifenfahrt über den Kiez ist zu Ende.
Nu is' fertig. Tschüs.