Charlotte Roches TV-Comeback Vom Muschiland zur Müllabfuhr

  • von Katharina Miklis
Schluss mit Pipi-Kaka-Prosa: Nach ihrem Bestseller-Erfolg von "Feuchtgebiete" kehrt Charlotte Roche ins Fernsehen zurück. Statt weiblicher Intimzonen erkundet sie auf 3Sat unbeliebte Berufe. Das ist alles andere als feucht - nämlich ganz schön dröge.

Der erste große Hype um Charlotte Roches Anal-Bestseller "Feuchtgebiete" ist vorbei. In unzähligen Lesungen, Interviews und Talkshow-Auftritten hat sich die angestrengte Tabubrecherin über den modernen Feminismus, Pornografie und übertriebene Körperhygiene ergossen. Am Wochenende feierte die Bühnenfassung am Neuen Theater in Halle Premiere. Jetzt will es Charlotte Roche wieder ohne Pipi-Kaka-Prosa versuchen und kommt zurück ins Fernsehen. Ab Mittwochabend wird die 30-jährige Mutter fünf Folgen lang in der Reihe "Charlotte Roche unter..." für 3Sat in verschiedene Berufe hineinschnuppern. Proktologen und Gynäkologen sind nicht dabei. Auch auf Analfissuren und "Muschifotzenschleim" muss verzichtet werden. Stattdessen gibt es Haferschleim im Altersheim und Leichenschminken beim Bestatter. Neben der Altenpflegerin und der Bestattungs-Praktikantin versucht sie sich in der Job-Dokusoap als Jägerin, als Müllwerkerin und als Lastwagenfahrerin.

Ihr Anliegen ist es, mit Vorurteilen, die sie teilweise selbst hatte, aufzuräumen. Haben alle Trucker Pornohefte im Handschuhfach liegen? Sind alle Bestatter herzlose Wesen? "Ich habe zum Beispiel gedacht, dass alle Jäger rechtsradikal sind und auf Bambis schießen", sagt Roche nach ihrem Dreh mit Revieroberjäger Christoph Hildebrandt. Jetzt weiß sie: "alles Quatsch". Charmant und kindlich-naiv wolle sie sich laut 3Sat den Berufen nähern. "Ich frage kritisch und kaspere alle meine Vorurteile ab," so Roche.

"Mit dem Fernsehen habe ich irre schlechte Erfahrung gemacht"

Wenn sie sich allerdings in der Mischung aus "Sendung mit der Maus" und "Rent a Pocher" wimpernklimpernd von älteren Herren die Welt erklären lässt und angestrengt infantil rumalbert, dann hat das keinen Charme, sondern ist einfach nur gähnend langweilig und aufgesetzt.

Die Idee zu der Reihe kommt von ihr selbst, so Roche. Und nach ihrer Zeit bei Viva, Arte und ProSieben, wo sie die Interview-Sendung "Charlotte Roche trifft..." moderierte, habe sie mit 3Sat endlich einen Sender gefunden, mit dem sie "entspannt" zusammenarbeiten könne und auf den sie große Hoffnung setzt. Sonst wäre die Grimme-Preisträgerin nach ihrem Bestseller-Erfolg wahrscheinlich nie zum Fernsehen zurückgekehrt. "Mit dem Fernsehen habe ich irre schlechte Erfahrung gemacht. Gucken gerne, aber nicht mitmachen. Ich bin auch immer im schlimmsten Streit geschieden."

Für "Charlotte Roche unter..." gab es keine Drehbücher. Alles wurde spontan gedreht. "Früher habe ich so viele geplante Sachen gemacht, habe mich gut vorbereitet und Stars getroffen. Aber das wird irgendwann langweilig."

Für "Charlotte Roche unter..." ging die gebürtige Engländerin völlig unvorbereitet in die Drehs. Und so entstehen dann auch teils sehr persönliche Momente. Wenn der Bestatter Ferdinand Pfahl zum Beispiel plötzlich zwischen Fußball-Urne und Leichenwagen erzählt, dass er sich vor ein paar Jahren wegen einer Frau fast umgebracht hätte. Und weil er den Spagat zwischen Kirche und Beziehung nicht mehr aushielt. Schade, dass Roche zwischen Analfissur und Arschrasur das Gefühl für Interviewpartner verloren gegangen ist. So hat sie für den ganz offensichtlich mitteilungsbedürftigen Bestatter lediglich ein überfordertes "verstehe..." übrig. Das ist alles.

In die Annalen der Geschichte wird Charlotte Roche damit nicht eingehen. Das hat ihr Anal-Bestseller bereits geschafft. Der Debüt-Roman hat sich bislang mehr als eine Million Mal verkauft. Aber auch wenn ihre literarische Pipi-Pause jetzt vorbei ist: Die Rückbesinnung von Muschi auf ernsthafte Moderation ist Charlotte Roche mit ihrem TV-Comeback nicht geglückt.

"Charlotte Roche unter...", 3Sat, ab 1. Oktober, mittwochs, 23.15 Uhr

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