Erster Auftritt nach Schmähgedicht Jan Böhmermann: "Das Schlimmste war, die Fresse zu halten"

ZDF-Satiriker Jan Böhmermann hat seinen ersten öffentlichen Auftritt nach dem Skandal um sein Erdogan-Gedicht absolviert. Über die Streaming-Plattform Periscope beantwortete er Fragen von Twitter-Usern.

Fast fünf Wochen nach dem Eklat um ein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat sich der Satiriker Jan Böhmermann erstmals wieder live zu Wort gemeldet. Über die Streaming-Plattform Periscope beantwortete Böhmermann am Mittwoch unter dem Titel "Live aus aus der ecuadorianischen Botschaft in London" Fragen von Nutzern des Onlinedienstes Twitter.

Der Titel spielt auf den Zufluchtsort des Wikileaks-Gründers Julian Assange an. Tatsächlich deutete Böhmermann an, dass er sich derzeit in New York aufhalte. Gefragt nach seinem Befinden sagte der 35-Jährige, die letzten Wochen seien "menschlich und persönlich recht anstrengend" gewesen. "Man muss ja unterscheiden zwischen der Bühnenperson und der Privatperson", sagte Böhmermann. Es überrasche ihn, wie wenige Menschen das täten. Die Aufmerksamkeit sei "künstlerisch fantastisch". 

Jan Böhmermann nahm sich fünf Wochen Auszeit

Zugleich räumte Böhmermann ein, von der Dimension der Affäre überrascht worden zu sein: "Dass es so abgeht, wer hätte es denken können?" Zu einer anderen Nutzerfrage sagte Böhmermann: "Ich habe keine Angst jetzt vor dem Gefängnis. Ich würde für meine Überzeugungen auch drei Jahre ins Gefängnis gehen. Nein, das war ironisch gemeint."

Der ZDF-Moderator hatte sich nach der Ausstrahlung des Schmähgedichts in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" nur noch einmal kurz über Facebook gemeldet und sich anschließend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. "Das Schlimmste war, die ganze Zeit die Fresse zu halten", sagte der sonst in sozialen Netzwerken sehr aktive Böhmermann. Am 12. Mai will er mit einer neuen Folge seiner Sendung auf den Bildschirm zurückkehren.

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Böhmermann: Der deutsche Ai Weiwei-nerlich

Böhmermann darf weiter in jeden Dönerladen

"Ich darf weiter in jeden Dönerladen in ganz Deutschland gehen", sagte Böhmermann. Medienberichten zufolge soll es zahlreiche Drohungen gegen seine Person gegeben haben, insbesondere von Erdogan-Anhängern. "Die Annahme, es gäbe den Türken, der jetzt schnaubt, ist jetzt auch nicht so weit weg von Rassismus", sagte Böhmermann.

Zudem kündigte Böhmermann in einem Video auf Facebook an, für die nächste Sendung komplett auf eigene Witze verzichten. "Weil es ein bisschen schwierig ist, Witze zu machen zurzeit. Ich weiß nicht, was ich noch sagen darf. Kommt da die Polizei? Wird da ermittelt?", sagte der TV-Satiriker am Mittwoch in einem Video auf Facebook. Die Witze für das nächste "Neo Magazin Royale" sollen stattdessen komplett von den Zuschauern kommen.

Moderator will Witze-Crowdsourcing

"Der erste Standup nach der Pause wird nur mit Witzen aus dem Publikum, also von euch bestritten", erklärte der Moderator. "Das Stichwort ist Crowdsourcing." Details, wie das funktionieren soll, werde er noch bekanntgeben. So viel steht schon fest: "Die Witze müssen politisch korrekt sein", sagte Böhmermann. Und: "Ihr müsst vorher einen Juristen fragen." Und noch etwas kündigte Böhmermann an: Ein Politiker ist zu Gast - "ein kleiner, lustiger, deutscher Politiker, in dessen Gegenwart man nicht das Wort Stasi sagen darf."

Der Satiriker hatte Erdogan in dem Schmähgedicht mit Worten unter der Gürtellinie attackiert. Der türkische Präsident beantragte daraufhin die Strafverfolgung Böhmermanns, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen den Widerstand der SPD billigte. Zugleich erklärte sich Merkel zur Abschaffung des Paragrafen 103 bereit, der die Beleidigung ausländischer Staatschefs unter Strafe stellt - allerdings erst ab 2018.

AFP
tis

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