Kühn kuckt - die TV-Kolumne Weggesperrt

Premiere und RTL II bewarben in Hamburg den Höhepunkt ihres Februar-bis-Juli-Programms: die siebte Staffel von "Big Brother". Sushi und Gürkchen gab's. Jürgen war dabei. Und stern-Redakteur Alexander Kühn.

Vor fünf Jahren brachten die Amerikaner den ersten Gefangenen nach Kuba, ins Lager Guantánamo, einem Ort der Folter und Demütigungen. Noch immer sind dort 400 Menschen eingesperrt, was die USA mit dem Kampf gegen den Terror rechtfertigen. Vor den Toren des Lagers demonstrierten am Donnerstag, dem Jahrestag, amerikanische Aktivisten. In London gingen 200 Demonstranten auf die Straße. In München wurde eine Mahnwache abgehalten. In Berlin gab es Proteste, in Frankfurt und Leipzig.

Auch in Hamburg versammelten sich am Donnerstagabend gut drei Dutzend Männer und Frauen, um weggesperrter Mitmenschen zu gedenken - jener zwölf Kandidaten, die sich vom 5. Februar an für bis zu 120 Tage einpferchen lassen wollen; willkommen bei der siebten Staffel von "Big Brother". RTL II wird die Höhepunkte aus dem Leben der Strafgefangenen zeigen, die Abonnenten von Premiere können sogar rund um die Uhr am Geschehen teilhaben; dies galt es den geladenen Journalisten mitzuteilen.

Selbst Guido Westerwelle war da

Bei Sushi und von Roastbeef umhüllten Gürkchen erinnerten die beiden Sender an die Höhepunkte aus sieben Jahren "Big Brother": Erste Staffel, 1. März 2000: zehn Kandidaten ziehen in den Container ein; 9. April 2000 - Zlatko muss das Haus verlassen, 6000 Fans feiern ihn wie einen Star; zweite Staffel, 14. Oktober 2000 - Guido Westerwelle besucht die Bewohner; fünfte Staffel, 21. April 2004 - die Bewohner verstoßen gegen die Regeln und klettern über die Zäune; sechste Staffel, 1. März 2005: Start von "Big Brother - das Dorf"; September 2005 - für je eine Woche ziehen Werner Böhm, Daniel Küblböck und Cindy & Bert ins Dorf.

Als Sushi und Gürkchen allmählich zur Neige gingen, erhob der Chef der Produktionsfirma Endemol die Stimme, ein in der Branche ob seiner Herzlichkeit und Wärme geschätzter Mensch, und erklärte, "Big Brother" sei Qualitätsfernsehen und sein Team so was von ambitioniert. Eine blonde Moderatorin mit nicht ganz so gerade gewachsenen Zähnen wird durch die Staffel führen - und als Außenreporter: Jürgen, Containerbewohner der ersten Stunde (Freund von Zlatko), Sänger ("Natascha vorm Pascha"), Buchautor ("Ich sag's"), Moderator (Neun Live). Das ist, als würde man den Affen aus dem Käfig befreien und ihn zum Zoodirektor ernennen. Jürgen weiß, was es heißt, eingesperrt zu werden. Heimweh zu haben. Seine Triebe unbefriedigt zu wissen. Dem Lagerkoller ausgesetzt zu sein.

Aber, ganz im Ernst: Was ist das Schicksal der "Big Brother"-Kandidaten im Vergleich zu der Verletzung der Menschenrechte, von der die Medien uns täglich künden? Wer die Augen und Ohren öffnet und sich nur ein wenig informiert über das, was da draußen geschieht, muss gestehen: "Big Brother" ist ein Robinson-Club - verglichen mit dem Leid der fettleibigen Frau beim "DSDS"-Casting, die von Dieter Bohlen angeschnauzt wurde, sie sehe aber mal Scheiße aus - 6,2 Millionen Zuschauer verfolgten es am Mittwoch mit Entsetzen. "Big Brother" ist eine Insel der Seligen - gemessen an der Pein, die zehn junge Mädchen über sich ergehen lassen mussten, die sich für die "Bräuteschule" der ARD in die Fünfzigerjahre zurückversetzen ließen. Sie weinten bitterlich ob der Demütigungen. Den Boden sollten sie aufwaschen! Mit einem Feudel! Und Kohlrouladen zubereiten! Was ist nur aus unserer Welt geworden.

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