In den 1970er Jahren hat Ted Bundy 30 junge Frauen in den USA ermordet. Das sind zumindest die Fälle, die ermittelt wurden. Vermutlich sind es viel mehr Opfer gewesen. Seine Taten versetzen das Land in Starre, nachts trauten sich Frauen nicht mehr auf die Straße. Und in dieser Zeit hat Ted Bundy mit seiner Freundin Elizabeth Kendall und ihrer kleinen Tochter zusammengelebt. Nun hat Elizabeth Kendall ihr langes Schweigen gleich zwei Mal gebrochen für die Amazon-Dokumentation "Falling For A Killer" und für eine zweistündige Dokumentation des US-Senders ABC.
Sie wurde nie frei von ihm
Elizabeth Kendall wusste nichts von der dunklen Seite ihres Freundes und Verlobten. Sie lebten ein normales Leben. Kendall war nicht eines seiner Opfer, sie wurde nicht von ihm misshandelt oder eingeschüchtert. Zu Hause war Bundy ein liebevoller Lebenspartner. Das ist umso erstaunlicher, da er sich der "dunklen Kraft" in seinem Herzen bewusst und durchaus stolz war, dass er "der kaltherzigste Hurensohn" gewesen ist, dem man je begegnen werde — wie er selbst sagte.
Elizabeth Kendalls Impuls, in die Öffentlichkeit zu treten, entstand, nachdem sie den Film "Extremely Wicked, Shockingly Evil And Vile" über Ted Bundy gesehen hat. Der basierte zwar auf ihren Erinnerungen, dennoch fand sie sich nicht darin wieder. Vielleicht war es auch einfach der Schock, die eigene Geschichte gespielt von Fremden zu sehen. "Ich hatte so viel zu verarbeiten, seit all das passiert ist. Es gibt Scham, es gibt Schuldgefühle, es gibt alle möglichen Dinge."
Für den Zuschauer ist es ein Schock in die Gefühlswelt von Elizabeth Kendall einzutauchen. Sie ist immer noch im Netz von Ted Bundy gefangen und hat Mühe, die glücklichste Zeit ihres Lebens mit seinen Untaten zusammenzubringen. Etwa wenn sie unter Tränen die Briefe vorliest, die ihr Bundy aus dem Todestrakt geschrieben hat, und in denen er seine ewige Liebe zu ihr und ihrer Tochter Molly beschwört.
Der perfekte Mann
Elizabeth Kendall hat Bundy 1969 in einer Bar in Seattle getroffen. Als alleinerziehende Mutter, die damals gerade in die Stadt gezogen war, sei sie "ziemlich verknallt" gewesen, als ihr Bundy gegenüber saß, erinnert sie sich heute. Als sie ihn kennenlernte, war es um sie geschehen. Er war Student und angehender Anwalt, gewandt und charmant. Er war "Mister Right". Nach der ersten gemeinsamen Nacht stand Bundy auf, um ihrer Tochter Molly ein Frühstück zu machen. Rücksichtsvoll ließ er die Mutter schlafen. "Ich habe mich vom ersten Tag an in ihn verliebt. Er raubte mir den Atem."
Alles war so, wie es sich Elizabeth Kendall immer für sich und ihre Tochter gewünscht hatte.
"Wir haben uns bei jeder Gelegenheit geliebt. Noch nie zuvor hatte ich mich einem Mann so nahe gefühlt." Auch die Tochter liebte ihren Ersatzvater.
Bundy hat sich viel Mühe gegeben, die beiden glücklich zu machen. Es sei, als habe er uns als Familien immer umarmen wolle, so Elizabeth Kendall. Es sei wunderbar gewesen, mit ihm auszugehen. "Er war nie um Worte verlegen, während ich eher der schüchterne Typ war." Bundy war ein soziales Chamäleon, der überall die gewünschte Form annahm. "Ich habe mich immer so von ihm geliebt gefühlt", sagt Elizabeth Kendall.
Ted Bundy faszinierte die Menschen wegen des Kontrastes seines normalen Lebens und seiner extremen Grausamkeit. Bundy war keine verkrachte Existenz, doch er brachte die Frauen nicht nur grausam um, er verging sich sexuell an den toten Körpern und behielt sogar abgeschnittene Köpfe als Souvenir bei sich. Anfang 1974 begann sich Bundys Verhalten zu ändern, er verschwand einfach mehrere Tage. In diese Zeit hat auch seine erste bekannte Attacke stattgefunden.
Sie konnten es nicht glauben
Im Januar 1974 prügelte er die 18-jährige Studentin Karen Sparks in ihrer Kellerwohnung in Seattle zusammen. Sie überlebte mit schrecklichen Behinderungen. Elisabeth Kendall bemerkte die Veränderungen, aber sie fürchtete, dass ihr Mann eine Affäre haben könnte. "Niemals hätte ich gedachte, dass er Frauen nachstellt und sie dann schließlich ... Frauen entführt und ermordet. Dafür gab es keinen, überhaupt keinen Anhaltspunkt."
Einen Monat später ermordete er Lynda Ann Healy, auch eine Studentin. Dann verschwanden weitere Frauen in der Gegend – Monat für Monat. In dieser Zeit traf Kendall ihn in ihrer Wohnung an. "Er war sehr aufgewühlt und legte sich mit dem Kopf in meinen Schoß und schluchzte nur noch." Kendall stutzte, als sie feststellte, dass die Opfer ihr erstaunlich ähnlich sahen, aber da sie alle viel jünger waren, schöpfte sie keinen Verdacht. Die Tochter Molly sagt heute, sie habe mit Bundy sogar über die Übereinstimmungen gesprochen. "Als die Polizei ein Profil von ihm hatte, sprach ich mit ihm über die Ähnlichkeiten ", erinnert sich Molly Kendall. "Ich sagte zu ihm: 'Dieser Typ heißt Ted. Dein Name ist Ted. Dieser Typ hat einen Volkswagen. Du fährst einen Volkswagen. Du weißt, dass du es bist', und er lachte nur. Er sagte: 'Nein, Äffchen, natürlich würde ich so etwas nicht tun.'"
Als die Polizei ihn endlich überführte, brach die Welt von Elisabeth Kendall zusammen. Aber aus der Haft heraus schrieb ihr der Mörder einfühlsame Liebesbriefe. Zwei Mal gelang es ihm aus dem Gefängnis auszubrechen und weiter zu morden, wurde aber jedes Mal wieder gefasst. Als er endgültig inhaftiert wurde, rief er sie an. "Er sagte zu mir: 'Hast du es nicht immer gewusst?' Und ich sagte: 'Ja und nein'." Nach einem langen Verfahren wurde Bundy 1989 hingerichtet.
Im Bann der Vergangenheit
"Ich war einfach nicht in der Lage, den Tatsachen ins Auge zu sehen." Elizabeth Kendall bewahrt bis heute die Fotos und Erinnerungsstücke an ihre kleine, glückliche Familie auf. "Manchmal kann ich nicht glauben, dass dies wirklich mein Leben war", sagt Elisabeth Kendall. "Ich behielt all diese Fotos von uns, als wir glücklicher waren, bevor wir wussten, wozu er fähig war."
"Das ist meine Kindheit", meint auch Molly Kendall. "Leider haben die Erinnerungen, die mit diesen Bildern verbunden sind, ihren eigentlichen emotionalen Inhalt verloren und sind zu etwas ganz anderem geworden."
Elizabeth Kendall hat immer noch ein irreales Gefühl von Ungläubigkeit, wenn sie darüber nachdenkt, dass der Mann, den sie geliebt hat und der so ein großartiger Kerl zu sein schien, hinausging und solch schreckliche Dinge tat. Das sei sehr schwer zu akzeptieren, sagt sie. Sie habe immer noch Schuldgefühle, weil sie diesen Mann so geliebt habe. Aber loslassen kann sie nicht. Bis heute ist Elizabeth Kendall überzeugt, dass sie die einzige, die große Liebe von Ted Bundy gewesen sei. "Ich und meine Tochter waren die realsten Dinge, die er je in seinem Leben hatte. Wir repräsentierten etwas, das er wirklich wollte und zu erhalten versuchte."
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