Ungarn setzt den Feldzug gegen seine eigene queere Community fort. Nun ist das zweitgrößte Buchhandelsunternehmen des Landes, "Lira Könyv", wegen eines Verstoßes gegen das "Kinderschutzgesetz" zu einer Rekordstrafe von umgerechnet 32.000 Euro verurteilt worden.
Queer-feindliches Gesetz in Ungarn: Buchhandlung zu Rekordsumme verurteilt
Die Buchhandlung hatte den Comic "Heartstopper" der britischen Autorin Alice Oseman als ungarische Übersetzung in seinen Filialen ausgestellt. Das Heft ist für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet und beschreibt die Geschichte zweier Teenager-Jungen, die sich ineinander verlieben.
Für das Regierungsamt der Hauptstadt Budapest ein Gesetzesverstoß, weil die Buchhandlung den Comic in seiner Abteilung für Jugendliteratur anbot.
Seit 2021 wird öffentliches queeres Leben in Ungarn mehr und mehr unterdrückt. Bücher oder Comics, die LGBTQ+- oder Themen wie "Sexualität zum Selbstzweck" behandeln, dürfen nicht in der Jugendabteilung von Büchereien ausgestellt werden und müssen in Folie eingeschweißt sein, damit man nicht darin herumblättern kann. Inhalte dieser Art dürfen nur für volljährige Personen ab 18 Jahren zugänglich sein. Das Gesetz setzt zudem etwa Homosexualität mit Pädophilie gleich.
Der Kreativ-Direktor des Buchvertriebs Lira, Krisztian Nyary, kündigte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) an, gegen das Urteil klagen zu wollen. Man werde den Strafbescheid mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen, so Nyary. Bisher habe die Büchereien-Kette queere Literatur weder abgesondert, noch in Folie verpackt. "Wir hielten dieses Gesetz mit seinen allgemeinen Bestimmungen für unanwendbar", so Nyary gegenüber DPA. "Zwei Jahre ist auch nichts passiert."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte Gesetz "Schande"
So sah es lange Zeit offenbar auch die größte Buchhandlung Ungarns, Libri. Vor wenigen Wochen allerdings erwarb eine regierungsnahe Stiftung einen Mehrheitsanteil des Unternehmens. Vor wenigen Tagen begann Libri dann plötzlich, sich an die Regeln der Regierung zu halten und queere Literatur in Folie zu verpacken – kurz bevor die Konkurrenzkette Lira zu der Strafe verurteilt wurde.
Ende des vergangenen Jahres verklagte die EU-Kommission Ungarn wegen des "Kinderschutzgesetzes". Es würde unter anderem die Informationsrechte von Jugendlichen einschränken, was ein Verstoß gegen das EU-Grundrecht wäre. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte das Gesetz eine "Schande".
Im vergangenen Jahr veröffentlichte der stern das ungarische Buch "Märchenland für alle", das von der Regierung um Viktor Orbán boykottiert wurde und wird. Darin werden diverse Märchengeschichten erzählt: von schwulen Prinzen, Helden, die ethnischen Minderheiten abstammen oder Charakteren mit Behinderung.
Lesen Sie einen Vorgeschmack auf das Buch "Märchenland für alle".
Quellen: The Guardian, mit Material von DPA