Beziehungsstress Attraktiv, erfolgreich, Mitte 30 und ohne Mann – darum verlieren Frauen das Dating-Game

Das Daten wird für Frauen schwerer.
Das Daten wird für Frauen schwerer.
© Martin Dimitrov / Getty Images
Hohe Erwartungen, aber falsches Timing. Bettina Arndt beschrieb 2012 das Dating-Drama von Karrierefrauen. Damals war der Artikel prophetisch. Heute, sagte Arndt dem stern, ist alles noch schlimmer geworden.

2012 wurde Tinder gerade erfunden, in diesem Jahr schrieb Bettina Arndt einen wegweisenden Artikel. Er war die Urform einer Welle von ähnlichen Stücken, die Arndts Beobachtungen unendlich variiert und recycelt haben. Arndts Stil war erfreulich neutral. Ihr fehlte der weinerlich-anklagende Ton der heutigen TikTokerinnen und die hämische Bosheit der Manosphere.

Ihr ging es nicht um das Dating an sich, sondern um die Probleme einer spezifischen Gruppe: erfolgreiche, urbane Frauen, Mitte 30. Ohne feste Partnerschaft, aber mit dem dringenden Wunsch, doch noch eine Familie zu gründen. Ihr Problem: Alle wollen einen guten Fang und die besten Männer sind nicht mehr auf dem Markt.

Keine Besserung in Sicht

2023 hat sich Arndt zu einer streitbaren Beziehungsexpertin entwickelt. Angesprochen auf das alte Stück, sagte sie dem stern heute, dass sich die Verhältnisse nicht grundlegend für die Frauen gebessert hätten. "Ich bin sogar fest davon überzeugt, dass es erfolgreichen, berufstätigen Frauen in den 30ern heute schlechter geht." Das alte Dilemma, dass attraktive Männer Ende der 30er dazu neigen, jüngere Frauen zu daten, hat sich nicht gegeben. Dafür sind neue dazugekommen.

Der alte Artikel illustrierte das Problem an mehreren Beispielen. Nummer Eins ist Naomi. Sie besuchte die Vorlesungen ihres Verlobten und bemerkte eine Gruppe von drei Frauen in der Zuhörerschaft, alle attraktiv, gepflegt, Mitte 30. "Er ist 36 Jahre alt und definitiv jemand, der in die Kategorie Alpha-Mann fällt: hervorragende Arbeit im Finanzbereich, Doktortitel, hohes Einkommen, 1,80 Meter groß, sportlich und sehr gutaussehend." Vor der Vorlesung flirtete der Traummann kurz mit Naomi per Augenkontakt. "Die Frauen sahen das und es war, als wäre der Raum plötzlich eingefroren." Als die drei erfuhren, dass Naomi und er verlobt waren, musterten sie die Rivalin entsetzt. "Als wollten sie herausfinden, wie ein Mädchen, das Jeans und Ballerinas trägt, so einen Kerl an Land ziehen kann." Dann verließen sie die Vorlesung.

Der Wettlauf um den Traummann

Arndt nahm damit ein zumindest im englisch-amerikanischen Raum bekanntes Phänomen auf. In den 20ern konzentriert sich bei Studenten das weibliche erotische Interesse auf eine kleine Prozentzahl ihrer männlichen Kommilitonen. Sie sind die sogenannten Alphas, die große Masse – die Betas – wird übersehen. Doch unbemerkt beginnt eine Reise nach Jerusalem. Das Spiel, bei dem immer weniger Stühle vorhanden sind, auf die man sich bei einer Unterbrechung der Musik hinsetzen muss. In diesem Fall heißt es, dass die begehrten Alphas aus dem Datingpool genommen werden. Das Missverhältnis von wenigen Alphas und vielen Interessentinnen ist in der unverbindlichen Jugend ein spannendes Spiel, doch wenn es um ernsthafte monogame Partnerschaften geht, wird offenbar, dass die Alphas knapp sind. Die Frauen, die zu spät kommen, stoßen auf einen leer gefegten Markt. So kommt es zu Situationen, wie von Naomi beschrieben. Und Naomi verkörpert ein weiteres Problem. Anders als in der Unizeit binden sich die begehrten Männer nicht unbedingt in der gleichen Altersgruppe, sondern jünger.

Die verbliebenen Karrierefrauen Mitte 30 stehen vor einer schwierigen Wahl. Entweder suchen sie weiter einen Traummann, der ihren Vorstellungen entspricht. Oder sie gehen Kompromisse ein. Als da wären ältere Männer oder die einst verschmähten Betas ihrer Gruppe. "Ich war fünf Jahre lang als Online-Dating-Coach tätig", so Arndt heute. "Ich habe festgestellt, dass viele Frauen eine enorm überhöhte Vorstellung von ihrem eigenen Marktwert haben. Sie kamen mit langen Einkaufslisten zu mir, was sie sich von einem Partner wünschen – und je länger sie in der Dating-Szene waren, desto länger wurde diese Liste."

Unglück macht unattraktiv

Seit 2012 wird das Thema ununterbrochen diskutiert. Auf TikTok finden sich die Hilfeschreie der Frauen ("Wo sind die guten Männer geblieben?") auf Reddit und Youtube die hämischen Kommentare aus der Manosphere ("Another woman hits the wall!"). Das größte Problem, so Arndt, sei, dass jemand, der sehr viel Lebenszeit in unglücklichen und erfolglosen Beziehungen verbracht hat, immer zynischer und zugleich immer anspruchsvoller wird. " Zutiefst verletzte Frauen sind für einen Mann, der eine liebevolle, akzeptierende Partnerin sucht, nicht besonders attraktiv."

Die Beta-Männer – einst so attraktiv wie eine "kalte Schale Hafergrütze" – erleben in ihren 30ern einen unerwarteten Aufstieg in der Frauengunst. Zumindest dann, wenn sie sich vom hässlichen Entlein zu einem attraktiven, halbwegs erfolgreichen Mann gemausert haben. 2012 zitierte Arndt "Greenlander", damals ein erfolgreicher Ingenieur Ende 30. Als junger Mann konnte er bei Frauen überhaupt nicht landen, gab er zu. Dafür date er jetzt nur Frauen unter 27. Ältere Frauen trifft er nur aus zweifelhaften Motiven, die man unter dem Begriff "Die Rache der Beta-Boys" zusammenfassen kann.

"Die Frauen in den 30ern, die ich kenne, haben Wahnvorstellungen. Manchmal schlafe ich mit ihnen, nur weil es so leicht ist, sie zu manipulieren. Sie haben das Schwanzkarussell satt und sehen in einem Kerl wie mir den perfekten Beta, mit dem sie sich niederlassen können, bevor ihre Eier austrocknen … Wenn ich sie satt habe, lösche ich einfach ihre Nummern vom Handy und nehme ihre Anrufe nicht mehr entgegen."

Ehe hat 2012 an Wert verloren

Das war schon bitter genug. Doch seit 2012 kommen weitere Faktoren hinzu, meint Arndt. Die Ehe sei nicht mehr das verbindliche Lebensmodell. Vor allem junge Männer stünden der Ehe heute insgesamt misstrauischer gegenüber als damals, wenn sie nach erbitterten Scheidungen in Alleinerziehendenhaushalten aufgewachsen sind.

In Australien gibt es eine weitere Spezialität. Anschuldigungen wegen häuslicher Gewalt – ob berechtigt oder unberechtigt – geben Frauen in einem Trennungsverfahren viele Vorteile. "Es ist schwer vorstellbar, warum Männer die Ehe befürworten sollen, wenn sie miterlebt haben, wie ihre Väter jeden Dollar, für Gerichtsstreitigkeiten ausgeben müssen, allein um ihre Kinder zu sehen." Auch den Feminismus, wie er an Universitäten verbreitet werde, sieht Arndt mehr als kritisch. Nicht wegen der berechtigten Forderungen nach Gleichberechtigung, doch wenn Frauen dazu erzogen würden, Männer als Feind zu sehen, dann sei das Gift für Beziehungen, findet Arndt, und "Männer haben allen Grund, vorsichtig zu sein".

Ein Drama von der Resterampe

Wie schon erwähnt, beschreibt Arndt das Problem einer lautstarken aber kleinen Gruppe. Es ist ein Drama auf einem Reste-Markt. Es sind die Frauen, die aus ihrer Gruppe der bindungswilligen Frauen übrig geblieben sind, und sie treffen auf die Männer, die sich ebenfalls nicht zu einer festen Partnerschaft haben durchringen können. Feste Paare stellen vermutlich die weitaus größere Gruppe, doch machen sie nicht so viel Wirbel in den Sozialen Medien.

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