Das ist ein zu groß gewachsenes Kind, dachte der Strafverteidiger Frank Kentgens, als er Markus G. im Januar 1989 zum ersten Mal sah. Kentgens war damals 34. Es war sein erster Mordfall. Was dieser 19-Jährige getan haben sollte, erschien ihm – unfassbar. Markus G. sprach wenig. Er behauptete, er habe mit der Sache kaum was zu tun, selbst auch gar nichts gemacht. Er habe halt beobachtet, was sein großer Bruder tat. Nur dieser verschlagene, leicht überhebliche Blick passte nicht zu dem Bürschchen mit den dunklen Locken und den weichen Gesichtszügen, das Kentgens in der Untersuchungshaftanstalt gegenübersaß.
Frank Kentgens ist heute 30 Jahre älter. Er hat in viele Abgründe blicken müssen. Doch er sagt, bei keinem seiner Fälle habe sich ihm so tief eingeprägt, wie dysfunktional Familien, wie verwahrlost und stumpf Eltern sein können. Auf welch verschiedene Arten sich Kinder in einer Umgebung einrichten können, in der es nur ein Böse und kein Gut gibt. Wie Eltern ihre Kinder zugleich psychisch zerstören und auf perfide Art zusammenschweißen können. Und welche grausame Auswirkung das haben kann. Nicht nur auf diese Kinder.