Agenda 2010 Schröders beschwerlicher Weg zum Reformkanzler

So schlimm die Reform-"Agenda 2010" des SPD- Vorsitzenden, Kanzler Gerhard Schröder, für Sozialdemokraten und Gewerkschafter auch sein mag - sie ist erst der Anfang.

So schlimm die Reform-"Agenda 2010" des SPD- Vorsitzenden, Kanzler Gerhard Schröder, für Sozialdemokraten und Gewerkschafter auch sein mag - sie ist erst der Anfang. Da können sich die Kritiker auf den Kopf stellen. Eine Frage ist, ob auch ihr Protest dann erst der Anfang war.

Die SPD-Spitze weiß, dass die Regierung neues Abspecken verordnen muss, wenn nachfolgende Generationen nicht am sprichwörtlichen Hungertuch nagen sollen. Sie rechnet auch damit, dass die Mehrheit der Delegierten der SPD diesen Kurs trotz der aufgeheizten Stimmung beschließen wird. Doch hinter den Kulissen wird die bange Frage nach der Gefolgschaft von SPD und Grünen im Bundestag und einem endgültigen Bruch mit den Gewerkschaften gestellt.

Entfremdung von Gewerkschaften und SPD

Die Entfremdung von Gewerkschaften und SPD wird auf beiden Seiten als zunehmend gefährlich empfunden. Vor großem Publikum überzogen die Chefs von DGB, IG Metall und ver.di, Michael Sommer, Klaus Zwickel und Frank Bsirske, den Kanzler im Mai mit scharfer Kritik. Dessen Verteidigungsminister Peter Struck kündigte Bsirske nahezu die gewerkschaftliche Freundschaft auf. Die SPD liege mit ihren Reformen zwar zehn Jahre hinter den Sozialdemokraten anderer Länder, aber die Gewerkschaften lägen zehn Jahre hinter der SPD, heißt es in der Partei.

Der Rücktritt-Droher

Ein Rücktritt von Schröder, wie er ihn nun schon drei Mal für den Fall der Ablehnung seines Kurses in den eigenen Reihen androhte, wird in der SPD als Katastrophe beschrieben - die Drohungen allerdings beinahe auch, da sie bei inflationärem Gebrauch die Wirkung verlören. Und bei allem Protest will natürlich auch SPD-Mitglied Sommer die jetzige Regierung behalten.

Die Front der "Jammerer"

Altkanzler Helmut Schmidt ging via "Zeit" mit den "Jammerern" ins Gericht und hielt ihnen "Tatsachen" vor Augen: Ein Zehntel der arbeitsfähigen Bürger habe keinen Arbeitsplatz. Die Wirtschaft stagniere. Die Renten-Finanzierung werde wegen der Altersentwicklung und vielen Frührenten zum Hauptproblem des Etats. Die deutsche Wirtschafts- und Exportkraft stehe hinter Amerika und Japan an dritter Stelle. Die Löhne in Deutschland seien die höchsten, das Gesundheitssystem sei eines der besten der Welt. Es gebe die meisten bezahlten Feier- und Urlaubstage und die Renten seien höher als je zuvor. Wohlstand und private Ersparnisse auch.

"Unter diesen glänzenden Voraussetzungen sollen unsere Politiker zum Umbau nicht fähig sein? Wollen wir denn auch noch Weltmeister im Jammern werden?", fragt Schmidt. Müntefering und SPD-Generalsekretär Olaf Scholz bereiten schon einmal das Feld für neue Kürzungen vor. Ins Visier haben sie Subventionen aller Art und Leistungen für die Beschäftigten in öffentlichen Dienst genommen.

Keinen reinen Wein vor der Bundestagswahl

Schröder wird nicht nur von der Opposition, sondern auch von der eigenen Partei angelastet, dass er den Bürgern nicht schon vor der Bundestagswahl reinen Wein eingeschenkt hat. Er hätte den Menschen klar machen müssen, dass sie in Deutschland nicht mehr für alles eine "Vollkaskoversicherung" bekommen werden. Und er hätte seine Reformen nicht "Agenda 2010" nennen sollen, meinen Weggefährten. Erstens müssten die Reformen schon viel früher kommen als erst in sieben Jahren. Zweitens lege man sich am besten nicht auf eine Jahreszahl fest, und drittens klinge das wie eine DIN-Norm für Toilettenpapier.

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