Als Journalist bekommt man häufig unerwartete Anrufe – nicht immer mit guten Absichten. Es ist daher manchmal schwierig, den Wahrheitsgehalt spontan korrekt einzuschätzen. Der Anruf, den eine Journalistin der BBC kürzlich erhielt, hätte also auch ein schlechter Scherz sein können – war es aber nicht. Wie Khue B Luu berichtet, habe sie am Mittwoch zunächst eine Nachricht erhalten. Dort stand: "Es gibt einige Leute, die die Grenze von Frankreich nach England in einem Kühltransporter überquert haben". Kurz darauf klingelte ihr Telefon. Eine panische Stimme, so die Reporterin, habe gefragt, ob sie in Europa sei – und ob Luu ihr dringend helfen könne.
Obwohl sie nicht wusste, wer da am anderen Ende mit ihr sprach, stellte sie ein paar Fragen. Recht erfolglos, wie sie schreibt. Nur so viel konnte sie herausfinden: Der Anruferin zufolge saßen sechs Personen in einem Kühllaster, das Nummernschild war ebenso unbekannt wie der aktuelle Aufenthaltsort und das Ziel der Fahrt.

BBC-Reporterin stellte die richtigen Fragen
Lediglich das Land konnte Khue B Luu herausfinden: Frankreich. Die Personen am anderen Ende klagten, dass die Klimaanlage laufe und es sehr kalt sei. Dadurch, dass sie eine Uhr dabei hatten, konnten sie auch die Dauer der Reise beziffern: Zehn Stunden saßen sie dort bereits und klagten über zunehmend große Schwierigkeiten beim Atmen.
Es folgten zwei Videos. Offenbar saßen die Frauen zwischen Obstkisten und hatten sehr wenig Platz. Khue B Luu reichte das und sie kontaktierte Kollegen in Frankreich, sowie Journalisten der Tageszeitung "Le Monde".
Mit etwas Hilfe gelang es den Frauen im Laster schließlich, ihre Position zu ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich nördlich von Lyon. Zusammen mit den französischen Kollegen alarmierten die Reporter umgehend die Polizei.
Zwischenzeitlich verloren sie das GPS-Signal, bekamen aber weiterhin Textnachrichten. Die Klimaanlage sei ausgeschaltet worden, hieß es in einer Nachricht. "Wir ersticken", stand in einer anderen.
Ein Smartphone rettete den Frauen wohl das Leben
Im Laufe der Unterhaltung konnte Khue B Luu herausfinden, dass drei Frauen der Gruppe nicht mit auf die Reise gegangen waren. Zu ihrem Glück hatten diese sich aber das Nummernschild des Lasters notiert – auch diese Information ging sofort an die Polizei, zusammen mit der Ortsangabe, die Luu immer wieder mal erhielt, wenn es der Empfang der gefangenen Frauen erlaubte.
Kurz darauf Erleichterung: Die Polizei meldete, den Laster ausfindig gemacht und die Frauen befreit zu haben. Ingsesamt befanden sich vier Vietnamesinnen und zwei Irakerinnen an Bord, der Fahrer wurde nach Angaben der BBC festgenommen.
Dass ausgerechnet Khue B Luu den Anruf erhielt, ist wohl kein Zufall. In der Vergangenheit berichtete sie über verstorbene Personen, die bei illegalen Transporten über die Landesgrenze ums Leben kamen. Seitdem, so Luu, sei sie immer wieder von vietnamesischen Menschen kontaktiert worden.
Quelle: BBC