Bergung der "Costa Concordia" Wie das Wrack wieder schwimmen soll

Die "Costa Concordia" liegt aufgerissen auf der Seite. Bergungsfirmen sollen das gigantische Wrack wieder schwimmfähig machen. Als Erstes aber kämpfen sie gegen eine drohende Umweltkatastrophe.

Platz für über 4000 Menschen, 290 Meter lang und 17 Decks hoch: Die havarierte "Costa Concordia" ist so groß wie eine kleine Stadt. Umgestürzt, aufgeschlitzt und hilflos liegt der Gigaliner am felsigen Ufer der italienischen Insel Giglio. Und doch soll der Ozeanriese wieder flott gemacht werden. Bei der Bewältigung einer Schiffskatastrophe gelten eiserne Regeln: "Die Prioritäten sind klar: Zuerst die Menschen, als Nächstes die Umwelt", sagte Martijn Schuttevaer von Smit Salvage im niederländischen Fernsehen. Die Bergungsfirma wurde von Reederei und Versicherung angeheuert, um Umweltschäden abzuwenden: "Unser Auftrag ist es, das Öl der 'Costa' aus dem Rumpf zu bekommen."

Extrem gefährliche Arbeit

Als Erstes versuchten italienische Taucher, Vermisste aus dem Wrack zu bergen. Am Dienstag entdeckten sie nur noch Leichen. Am Mittwoch wurde die Suche nach Eingeschlossenen abermals unterbrochen, weil das Wrack ein Stück weiter abgesackt ist. Die Arbeit sei derzeit zu gefährlich für die Rettungsmannschaften, so ihr Sprecher Luca Cari.

Erst wenn es keine Hoffnung auf Überlebende mehr gibt, kommen die Bergungsspezialisten von Smit zum Zug. Der Grund für die Verzögerung: Es ist extrem gefährlich, sich auf dem zur Seite geneigten Wrack zu bewegen. Die Gänge sind verstopft und selbst die eingesetzten Rettungshunde finden kaum Halt. Damit die Retter nicht noch mehr gefährdet werden, müssen Berger und schweres Gerät warten. Martijn Schuttevaer: "Sobald wir das Schiff betreten können und es stabil ist, werden wir mit dem Abpumpen des Öls beginnen." Mitarbeiter und Spezialausrüstung von Smit sind bereits auf Giglio eingetroffen.

Immerhin sind über 2380 Tonnen Treibstoff in den Tanks. "Bei einem Austritt stellt dieses Öl eine tödliche Gefahr für zehntausende Meerestiere dar, die in dem Nationalpark Toskanischer Archipel leben", fürchtet Nabu-Meeresschutzexperte Kim Detloff. Das Tyrrhenische Meer an Italiens Westküste zeichnet sich durch eine für das Mittelmeer besonders hohe Artenvielfalt aus.

Die Umwelt hatte bisher Glück im Unglück, nennenswerte Lecks zeigten sich nicht am Wrack. Aber viel hätte nicht gefehlt. Ein Mitarbeiter der US-Bergungsfirma Titan Salvage sagte der Nachrichtenagentur AFP auf Giglio: "Sie hatten einfach unverschämtes Glück, dass kein Öl ausgetreten ist. Wenn der Rumpf noch vier oder fünf Meter länger aufgerissen worden wäre, dann hätte es die Öl-Bunker aufgeschlitzt."

Jetzt drängt die Zeit. Das Wetter in der Region soll sich verschlechtern. Ein Sprecher von Smit erklärte im holländischen Fernsehen: "Das Entfernen des Öls dauert mindestens drei Wochen." Dann zähle jede Stunde. Wenn sich die Wetterlage verschlechtere, und es zu einer Ölpest kommt, müsse mit einer unglaublichen ökologischen Katastrophe gerechnet werden.

Hauptrisiko ist schlechtes Wetter

Nur wenige Firmen weltweit sind in der Lage, ein derart großes Schiff zu bergen. Smit Salvage ist einer der größten Schiffsbergungsspezialisten. Die Firma war unter anderem an der Hebung des verunglückten russischen Atom-U-Boots "Kursk" 2001 und der Bergung der im Ärmelkanal gesunkenen Fähre "Herald of Free Enterprise" 1987 beteiligt.

"Schlechtes Wetter ist im Moment das größte Risiko für die Umwelt. Hohe Wellen könnten das Schiff bewegen, dabei Beschädigungen anrichten, die dann zu Öllecks führen", fürchtet auch Alessandro Gianni von Greenpeace Italien. "Dämmbarrieren um das Schiff funktionieren nicht bei starkem Wellengang." Entscheidend für alle weiteren Maßnahmen wird es nämlich sein, das Wrack in der jetzigen Position zu stabilisieren. Das abgepumpte Öl wird dann kontinuierlich durch Wasser ersetzt, damit die Gewichtsverhältnisse an Bord gleich bleiben und es nicht zu unkontrollierten Bewegungen kommt. Sollte das Schiff schwanken oder gar in Richtung offenes Meer abrutschen, wären alle weiteren Maßnahmen ungleich aufwendiger und der Erfolg gefährdet.

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Infrarotvideo zeigt Evakuierung des Schiffs

"Komplizierteste Operation auf der Welt"

Im Prinzip ist das 114.000 Tonnen schwere Schiff nicht zu schwer, um es zu bewegen oder um es wieder flott zu machen. Die eleganteste und kostengünstigste Lösung wäre es, das Wrack wieder schwimmfähig zu machen. Solange die "Costa Concordia" an der Küste liegt, ist das nicht ausgeschlossen. "Wenn es irgendeine Chance gibt, den Schaden am Rumpf abzudichten, kann man das Schiff auspumpen und wieder aufrichten", sagte der Bergungsexperte Eyk-Uwe Pap vom Rostocker Unternehmen Baltic Taucher. Diese Lösung favorisiert auch Pier Luigi Foschi, Chef der Reederei Costa Crociere. Er sagte auf einer Pressekonferenz in Genua, er wisse noch nicht, ob man die "Costa Concordia" total abschreiben müsse - oder ob sie geborgen und wieder in Dienst gestellt werden könne.

Die Reederei hat inzwischen mehrere Firmen beauftragt, nach Lösungen zu suchen. Am kommenden Sonntag will sie entscheiden, wie weiter vorzugehen sei. "Das Wrack könnte mit Luftkissen aufgerichtet werden und von Schleppern bewegt werden, sobald wieder Wasser unter dem Kiel ist." Aber Foschi wies auch auf die Schwierigkeiten hin: "Das ist eine der kompliziertesten Operationen auf der Welt."

Bergung in einem Stück

Der fast fünfzig Meter lange Riss befindet sich in einer idealen Position für eine Reparatur. Er liegt oberhalb der Wasserlinie. Voraussetzung ist allerdings, dass sich keine großen Schäden auf der anderen Seite des Rumpfes befinden. Aber selbst wenn das eingedrungene Wasser abgepumpt und das Wrack um jeden Ballast erleichtert wurde, wird es nicht aus eigener Kraft das offene Meer erreichen können.

Das 290 Meter lange Schiff müsste in tieferes Wasser gezogen werden. Vermutlich der anspruchvollste Teil der Operation, schließlich darf dabei der Rumpf der "Costa Concordia" nicht zerbrechen. Luftkissen können für zusätzlichen Auftrieb sorgen. Joe Ferrell III, Experte von Resolve Marine Group, sagte zu "Discovery News", dass Luftkissen und das Freiblasen aller Ballasttanks allein nicht ausreichen werden. Das Wrack müsse wahrscheinlich mit Spezialketten, die 5000 bis 6000 Tonnen Zugkraft ertragen, und einer riesigen Winde bewegt werden.

Wenn es gelingt, das abgedichtete Wrack in tieferes Wasser zu bekommen, ist der Rest vergleichsweise ein Kinderspiel. Aufrichten würde sich der Gigant nämlich von allein. "Technisch ist das kein Problem", sagt Stefan Krüger, Schiffbauexperte an der TU Hamburg-Harburg. "Der flache, breite Rumpf bewirkt, dass sich ein Kreuzfahrtschiff selbst aus einer Neigung von 40, 50 Grad wieder aufrichtet." Das funktioniere jedoch nur bei einem reparierten Rumpf, betont Krüger.

Hochseeschlepper würden die "Costa Concordia" an ihr nächstes Ziel bringen. Das könnte entweder ein Schiffsfriedhof sein, auf dem der stolze Kreuzfahrer ausgeweidet und verwertet wird. Denkbar ist aber auch, das vergleichsweise neue Schiff - die Taufe war 2006 - zu überholen und wieder in Dienst zu stellen.

Letzte Möglichkeit: zerstückeln

Die Bergung in einem Stück wäre die Variante, die auch die Reederei wünscht. Reederei-Chef Foschi sagte, die angestrebten Lösungen würden sich nicht auf das Zerlegen des Wracks am Strand beziehen. Ausschließen wollte er diese Möglickeit aber nicht. "Dann wird das Schiff in bis zu 15 Teile zerschnitten, die jeweils 1000 bis 2000 Tonnen schwer sind", erklärt der Rostocker Experte Pap. Die einzelnen Abschnitte werden mit einem Großkran geborgen und per Schiff zur Entsorgung transportiert. Eine schnelle Lösung ist dann nicht in Sicht. Pap rechnet mit einer Dauer von ein bis zu drei Jahren.

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