Seit Mitternacht ist der Süden von Berlin und das angrenzende Brandenburg mit einem ungewöhnlichen Notfall konfrontiert: dort soll eine freilaufende Löwin unterwegs sein. Ein Twitter-Video zeigt ein Tier, das eine Löwin sein könnte, im Scheinwerferlicht eines Autos am Rande eines Dickichts. Laut Pressemitteilung der Polizeidirektion West in Brandenburg hat die Polizei das Handyvideo gesichtet, hält das Tier für eine Löwin und schätzt die geschilderte Situation als glaubwürdig ein.
Wie ein Polizeisprecher dem stern sagte, haben gegen 3 Uhr morgens auch zwei Polizisten von ihrem Streifenwagen aus das Tier auf etwa 20 Meter Entfernung gesichtet und bestätigt, dass es sich augenscheinlich um eine Löwin handelt. "Im Verlaufe des gesamten Donnerstags erreichten die Polizei und das zuständige Ordnungsamt wiederholt Bürgerhinweise, die systematisch geprüft wurden", heißt es in einer Pressemitteilung der Polizeidirektion West vom Donnerstagnachmittag. "Insgesamt gingen bei der Polizei Hinweise im zweistelligen Bereich ein. Bislang führte keiner der Hinweise zur Feststellung des gesuchten Wildtieres."
Schon seit der Nacht läuft die Suche nach dem Tier: "Hierzu waren zur Nachtzeit mehr als 30 Streifenwagen der Polizei Brandenburg im Einsatz. Zudem erfolgte die Einbeziehung von Polizeihubschraubern aus Berlin und Brandenburg sowie von Einsatzkräften der Polizei Berlin", heißt es in einer Pressemitteilung der Polizeidirektion. Tierärzte, Jäger und Veterinäre als fachliche Unterstützung seien ebenfalls beteiligt.
Herkunft der Löwin unklar
Unklar ist die Herkunft des Raubtieres, wie ein Sprecher der Polizei auf stern-Anfrage bestätigt. Es seien Zoos, Tierparks, Zirkusse und Tierschutzeinrichtungen überprüft worden. Dort wird der Polizei zufolge allerdings keine Löwin vermisst.
Das deutet darauf hin, dass das Tier von Privatleuten gehalten worden sein könnte. Doch eine Sprecherin des Veterinäramtes Potsdam-Mittelmark versicherte auf stern-Anfrage: "In unserem Landkreis gibt es keine Löwenhaltung." Ob es überhaupt eine Melde- oder Genehmigungspflicht in Brandenburg für Löwen gibt, konnte sie allerdings nicht beantworten.
Eine Anfrage des stern beantwortet das zuständige Landesamt für Umweltschutz (LfU) in Potsdam: "In Brandenburg gibt es keine Gefahrtier-Verordnung, die das Halten von Raubkatzen umfasst und ähnlich wie die Hundehalterverordnung Ge- und Verbote ausspricht. Die Gefahrenabwehr ist Sache des Innenministeriums, der Polizei bzw. der Ordnungsämter." Im Tierbestandsverzeichnis des LfU seien in Brandenburg 23 Löwen aus drei Zirkusunternehmen, zwei Zoos sowie einer privaten Haltung erfasst. "Der Polizei wurden die Kontaktdaten im Rahmen der Amtshilfe übermittelt."
Tierschützer fordern klare Gesetze
Auch die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" geht laut einer Pressemitteilung von privater Haltung des Tiere aus. "Vorfälle wie diese ließen sich vermeiden, wenn es endlich bundesweit einheitliche Regelungen in Bezug auf die Privathaltung und den Handel von exotischen Tierarten geben würde", sagte Nadine Ronco Alarcón, Referentin für Bundespolitik bei der Organisation. Es gebe schlicht Arten, die nicht für die private Haltung geeignet seien.
Gesundheitsvorsorge bei Großkatzen – Löwin Julie bekommt "das volle Programm"

Auch "Pro Wildlife" fordert: "Aktuell arbeitet das Bundeslandwirtschaftsministerium an einer Überarbeitung des Tierschutzgesetzes. Das ist die Gelegenheit, eine Positivliste für Haustiere festzulegen. Diese würde regeln, welche Tiere sich überhaupt für die Privathaltung eignen und welche nicht", sagte Katharina Lameter von der Wildtierschutz-Organisation.
Der Bürgermeister der Gemeinde Kleinmachnow, Michael Grubert (SPD), hat die Bürger angesichts der Suche nach einem entlaufenen Wildtier zur Vorsicht aufgerufen. Panik sei aber nicht angebracht, sagte er "rbb24" am Donnerstagvormittag. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem gesuchten Tier um eine Löwin handelt.

Sehen Sie im Video: Hier äußern sich Polizei und Bürgermeister zur Suche nach freilaufender Raubkatze.
Bürgermeister von Kleinmachnow rät zu Vorsicht
Die Bürgerinnen und Bürger sollten ihre Aktivitäten außerhalb des Hauses zurückfahren, sagte Grubert. "Ich würde nicht joggen", nannte er ein Beispiel. Kinder sollten auch nicht mit dem Rad rausfahren. Er gehe aber davon aus, dass für die Bürger in der Gemeinde Kleinmachnow keine direkte Gefahr herrsche und die Polizei die Lage im Griff habe.
Grubert sagte "rbb24", nach seinen Informationen werde alles getan, um die Löwin zu betäuben aber nicht zu töten. "Das wäre nur der äußerste Notfall."
Hinweis: Dieser Text wurde mehrfach aktualisiert.
Quellen: Polizeidirektion West, Umweltministerium Brandenburg, DPA, "Vier Pfoten", "Pro Wildlife".