Der Kabarettist Dieter Hildebrandt (80) hat die Berichterstattung über seine NSDAP-Mitgliedschaft im Nachrichtenmagazin "Focus" als "Rufmord" bezeichnet. "Erst habe ich mir gedacht, ich nehme einen Anwalt und verklage die wegen Ruf- und Berufsschädigung", sagte Hildebrandt in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). "Aber so einen Prozess gewinnt ja keiner." Im "Deutschlandradio Kultur" nannte der 80-Jährige die Enthüllung eine "vorsätzliche Rufschädigung" und "prozessabel".
Das Nachrichtenmagazin hatte berichtet, Hildebrandt sowie die Schriftsteller Siegfried Lenz und Martin Walser seien 1944 in die Nazipartei eingetreten. Das Bundesarchiv in Berlin bestätigte, dass entsprechende Dokumente aus der Zentralkartei der Partei vorliegen. Die damals 17 und 18 Jahre alten Autoren bestreiten jedoch vehement, einen entsprechenden Aufnahmeantrag unterschrieben oder von der Mitgliedschaft gewusst zu haben.
Focus ist sich keiner Schuld bewusst
Ein "Focus"-Sprecher sagte am Dienstag: "Wir bleiben bei unserer Darstellung." "Focus" habe journalistisch sauber gearbeitet und das Bundesarchiv zitiert. "Die Redaktion wundert sich sehr über die absurden Äußerungen von Herrn Hildebrandt. Wir machen ihm keinen Vorwurf, sondern berichten nur über die Fakten", betonte der Sprecher.
Hildebrandt bekräftigte, dass er von einem NSDAP-Aufnahmeantrag nichts gewusst und auch nichts unterschrieben habe. "Aber ich habe immer offengelegt, dass ich in der Hitlerjugend war. Und ich habe meine Militärzeit stets genau beschrieben", sagte er der "SZ".
Wolfgang Wippermann, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin, sagte im "Deutschlandradio Kultur", es gebe keinen dokumentarischen Beweis für die Vermutung, dass Hitlerjungen ohne Wissen und Zutun in die NSDAP aufgenommen worden sind. Mehrere Historiker hatten zuvor nicht ausgeschlossen, dass es gegen Kriegsende Massenrekrutierungen und Sammelanträge für die Nazipartei gegeben habe. "Die Mitgliedsausweise aus dem Bundesarchiv sind zweifellos echt und nicht gefälscht", erklärte Wippermann.
Der Schriftsteller und Dramatiker Rolf Hochhuth ("Der Stellvertreter") kritisierte den Umgang mit seinen Autoren-Kollegen: "Wir Deutschen haben uns seit der Nazi-Zeit nicht geändert. Wir sind geblieben, was wir unter unserem "Führer" waren: die Nation der Denunzianten", sagte der 76-Jährige der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Bei der Darstellung der NS-Zeit würden die Umstände, die zum Verständnis mindestens ebenso wichtig seien, nicht mitgeliefert, kritisierte Hochhuth. Dadurch entstehe ein falsches Bild der Vergangenheit.