Doppelmoral beim Spenden "Scheiß auf die Armen"

Arme Menschen beleidigen? Geht gar nicht! Aber Helfen ist offenbar auch nicht besonders angesagt. Die Organisation "Pilion Trust" macht auf diese Doppelmoral aufmerksam - mit einem Experiment.

Zunächst könnte man die Aktion der britischen "Pilion Trust"-Hilfsorganisation für einem makabren Scherz von Londoner Bankern halten: Ein Mann steht mit einem großen Schild mit der Aufschrift "Fuck the Poor", zu Deutsch: "Scheiß auf die Armen", in der Innenstadt Londons und verteilt Flyer. Natürlich erregt so ein Statement Aufmerksamkeit und zwar keine der positiven Art. Das bekommt auch der Aktivist auf der Straße zu spüren: "Das ist ekelhaft!", empört sich eine Fußgängerin. "Ist das ein Scherz?" und "Haben sie kein Herz?" fragen andere Leute im vorbeigehen. Man bekommt kurzzeitig sogar Angst um die Sicherheit des Schildträgers.

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Doch die Aktion hat einen tieferen Zweck als reine Provokation: Sie soll auf die stetig schrumpfenden finanziellen Mittel aufmerksam machen, unter denen viele britische Hilfsorganisation in den letzten Jahren leiden. Deshalb dreht der Mann auch im Laufe des Experimentes sein Schild um, auf dem nun steht: "Helft den Armen". Nachdem die Passanten die Armen zunächst so vehement gegen eine offensichtliche Beleidigung verteidigt hatten, könnte man nun auf eine ebenso leidenschaftliche Unterstützung hoffen - in Form von Spenden. Doch die Hoffnung erfüllt sich nicht. Keiner bleibt stehen, keiner gibt Geld.

Der Geschäftsführer von "Pilion Trust", das sich für Obdachlose in Großbritannien engagiert, erklärte auf der Webseite der Organisation: "Als eine Hilfsorganisation die von den landesweiten Rückgängen an Spenden (20 Prozent) und finanzieller Unterstützung durch die Regierung (60 Prozent) schwer getroffen wurde, verstehen wir, dass einige Menschen das Video als beleidigend empfinden. Allerdings empfinden wir es als noch schlimmer, dass so viele Menschen in Großbritannien in extremer Armut leben müssen." Das soziale Experiment zeigt eines deutlich: Das Problem zu bemängeln, ist eine Sache, wirklich zu helfen, eine ganz andere.

Alexander Meyer-Thoene

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