Kardinal Joseph Ratzinger, einer der mächtigsten Männer im Vatikan, lancierte vor einiger Zeit eine echte Überraschung. Er würde sich freuen, wenn ein Afrikaner nächster Papst würde. "Das wäre ein schönes Zeichen für die ganze Christenheit", sagte der 75-Jährige der Berliner Zeitung "Die Welt". Die Äußerung ist bemerkenswert: Zum einen meinte Ratzinger noch vor Jahren, die Zeit sei "nicht reif" für einen Afrikaner auf dem Stuhl Petri. Zum anderen haben die Worte des Bayern in dieser Frage Gewicht: Er soll es nämlich gewesen sein, der im Oktober 1978, gemeinsam mit dem Wiener Kardinal Franz König, die Wahl Karol Wojtylas zum Papst einfädelte.
Gute Aussichten für einen Lateinamerikaner
Der nächste Papst ein Afrikaner? Sicher ist das keineswegs. Viele im Vatikan meinen, es sei sogar eher unwahrscheinlich. Glaubt man den Auguren, wird es eher ein Lateinamerikaner; schließlich leben über die Hälfte der 1,4 Milliarden Katholiken derzeit im südlichen Amerika. Andere Insider im Kirchenstaat wiederum tippen, die größten Chancen hat diesmal wieder ein Italiener. Die italienischen Kardinäle hätten nach wie vor die größte Hausmacht, zudem hätten vor der Wahl des Polen Wojtyla über 400 lange Jahre lang ausschließlich Italiener auf dem Stuhl Petri gesessen - es gäbe fast schon Gewohnheitsrecht.
Neu sind solcherart Spekulationen und Rechnereien nicht. Dabei hat Johannes Paul II. in einem päpstlichen Schreiben eigens klargemacht, dass jedwedes Gekungel und Gemauschel über einen neuen Mann unziemlich sei. Ganz und gar verboten sind vor einer Papstwahl alle Arten von Beratungen, Abmachungen oder gar Wahlversprechungen. Schließlich sollen sich die Kardinäle bei der Wahl des 265. Mannes an der Spitze der römisch-katholischen Kirche ausschließlich von "Gottes Willen" leiten lassen. Das macht Vorhersagen so schwierig.
"Progressive" so gut wie chancenlos
Trotz Spekulationen und Gekungel: Wenn die Kardinäle zum feierlichen und streng abgeschirmten Konklave in die Sixtinische Kapelle einziehen - dann ist der Ausgang völlig offen. Nur eines ist sicher: Auch der neue Stellvertreter Christi auf Erden wird ein Konservativer sein - eher Progressive wie etwa der Mainzer Kardinal Karl Lehmmann haben so gut wie keine Chancen. Denn den Löwenanteil der derzeit 124 wahlberechtigte Kardinäle (unter 80 Jahre) hat der Konservative Karol Wojtyla berufen; eher fortschrittliche Gottesmänner sind Seltenheit.
Ziemlich unwahrscheinlich ist auch, dass ein Deutscher zum Papst wird. Zwar gibt es derzeit sieben wahlberechtigte Deutsche in eine Konklave, darunter der angesehene und auf Ausgleich bedachte Walter Kaspar (69). "Doch im Vatikan ist Deutschland noch immer das Land Luthers", meint ein Insider. Zudem hat der Konflikt wegen der Schwangeren-Konfliktberatung die Deutschen ins Gerede gebracht.
Als "heißer" Kardinat aus Afrika wird immer wieder der Nigerianer Francis Arinze (69) genannt. Als Pluspunkt gilt, dass er Erfahrung in der Auseinandersetzung mit dem Islam hat; die Expansion des Islam gilt unterdessen als eines der schwierigsten Themen der Zukunft. Allerdings wird er schon so viele Jahre als "papabile" gehandelt, dass einige meinen, seine Chancen seien mittlerweile am Sinken. Nur 10 weitere wahlberechtigte Kardinäle sind Afrikaner.
"Star" aus Honduras zu jung
Als "neuer Star" dagegen gilt Oscar Rodríguez Madariaga (59) aus Honduras. Eher hat allerdings den Nachteil, zu jung zu sein. Nach dem über 20-jährigen Pontifikat Wojtylas sehne sich die Kirche nach einem "Übergangspapst". Erst nach diesem könnten die großen Reformen angegangen werden. Weitere Favoriten aus Südamerika seien Castrillón Hoyos (72) aus Kolumbien und der Brasilianer Lucas Moreira Neves (76), doch der soll schwer krank sein.
58 wahlberechtigte Kardinäle kommen aus Europa, die stärkste Hausmacht stellen mit 20 Kardinälen nach wie vor die Italiener. Sie favorisieren etwa den einflussreichen Kurienkardinal Giovanni Battista Re (68), Ex-Vatikandiplomat im Iran und enger Vertrauter des derzeitigen Papstes. Das Problem: Viele Kardinäle, die seit langem als "papabile" gelten, sind mittlerweile zu alt geworden - denn trotz Krankheit und Spekulationen hält sich der alte Pole auf seinem Posten.