Ein halbes Jahr nach dem Überfall auf das Containerschiff MS "Taipan" hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen die zehn mutmaßlichen Piraten aus Somalia erhoben. Ihnen wird ein Angriff auf den Seeverkehr und erpresserischer Menschenraub vorgeworfen, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, am Dienstag in Hamburg sagte.
Die somalischen Staatsbürger sollen am 5. April den unter deutscher Flagge im Indischen Ozean fahrenden Frachter der Hamburger Reederei Komrowski gekapert haben. Das Verfahren vor dem Landgericht soll noch in diesem Jahr beginnen. "Damit kommt es erstmals seit Jahrhunderten in der Hansestadt wieder zu einem Strafverfahren gegen mutmaßliche Piraten", sagte Möllers.
Das Schiff war Ostern auf dem Weg von Haifa nach Mombasa etwa 500 Seemeilen vor der Küste Somalias attackiert worden. Nach einem Anti-Piraten-Einsatz eines niederländischen Spezialkommandos war die Crew nach Stunden wieder freigekommen. Der Reeder, der Kapitän und ein Mitglied der 15-köpfigen Besatzung der "Taipan" waren Deutsche. Die weiteren Crewmitglieder stammten aus Russland, der Ukraine und Sri Lanka.
Die schwer bewaffneten Piraten operierten von einem Mutterschiff im Seegebiet östlich des Horns von Afrika aus, wo sie die "Taipan" unter Gewehrfeuer und mit Enterleitern aufbrachten, wie Oberstaatsanwalt Möllers sagte. Die Piraten hätten in der Absicht gehandelt, die Besatzung gefangen zu nehmen und ein Lösegeld für deren Freilassung zu erpressen. Die Seeleute flüchteten jedoch unmittelbar nach dem Entern des Containerschiffs in einen besonders gesicherten Raum, von dem aus der deutsche Kapitän einen Notruf absetzte.
Weil es den Piraten laut Staatsanwaltschaft bereits gelungen war, den Kurs des Schiffes zu ändern, wurde zudem die gesamte Energieversorgung der "Taipan" von der Besatzung unterbrochen. "Durch den entschlossenen Einsatz von Soldaten der niederländischen Fregatte 'Tromp' konnten Besatzung und Schiff nach einem kurzen Schusswechsel befreit und die Beschuldigten festgenommen werden", sagte Möllers.
In der Folge hatte das Amtsgericht Hamburg auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen die zehn Seeräuber erlassen. Die Männer waren Anfang Juni nach Deutschland ausgeliefert worden und sitzen seither in Untersuchungshaft. Bei den Verdächtigen handelt es sich um sieben Erwachsene, zwei Heranwachsende und einen Jugendlichen. Der Älteste ist 1962 geboren, der Jüngste etwa 1993. Sie haben sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Nach Angaben von Ralf Wiechmann vom Museum für Hamburgische Geschichte lässt sich nur schwer ermitteln, wann es den bislang letzten Seeräuber-Prozess in Hamburg gab. Zurückverfolgen lasse sich jedoch, dass Gerichtsverfahren gegen Seeräuber um 1600 deutlich abnahmen. Zwischen 1390 und 1600 sollen in der Hansestadt mindestens 533 Freibeuter hingerichtet worden sein. Die letzten Hinrichtungen von Piraten auf dem Grasbrook, auf dem um 1400 auch der Seefahrer Klaus Störtebeker geköpft wurde, habe es 1624 gegeben, sagte der Historiker.
Die Verhandlung gegen die zehn Somalier vor der Großen Strafkammer 3 des Landgerichts soll noch in diesem Jahr beginnen. Die Anklage wurde bereits am 21. September erhoben. Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten bis zu 15 Jahre Haft.
Komrowski-Geschäftsführer Roland Höger hat bereits im Sommer betont, dass er im Fall einer Verurteilung kaum mit einer abschreckenden Wirkung rechnet. Stattdessen forderte er wiederholt ein schärferes Vorgehen gegen Piraterie vor der Ost- und West-Küste Afrikas sowie einen besseren Schutz an Bord deutscher Schiffe.