Ausgerissene Bäume, Äste und Laub türmen sich am Donnerstag zwischen demolierten Autos zu meterhohen Bergen auf. Der Weg in die Stadt gestaltet sich für viele Pendler wie eine Odyssee. Das Unwetter in Berlin und Brandenburg hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Innerhalb von Minuten hatte sich am Mittwochabend der Himmel verfinstert, die Temperatur fiel schlagartig von mehr als 30 auf etwa 15 Grad. Der Wetterdienst warnte zwar vor Sturm und Regen, aber mit einer solchen Naturgewalt hatte keiner gerechnet. Sieben Menschen kamen ums Leben, vier in Berlin und drei in Brandenburg.
Noch gegen 18.00 Uhr am Mittwochabend sind die Biergärten in der Mitte Berlins gut besucht bis überfüllt. Die Gäste sehnen sich nach einem Lüftchen. Schwüle Hitze liegt über der Stadt. Eine Stunde später verdunkeln schwere, tiefgraue Regenwolken den zuvor strahlend blaue Himmel. Im nächsten Moment werden auf dem Platz vor der Gedächtniskirche große Sonnenschirme mit schweren Betonstützen durch die Gegend gewirbelt.
Vor dem nahenden Gewitter flüchten die Menschen am Bahnhof Friedrichstraße in die U- und S-Bahnen. »Verehrte Fahrgäste, wegen schwerer Unwetterschäden muss der gesamte Nord-Süd-Verkehr bis auf weiteres eingestellt werden«, sagt die Stimme über Lautsprecher auf dem Bahnsteig. In kurzer Zeit drängen sich Hunderte von wartenden Fahrgästen auf dem Bahnsteig. Auf den Schienen bewegt sich gar nichts mehr. »Wie komme ich jetzt nach Hause? - meine Familie wartet, meine Kinder sind mit dem Fahrrad unterwegs«, sorgt sich eine Frau. Vor den Warteplätzen der Taxis bilden sich schnell Menschenschlangen.
Kaum eine Straße wird verschont. Der Orkan reißt Zäune ein und wirbelt Bäume durch die Luft. Viele Ausflügler und Schrebergärtner versuchen ihre Autos zu erreichen - und stellen fest, dass sie in umgestürzten Bäumen verkeilt sind. An Baustellen stürzen armdicke Latten zu Boden, Radfahrer werden von ihren Rädern gedrückt. An den Brunnen der Stadt wie am Alexanderplatz reißt der Wind die Fontänen meterweit zur Seite.
Sirenen, Blaulichter und Alarmanlagen
Überall Sirenen und Blaulichter der Einsatzkräfte und heulende Alarmanlagen, die durch den Sturm ausgelöst wurden. Vor vielen Häusern stehen Feuerwehren, die Keller auspumpen oder Hausbewohner, die Wassereimer schleppen. Die Feuerwehr muss auch Gaslaternen abklemmen, die von Ästen beschädigt wurden.
Im Norden und im Südwesten Berlins wütet der Orkan mit bis zu 152 Kilometern pro Stunde am heftigsten. Auf der Wannsee-Insel Schwanenwerder werden zwei Jugendliche von umstürzenden Bäumen erschlagen. Die Menschen werden von dem Unwetter überrascht. Auf den Stadtautobahnen und vielen Straßen schieben sich Autofahrer im Schritttempo an Hindernissen vorbei, sofern die Straßen nicht völlig blockiert waren. Die Helfer zählen bis zum Donnerstagmorgen mehr als 2000 Einsätze - für die Feuerwehr gilt der Ausnahmezustand.
Feuerwehr und Technisches Hilfswerk sind auch am Donnerstag den ganzen Tag unterwegs. Zu leiden hat auch der S-Bahn-Verkehr. Bis in den Donnerstagmorgen sind wichtige Linien wegen umgestürzter Bäume unterbrochen. Zahlreiche Menschen warten im Regen auf Busse. Während die Sonne am Donnerstag wieder das Wetter bestimmt, werden viele Helfer noch Tage zu tun haben, entwurzelte Bäume zu beseitigen und die mit Laub und Ästen übersäten Straßen zu reinigen.
Gerald Mackenthun