Anschlag in Toulouse Attentäter trug beim Töten eine Kamera

Ermittler jagen den Attentäter, der in Toulouse vier Menschen erschossen hat. Der französische Innenminister äußerte sich jetzt zu der Kamera, die der Motorrollerfahrer offenbar zur Tat mitnahm.

In Frankreich ist am Dienstag landesweit in allen Schulen der Opfer des blutigen Anschlags auf eine jüdische Schule in Toulouse mit einer Schweigeminute gedacht worden. Präsident Nicolas Sarkozy hatte sie am Vortag angeordnet und für die betroffene Region die höchste Alarmstufe eines Anti-Terrorismus-Plans ausgelöst. Damit werden ab sofort Militärs und Polizisten an allen öffentlichen Plätzen patrouillieren, zudem wird die kommunale Polizei bewaffnet. Alle jüdischen und muslimischen Einrichtungen werden besonders gesichert.

Sarkozy selbst nahm demonstrativ in der Pariser Schule François Couperin an der Schweigeminute teil. Wir teilen den Schmerz der Angehörigen", betonte die Schulleiterin in Gegenwart von Sarkozy und Bildungsminister Luc Chatel. Die Schüler sollten über den Wert des Lebens und auch die Werte der Republik nachdenken. "Alle Schüler, wir alle, sind betroffen über das, was passiert ist. (...) Diese Kinder sind wie ihr, die Opfer sind unschuldig", sagte Sarkozy. Die gesamte Nation fühle sich solidarisch mit den Angehörigen der Opfer. Es würde alles getan, um den Täter dingfest zu machen.

Dem Innenminister zufolge beobachtete ein Augenzeuge am Montag, dass der Todesschütze eine kleine Kamera an einem Band um den Hals gehängt hatte. "Ich weiß nicht, was er filmte", sagte Guéant. Bei dem unbekannten Serienkiller handelt es sich nach Angaben von Sarkozy um denselben Täter, der nur wenige Tage zuvor auch insgesamt vier Soldaten getötet hatte. Drei der Soldaten hatten Wurzeln in Nordafrika, einer war ein Schwarzer. Jedes Mal beschrieben Zeugen den Täter als einen schwarz gekleideten Mann, der auf einem Motorroller geflüchtet war.

Tausende kommen zur Trauerfeier in Pariser Synagoge

Guéant sagte, das Risiko weiterer Anschläge sei nicht auszuschließen. Das Gefühl des Täters, bei allen drei Anschlägen problemlos davongekommen zu sein, stärke sein Selbstvertrauen. "Wir wissen bis heute nicht, wer er ist; soweit sind wir noch nicht", zitierte die Nachrichtenagentur AFP den Minister am Dienstag.

Mehr als 1000 Menschen kamen an Montagabend zu einer Feier in eine Pariser Synagoge. Unter den Teilnehmern waren Präsident Nicolas Sarkozy, sein sozialistischer Herausforderer bei den Präsidentenwahlen, François Hollande, sowie mehrere Minister.

Eine Demonstration von mehreren tausend Trauernden, die der Verband jüdischer Studenten in Frankreich organisiert hatte, führte vom Platz der Republik zur Bastille. Viele der meist jungen Teilnehmer schwenkten zum Zeichen der Einheit französischen Fahnen, berichteten Medien am späten Abend.

Einer der mörderischsten Anschläge seit Jahrzehnten

Vor Beginn des Unterrichts hatte der Täter am Montagmorgen vor der Ozar-Hatorah-Schule auf einen 30-jähriger Religionslehrer und seine beiden Kinder im Alter von drei und sechs Jahren geschossen, wie Staatsanwalt Michel Valet mitteilte. Das dritte Opfer war nach den Angaben zehn Jahre alt. Ein 17-Jähriger wurde schwer verletzt.

Mit derselben großkalibrigen Waffe waren schon am 11. und 15. März zwei Anschläge auf Soldaten in Toulouse und in Montauban verübt worden. Der Täter habe auch denselben, als gestohlen gemeldeten PS-starken Motorroller für seine Flucht genutzt, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Ermittler. Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Terrorismus.

Die Tat gilt als einer der mörderischsten Anschläge auf eine jüdische Einrichtung seit drei Jahrzehnten, als ein Überfallkommando im jüdischen Viertel in Paris in der Rue des Rosiers in einem Restaurant sechs Menschen tötete.

Innenminister verurteilt Tat als antisemitisch

Die Anschläge bringen das Thema Innere Sicherheit im laufenden Präsidentenwahlkampf nach oben auf die Tagesordnung. Sarkozy hatte zuletzt rechtspopulistische Töne angeschlagen und vor zu vielen Ausländern im Land gewarnt.

Bei der Tat am Montagmorgen kurz vor Unterrichtsbeginn schoss der Unbekannte nach unbestätigten Berichten aus zwei Waffen um sich. Er eröffnete in dem Wohnviertel unvermittelt das Feuer auf eine Gruppe von Eltern und Schülern. Einige Kinder verfolgte er bis aufs Schulgelände.

Innenminister Claude Guéant verurteilte die Tat nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP als antisemitisch. Er will die Ermittlungen zunächst vor Ort koordinieren. In der Region geht nun die Angst vor weiteren Anschlägen um. Der Bürgermeister von Toulouse, Pierre Cohen, verwies im TV-Nachrichtensender BFM auf die Kaltblütigkeit des Täters. "Wir sind extrem beunruhigt", sagte er.

Leichen der Opfer werden nach Israel geflogen

Vertreter jüdischer Gemeinden und der jüdische Weltkongress äußerten sich schockiert. Das israelische Außenministerium sprach von Entsetzen über die Nachrichten. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Außenminister Guido Westerwelle verurteilten den Anschlag. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am späten Montagabend mit, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Sarkozy ihr Mitgefühl nach dem Anschlag von Toulouse und den Soldatenmorden übermittelt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat scharf und sprach den Familien der Opfer und der jüdische Gemeinschaft sein tiefes Beileid aus.

Eine Sprecherin des Zentralrats der Juden in Frankreich (Consistoire central) bestätigte, dass die Leichen der vier erschossenen Opfer des Anschlags auf die jüdische Schule am Abend nach Israel geflogen werden sollen. Dort sollen sie beerdigt werden.

DPA
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