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Gefloppter Riesenjet Airbus A380 Ex-Airbus-Manager John Leahy über die A380: "Wir haben klar einen Designfehler gemacht"

Ex-Airbus-Vorstandsmitglied John Leahy
Ex-Airbus-Vorstandsmitglied John Leahy
© Airbus
Der Amerikaner John Leahy hat in seinem Berufsleben mehr als 15.000 Verkehrsflugzeuge verkauft. Im Ruhestand benennt er im Gespräch mit Andreas Spaeth die drei Kardinalfehler, warum der Airbus A380 ein finanzieller Flopp wurde.

John Leahy gilt als Branchenlegende und bester Flugzeugverkäufer aller Zeiten. Der heute 70-Jährige begann 1985 seine Karriere beim europäischen Flugzeugbauer bei Airbus North America. Seine Aufgabe war es, den damals für Airbus beinahe verschlossenen US-Markt zu knacken, was Leahy gelang.

1994 wechselte er in die Zentrale nach Toulouse und wurde als Chief Commercial Officer der oberste Airbus-Verkäufer. Er hatte diese Position bis Ende 2017 inne und überdauerte dabei fünf Airbus- und sieben Boeing-Verkaufschefs. Seinem Ehrgeiz verdankte Airbus das erstmalige Erreichen von über 50 Prozent Marktanteil ab 1999.

Der Airbus A380 lag Leahy besonders am Herzen. Er verschob sogar seine für 2017 geplante Pensionierung, um persönlich den entscheidenden Folgevertrag mit Emirates über weitere A380-Bestellungen und den Fortbestand der Produktion zu sichern. Das gelang ihm Anfang 2018, bevor die Beendigung der A380-Produktion verkündet wurde. Die letzte Maschine diesen Typs mit der Fertigungsnummer MSN272 hat die Werkshallen in Toulouse bereits verlassen.

War die A380 die größte Herausforderung Ihrer Karriere?

John Leahy: Aus kommerzieller Sicht war die A380 auf jeden Fall eine große Herausforderung, vor allem weil die Airlines sich in das Design des Flugzeugs einmischten. Etwa Singapore Airlines, die damit die Lärmstandards von London-Heathrow erfüllen wollten, was wiederum extra Gewicht bedeutete. Wir haben das Flugzeug zu schwer gemacht, das war ein Fehler in der Design-Philosophie. Wir dachten wir würden bald eine gestreckte A380-900 bringen. Dabei hätten wir uns bei der Flugzeugstruktur auf das beschränken sollen, was wir zu dem Zeitpunkt brauchten. Und sie haben nochmal extra Gewicht eingebaut, weil sie einen Frachter wollten. Aber die optimalen Frachter sind gerade die, die nicht zusätzliches Gewicht mit sich herumschleppen. Da haben wir klar einen Designfehler gemacht.

Wann begannen die Probleme mit der A380?

Wir bekamen ernsthafte Schwierigkeiten, als uns die Triebwerkshersteller überrumpelt haben. Sie hatten uns versichert, dass der spezifische Spritverbrauch derjenige von Triebwerken der neuen Generation sei und dass es zehn Jahre bis zum nächsten Quantensprung mit spürbarer Verbesserung dauern würde. Wir haben das A380-Programm 2000 gestartet, aber schon drei Jahre später begann Boeing die 787 mit den GEnx-Triebwerken und den Trent 1000 von Rolls Royce zu entwickeln, die beide einen um zehn bis zwölf Prozent besseren spezifischen Spritverbrauch aufwiesen als die Motoren der A380. Können Sie sich den Erfolg der A380 vorstellen mit einem um zwölf Prozent besseren Treibstoffverbrauch als sie ihn tatsächlich hatte?

Hätte das die A380 zu einem Erfolg gemacht?

Das hätte alle Arten von Problemen gelöst. Mit den langen Entwicklungszeiten für neue Antriebe mussten die Triebwerksfirmen wissen, dass sie gerade für Boeing eine neue Motorengeneration entwickelten, die bald herauskommen würden. Alle unsere Ingenieure wurden überrumpelt. Deshalb sind wir auch am Anfang um die A350 herumgestolpert, weil wir nicht wussten, dass sie eine 787 anbieten können mit einer um zehn, zwölf oder sogar 15 Prozent höheren Treibstoffeffizienz und einer neuen Triebwerksfamilie. Und all das wurde auch noch angekündigt, bevor wir überhaupt die Flugtests mit der A380 begonnen hatten.

Haben Sie das später gegenüber den Triebwerksherstellern angesprochen?

Ja, aber die haben Ausflüchte gesucht. Die Leute haben gesagt: "Also ich war daran nicht beteiligt. Wir dachten, dass Boeing den Sonic Cruiser macht mit einem anderen Triebwerk. Als sie sich entschieden stattdessen mit der 787 auf Unterschallflüge zu setzen, gab es auf einmal diese neue Triebwerksserie." Die hatten sie tatsächlich, und nicht nur GE, sondern auch Rolls-Royce. Also hatten beide Wettbewerber, auf beiden Seiten des Atlantiks, etwas in der Hinterhand, das zehn, zwölf oder 15 Prozent höhere Treibstoffeffizienz aufwies als die A380. Das hätte alles verändert, hätten wir einfach zwei oder drei Jahre gewartet und dann diese Motoren an die A380 gehängt.

Bis zu welchem Zeitpunkt dachten Sie als Verkäufer, dass eine kommerziell erfolgreiche A380 noch möglich gewesen wäre?

Ich glaube, dass das am Anfang möglich war, also etwa 1999/2000. Darum habe ich mit den Airlines gearbeitet, um das Programm zu starten, und ich habe positive Rückmeldungen bekommen, die mochten das Flugzeug. Die wussten, die Boeing 747 war alt und eine neue Generation würde kommen, und sie wollten dabei sein. Also ja, am Anfang dachten wir wirklich, wir hätten die richtige Formel. Als die Boeing 787 mit jenem spezifischen niedrigen Treibstoffverbrauch herauskam, begann ich mir Sorgen zu machen. Und ich machte mir auch Sorgen als sie die Boeing 747-8 herausbrachten. Hätten wir diese Motoren für die A380 zu diesem Zeitpunkt gehabt, dann weiß ich, das hätte uns vor den großen Zweistrahlern geschützt. Aber sogar mit dem Nachteil bei der Triebwerkstechnologie konnten die Twins nicht konkurrieren, wenn die A380 zu 85 oder 95 Prozent besetzt war. Aber das ist eine sehr kleine Gewinnspanne für ein großes Flugzeug, das schwierig zu füllen ist. Hätten wir diesen besseren Treibstoffverbrauch gehabt, dann hätte die A380 auch mit einer Auslastung von 65 oder 70 Prozent sehr erfolgreich sein können.

Dieses Defizit zusammen mit der verspäteten Einführung genau zum Beginn der Finanzkrise 2008 ergab einen extrem ungünstigen Start?

Ja, es war der perfekte Sturm. Hätten wir die A380 wie angekündigt 2005 im Dienst gehabt oder wäre sie 2007 zumindest mit besserer Treibstoffeffizienz ausgeliefert worden mit neuer Triebwerksgeneration, wäre das vor der Finanzkrise gewesen. Dann wäre die A380 besser in Gang gekommen. Aber wie die Dinge liefen mussten die Airlines ausgerechnet während der Finanzkrise ihre Flotten erweitern, als der Geschäftsreiseverkehr stagnierte, was der Branche schadete. Die Finanzierung war ohnehin schon schwierig genug, und das Auftauchen des brandneuen größten Verkehrsflugzeugs der Welt machte es dann noch schwieriger. Ja, diese zwei oder drei zusätzlichen Jahre an Verspätung des Programms allein erwiesen sich als tödlich. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit beim Treibstoffverbrauch war auch Teil des perfekten Sturms. Und dann wurde das Projekt als nächstes von hohen Treibstoffpreisen getroffen, das war sogar sehr, sehr tödlich. Das kam alles zur gleichen Zeit hoch.

Wann begann Ihr Glaube an die A380 ernsthaft zu bröckeln?

Das war erst einige Jahre nach dem Beginn der Liniendienste. Die A380 hätte von Anfang an die gestreckte A380-900 sein sollen, dann wären die Dinge viel besser gewesen. Als wir 2006 merkten, dass wir das Flugzeug nicht pünktlich fertigbekommen war auch klar, dass wir den Frachter nicht würden bauen können, wir hatten einfach zu viel auf einmal zu bewältigen und mussten ihn streichen. Trotz der Verzögerung und ihrem Recht, ihre Bestellungen zu stornieren, blieben alle Airlines an Bord, obwohl einige wirklich sauer auf uns waren. Damals habe ich gedacht, wir haben etwas, das die Airlines wirklich wollen. Als wir dann ab 2007 endlich die A380 ausliefern konnten wurde offensichtlich, dass wir Qualitätsprobleme hatten. Aber insgesamt dachte ich damals noch, wir könnten das Programm zum Erfolg führen.

War es im Rückblick ein Fehler von Airbus, die A380 zu bauen?

Der Fehler war, dass sie es nicht richtig hinbekommen haben. Es war nicht der Fehler zu sagen, ihr habt das Hub and Spoke-Zeitalter verpasst, weil jetzt alle Punkt-zu-Punkt fliegen wollen. Das ist absolut falsch. Fehler Nummer eins war es, die falschen Triebwerke zu haben und damit einen zwölf Prozent höheren Spritverbrauch. Fehler Nummer zwei war, dass jeder im Hinterkopf hatte, dass die A380-900 wenige Jahre nach der A380-800 herauskommen würde. Deshalb hatten wir ein Flugzeugdesign, das für die A380-800 zu schwer sein würde, damit die -900 dann das Optimum sein könnte. Fehler Nummer drei war, dass es zwischen den Designteams in Deutschland und Frankreich zu viel Konfusion kam. Das trieb die Produktionskosten hoch und verringerte die Zuverlässigkeit bei den Airlines. Wenn Sie fragen, mit allem, was wir jetzt wissen, hätten wir die A380 bauen sollen so wie sie ist? Natürlich nicht. Hätten wir all die Fehler vermieden, die ich genannt habe, hätten wir ein absolutes Gewinner-Flugzeug gehabt. Es wäre 15 Prozent besser gewesen als eine A350 und vielleicht sogar 20 Prozent besser als die 787. Und wir hätten viel weniger Punkt-zu-Punkt-Flüge, weil die Leute einen wirtschaftlichen Anreiz gehabt hätten auf Drehkreuzen umzusteigen.

Hat die A380-Saga Airbus zu einem besseren Unternehmen gemacht?

Ja, die A380 und das Fiasko um sie herum hat die A350 definitiv zum besten Flugzeugprogramm gemacht, das wir je hatten. Die störungsfreieste Einführung, die wir je hatten und die bestlaufende Produktion. Weil wir die kleinen Königreiche in Hamburg, Toulouse, Nantes und München losgeworden sind, die es unmöglich gemacht hatten ein Flugzeugprogramm zu optimieren. Für diesen Erziehungseffekt allerdings 25 Milliarden Euro oder mehr für die A380 auszugeben erscheint mir doch als eine sehr ineffiziente Methode.

Leicht gekürzte Fassung aus der Neuerscheinung "Airbus A380 – der letzte Riese" von Andreas Spaeth. Das Buch ist im Motorbuch Verlag erschienen, 224 Seiten, Preis: 29,90 Euro.

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