Ungeachtet der Berichte über Festnahmen möglicher Islamisten hat die Kölner Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung gestartet. Sie gab das Fahndungsbild eines Gesuchten heraus, den ein 14-Jähriger Schüler als Zeuge beschrieben habe. Der Mann sei dunkelhäutig, 30 bis 35 Jahre alt, 190 Zentimeter groß und schlank. Er habe eine schwarze Mütze, schwarze Stiefel und eine braun-graue Jacke getragen.
Sicherheitskreise hatten zuvor eine erste Festnahme im Zusammenhang mit dem Bonner Bombenalarm am Montag bestätigt. Die Behörden hätten einen gebürtigen Somalier mit dem Namen Omar D. festgenommen, hieß es. Der Mann sei in der Bonner Islamistenszene sehr bekannt. Der "Bonner Generalanzeiger" meldete in seiner Onlineausgabe, die Polizei habe zudem einen weiteren Verdächtigen gefasst. Die Beamten hätten ihn in der Nähe einer Rheinbrücke am Rande der Bonner Innenstadt ergriffen. Die Polizei habe das aber nicht bestätigt.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte am frühen Abend eine zunächst geplante Information der Öffentlichkeit wieder ab.
Bei den Gesuchten könnte es sich um Salafisten handeln
Die Polizei soll nach dem Bombenfund auf dem Bonner Hauptbahnhof zunächst nach zwei mutmaßlichen Salafisten gefahndet haben. Die beiden den Ermittlern als "terroristische Gefährder" bekannten Männer seien dringend verdächtig, die Tasche auf dem Bahnhof deponiert zu haben, berichtete die Internetseite der "Bild"-Zeitung. Zwei Schüler hätten die Islamisten auf Fotos erkannt. Die Männern sollen unter den Kampfnamen "Dahir" und "Buh" bekannt sein. Der Fund der Tasche hatte zu einem Großeinsatz der Polizei geführt und den Zugverkehr massiv beeinträchtigt.
Butangas und Ammoniumnitrat
Laut Informationen von "Spiegel Online" enthielt die herrenlose Tasche Butangas und Ammoniumnitrat. Die Polizei hat bisher nur von einer "zündfähigen" Substanz gesprochen. Das Portal berichtete weiter, in der Tasche seien auch ein Metallrohr, ein Wecker und Batterien gefunden worden. Ob mit dieser Konstruktion eine Explosion hätte ausgelöst werden können, blieb zunächst weiterhin unklar. Polizeiexperten hatten in den durch die Entschärfung zerstörten Teilen noch keinen Zünder gefunden.
Omar D. und ein weiterer Verdächtiger seien alte Bekannte der Staatsschützer, schreibt "Spiegel Online". Bereits im September 2008 waren sie auf dem Rollfeld des Flughafens Köln/Bonn geschnappt worden, nachdem sie nach Amsterdam fliegen wollten. Die Ermittler hätten damals einen Liebesbrief von D. an eine junge Frau als Abschiedsschreiben gewertet. Sie seien davon ausgegangen, dass die Männer in den Heiligen Krieg ziehen wollten. Beide Männer seien aber bald darauf wieder freigelassen worden.
Auch nach DPA-Informationen spricht einiges dafür, dass die mutmaßlichen Bombenleger aus dem internationalen Dschihadismus kommen. In Sicherheitskreisen wurde vermutet, dass der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernehmen.
Salafisten und Dschihadisten
Salafisten: Die religiöse und politische Bewegung orientiert sich an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islams. Das arabische Wort "Salaf" steht für Ahnen und Vorfahren. Viele Salafisten tragen lange Bärte und weite Gewänder. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach dieser Überzeugung eine schwere Sünde. In Deutschland stehen Teile der Bewegung beim Verfassungsschutz im Verdacht, ein Sammelbecken für gewaltbereiten Islamismus zu sein und Verbindungen zu Terrornetzwerken zu pflegen. Vor allem junge Muslime sollen sich angezogen fühlen.
Dschihadisten: Sie stehen für eine militante Form des radikalen Islamismus. Die Bewegung bezieht sich auf die im Koran enthaltene Aufforderung zum "Dschihad" (Heiliger Krieg). Anhänger sehen den Krieg gegen "Feinde" des Islams als ihre Pflicht an. Auch Muslime, die modernere Formen des Islams leben, gelten aus ihrer Sicht als "Ungläubige". Sicherheitsbehörden vermuten, dass sich Dschihadisten aus westlichen Ländern für ihren "Kampf" in Trainingslagern in Afghanistan oder Pakistan ausbilden lassen. Die Extrempositionen markiert die Organisation Al-Kaida.
Im Sommer 2006 hatten zwei Islamisten zwei Kofferbomben auf dem Kölner Hauptbahnhof in Regionalzügen deponiert. Beide Sprengkörper explodierten wegen technischer Mängel nicht, hätten aber nach Aussagen von Experten schwere Schäden anrichten können. Einer der Männer wurde in Deutschland, der andere im Libanon verurteilt.
GdP-Chef Witthaut: "Deutschland nach wie vor Angriffsziel"
Ein Kölner Polizeisprecher betonte, es sei viel zu früh, um zu sagen, ob der Vorfall in Bonn in irgendeinem Zusammenhang zu anderen Funden stehe. Bernhard Witthaut, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bat die Bevölkerung um Aufmerksamkeit bei verdächtigen Gegenständen. "Wir müssen leider immer wieder damit rechnen, dass so etwas gerade an Bahnhöfen passieren kann", sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix. "Deutschland ist nach wie vor ein Angriffsziel von dem ein oder anderen Terroristen. Deswegen bitte ich auch wirklich alle, wenn sie so eine Tasche, einen Koffer sehen, lieber einmal mehr anzurufen, als auf einen Anruf zu verzichten."