Er ist der Boss der sizilianischen Cosa Nostra und er war der meistgesuchte Verbrecher Italiens: Matteo Messina Denaro. Nach drei Jahrzehnten auf der Flucht haben Spezialkräfte den Mafioso ihn in einer Privatklinik in Palermo festgenommen, wie die Carabinieri am Montagmorgen mitteilten. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sprach von einem "großen Erfolg des Staates, der zeigt, sich nie der Mafia geschlagen zu geben". Ihr Innenminister Matteo Piantedosi nannte die Verhaftung "historisch".
Der heute 60-jährige Messina Denaro war seit 1993 auf der Flucht. Er soll Dutzende Morde begangen oder organisiert haben. Darunter waren die tödlichen Bombenanschläge auf die Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992. Diese hatten Italien geschockt und zu einer neuen Offensive gegen die organisierte Kriminalität geführt.
Mafia-Boss Denaro soll wegen Tumors in Klinik gewesen sein
Messina Denaro galt als Vertrauter und dann Nachfolger der ehemaligen Cosa-Nostra-Bosse Salvatore "Totò" Riina und Bernardo Provenzano. Riina wurde als Boss der Bosse in Sizilien bezeichnet, er war äußerst brutal und skrupellos. Er wurde am 15. Januar 2013 verhaftet, also fast auf den Tag genau 30 Jahre vor Messina Denaro. Riina und Provenzano starben 2017 beziehungsweise 2016 im Gefängnis. Messina Denaro galt als letzter noch flüchtiger Top-Mafioso aus jener Zeit.
In den vergangenen Jahrzehnten suchten diverse Anti-Mafia-Agenten der Carabinieri und der Polizei nach dem Mafioso. Bei unzähligen Razzien auf Sizilien aber wurde er immer wieder verpasst. 2015 entdeckten die Ermittler unter anderem, dass der nahe dem westsizilianischen Trapani geborene Denaro auf moderne Kommunikationsmittel verzichtete, um keine Spuren zu hinterlassen. Stattdessen bediente er sich der uralten Mafiamethode der "Pizzini" – verschlüsselte Botschaften auf einem kleinen Stück Papier –, um seinen Schergen Anweisungen zu geben.
Auf Anordnung der Staatsanwälte Maurizio de Lucia und Paolo Guido erfolgte nun der Zugriff in der Privatklinik "La Maddalena" in Palermo. Dort hielt sich Messina Denaro auf, "um sich behandeln zu lassen", wie Pasquale Angelosanto, der Chef des Spezialkommandos der Carabinieri, sagte. Er soll einen Tumor gehabt haben, berichtete die Zeitung "Corriere della Sera". Der Festgenommene wurde zunächst in eine Militärkaserne gebracht und sollte aus Palermo weggeflogen werden, um ihn in ein Hochsicherheitsgefängnis zu bringen.
"Am Ende verliert die Mafia immer"
Am Vormittag kursierten im Internet Handyvideos, die die Festnahme des Kriminellen oder die Momente danach zeigen sollen. Auf ihnen ist zu sehen, wie Menschen in Palermo applaudierten. Auf einem ersten von den Carabinieri verbreiteten Foto aus einem Auto ist Messina Denaro neben zwei Polizisten zu sehen. Er trägt eine helle Mütze und eine Sonnenbrille. Es ist das erste offizielle Bild des Mannes seit Anfang der 1990er-Jahre. Bei der Fahndung hatten die Ordnungskräfte bislang nur Phantomzeichnungen oder Bilder zur Verfügung, bei denen Computer errechneten, wie der gealterte Mann heute aussehen dürfte.

Politiker aller Parteien reagierten mit Erleichterung und Lob auf die Festnahme von Messina Denaro. Staatspräsident Sergio Mattarella – dessen Bruder Piersanti als Regionalpräsident von Sizilien 1980 von der Mafia umgebracht worden war – telefonierte mit dem Innenminister und dem Carabinieri-Kommandanten, um diese zu beglückwünschen.
Oppositionsführer Enrico Letta von den Sozialdemokraten twitterte: "Am Ende verliert die Mafia immer. Das ist die zentrale Botschaft dieses historischen 16. Januar." Der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi sprach von einem "Festtag für das ganze Land".