Knapp 16.000 Euro im Jahr soll sie als Zimmermädchen im Sofitel-Hotel verdienen. Nicht viel Geld, um in New York City über die Runden zu kommen. Zumal wenn man davon noch ein neunjähriges Kind über die Runden bringen muss. So wie Nafissatou Diallo, genannt Nafi, 32, seit dem Wochenende die wohl bekannteste Hotelangestellte der Welt. "Sie ist eine ehrenwerte und anständige Frau, die schwer arbeitet, um ihre Tochter großzuziehen", sagte nun ihr Bruder Blake Diallo, der in der Zeitung "Le Parisien" erstmals über das mutmaßliche Opfer des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn gesprochen hat.
Mittlerweile kommen immer mehr Details über die Frau ans Tageslicht. Vor allem das Boulevardblatt "New York Post" wühlt tief im Leben des Zimmermädchens. Das neueste Gerücht, das das Blatt nun veröffentlicht hat, lautet: Nafi Diallo habe in einem Apartment gewohnt, das HIV-Infizierten vorbehalten ist. Ein Mitarbeiter der Organisation "Harlem Community AIDS United" sagte der Zeitung, mindestens ein Bewohner der Unterkunft sei HIV-positiv oder sogar bereits an Aids erkrankt. Ob es sich dabei um die 32-Jährige handelt, ist aber unklar. Von Blake Diallo dazu kein Wort, nur soviel: Seine Schwester habe ihre Drei-Zimmer-Zimmer-Wohnung im Süden der Bronx verlassen und lebe nun an einem geheim gehaltenen Ort unter Polizeischutz.
"Umarmt sie einfach, wenn sie wieder da ist"
Ursprünglich stammt das mutmaßliche Opfer aus dem afrikanischen Guinea und arbeitet seit rund zwei Jahren in dem New Yorker Hotel. Offenbar zur Zufriedenheit ihres Arbeitgebers: Die "New York Times" zitierte unlängst eine Kollegin des Zimmermädchens, die sie als "guten Mensch" bezeichnete. Das Hotel selbst soll seine Angestellten aufgefordert haben, die Frau nicht auszufragen, wenn sie wieder zur Arbeit komme. "Die Verwaltung hat gesagt: Fragt nicht so viel, sie hat es schwer genug", sagte die Angestellte. "Umarmt sie einfach, wenn sie wieder da ist."
Die Frau scheint auch vier Tage nach dem mutmaßlichen Übergriff noch sehr angespannt zu sein. "Sie steht noch immer unter Schock und weint sehr viel", sagte ihr Bruder, ein 42-Jähriger, der im Stadtteil Harlem ein afrikanisches Restaurant betreibt. Am Samstag, dem Tag an dem sich der Missbrauch zugetragen haben soll, habe Blake Diallo wie jeden Morgen seine Schwester angerufen. "Doch sie ist nicht ans Telefon gegangen, was nicht ihre Art ist. Sie hat mich erst am Abend zurückgerufen, um mir zu sagen, dass ihr etwas Schreckliches passiert sei, und dass sie in Begleitung eines Arztes und der Polizei sei", so Diallo.
"Sie hat keine Ahnung von Politik"
Zunächst habe sie überhaupt nicht gewusst, wer Dominique Strauss-Kahn genau sei, so Blake Diallo. "Ich war es, der ihr erzählt hat, wer der Angreifer wirklich war. Sie kannte ihn nicht." Diallo glaubt deswegen auch nicht, dass der Noch-IWF-Chef in eine Falle gelockt worden sein könnte. "Nein. Niemals", sagte der Bruder. "Meine Schwester ist praktizierende Muslimin und trägt Kopftuch. Sie hat keine Ahnung von Politik, sie weiß nicht einmal wer der Bürgermeister von New York ist."
Strauss-Kahn ist wegen sechs verschiedener Straftaten angeklagt, am Freitag tritt die "Grand Jury" zusammen, um die genaue Anklage zu formulieren. Nafi Diallo hat bereits angekündigt, gegen den Franzosen aussagen zu wollen. Wenn sie aufgefordert dazu werde, sei sie bereit in den Zeugenstand zu treten, sagte ihr Anwalt Jeffrey Shapiro.
Denn lässt über ihren Anwalt bestreiten, dass es sich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe. "Nichts war einvernehmlich bei dem, was in diesem Hotelzimmer passiert ist", sagte Shapiro dem TV-Sender NBC. Wenn die Jury die Aussage des Zimmermädchens höre, werde sie sehen, dass die Behauptungen über einvernehmlichen Sex "nicht wahr" sind.
"In Frankreich wäre die Affäre vertuscht worden"
Ihr Bruder scheint zuversichtlich zu sein, dass die US-Justiz Strauss-Kahn verurteilen wird: "In den USA ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass dieser Mann angeklagt wird, als wenn das Ganze in Europa passiert wäre. In Frankreich wäre die Affäre vertuscht worden. Ich hoffe, dass er hier noch lange im Gefängnis sitzen wird."