Vergewaltigungsvorwurf gegen Strauss-Kahn Der Finanzboss und das Zimmermädchen

  • von Björn Erichsen
Hat einer der wichtigsten Männer der Finanzwelt splitternackt einem Zimmermädchen aufgelauert? In New York ist IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung verhaftet worden.

Er hatte es sich bereits in der ersten Klasse der Air-France-Maschine mit der Flugnummer 23 gemütlich gemacht, als er festgenommen wurde: Dominique Strauss-Kahn, der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), war auf dem Weg nach Paris, wollte sich noch am Sonntag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin treffen. Doch daraus wird nichts: Zehn Minuten vor dem Abflug der Maschine vom New Yorker Flughafen John F. Kennedy wurde der 62-Jährige von Mitarbeitern der Flughafenbehörde in Gewahrsam genommen und an die New Yorker Polizei übergeben. Der Vorwurf: versuchte Vergewaltigung eines Zimmermädchens, sexuelle Belästigung und Freiheitsberaubung.

Die Nachricht ist ein Paukenschlag, schließlich zählt Strauss-Kahn als Chef des IWF zu den mächtigsten Männern der Finanzwelt. Als starker Mann war er bei der Bewältigung der internationalen Finanzkrise aufgetreten und hatte sich auch kürzlich bei der Entwicklung des europäischen Rettungsschirms hervorgetan. Das Treffen mit Merkel sollte auch dazu dienen, über die Zukunft des überschuldeten Griechenland zu diskutieren. Kurz nach der Verhaftung bemühten sich sowohl der IWF als auch die griechische Regierung, die Ereignisse herunterzuspielen: Die Organisation sei voll handlungsfähig, betonte man beim IWF, und aus Athen hieß es, die Verhaftung Strauss-Kahns habe keinerlei Auswirkungen auf die Bewältigung der finanziellen Krise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) befürchtet trotz der Turbulenzen um Strauss-Kahn keine Verzögerungen bei den Verhandlungen über Euro-Rettungspakete. "Die Lösung der Probleme ist dadurch nicht belastet", sagte Schäuble am Sonntag der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Der IWF ist voll arbeitsfähig."

Auch in Frankreich hat die Affäre eine politische Dimension: Dort gilt der ehemalige Industrie- und Finanzminister als Favorit der Sozialistischen Partei im Rennen um das Präsidentenamt gegen den zurzeit schwächelnden Nicolas Sarkozy. Vorwürfe wegen versuchter Vergewaltigung passen da schlecht ins Bild.

Verfolgungsjagd im Hotelzimmer

Was sich wenige Stunden vor der Festnahme am Flughafen im piekfeinen "Sofitel"-Hotel am Times Square abgespielt haben soll, stützt sich auf die Aussagen einer 32-jährigen Hotelangestellten. Der "New York Times" zufolge betrat das Zimmermädchen die 3000 Dollar pro Nacht teure Suite von Strauss-Kahn, im Glauben, dass diese leer sei. Während sie im Flur arbeitete, sei der IWF-Chef nackt aus dem Badezimmer gekommen, habe die Tür abgeschlossen und die Frau aufs Bett gezogen. Das Zimmermädchen wehrte sich, es kam zu einer Verfolgungsjagd, im Badezimmer soll Strauss-Kahn erneut versucht haben, die Frau zu entkleiden. Dass der Finanzmanager das Zimmermädchen zum Oralsex gezwungen haben soll, wie ein Fernsehsender berichtete, wurde von der Polizei dementiert.

Dennoch war es der Frau erst nach einiger Zeit gelungen, aus der Suite zu flüchten. Sofort alarmierte sie andere Hotelangestellte und rief per Notruf die Polizei. Die ersten Details sprechen gegen Strauss-Kahn: So soll die 32-Jährige leicht verletzt gewesen und in einem Krankenhaus behandelt worden sein. Strauss-Kahn dagegen soll kurz nach dem Vorfall das Hotel überstürzt verlassen und sein Mobiltelefon und andere persönliche Gegenstände zurückgelassen haben. Die New Yorker Polizei wertet dies als Fluchtverhalten - und hat inzwischen Anklage gegen Strauss-Kahn erhoben.

Kosten die Vorwürfe Strauss-Kahn die Kandidatur?

Mit Affären hat Strauss-Kahn bereits Erfahrung: So war der Franzose bereits 2008 wegen einer Liasion mit einer Mitarbeiterin ins Zwielicht geraten, dabei ging es um sexuelle Belästigung und Begünstigung. Bei einer internen Untersuchung des IWF konnte Strauss-Kahn jedoch kein Fehlverhalten nachgewiesen werden - er entschuldigte sich seinerzeit für den entstandenen Ärger, wies aber den Vorwurf des Amtsmissbrauchs zurück. Auch bei den neuerlichen Anschuldigungen wird Strauss-Kahns Strategie wohl im Dementi bestehen: So kündigte Benjamin Brafman, der Anwalt des 62-Jährigen, bereits an, im Falle einer Anklage auf nicht schuldig plädieren zu wollen.

In Frankreich schlägt die Verhaftung hohe Wellen - und teilt das Land in zwei Lager: Strauss-Kahns Anhänger mahnen zur Vorsicht, verweisen auf die Unschuldsvermutung. Der politische Gegner dagegen ist weniger zimperlich. Die Chefin der französischen Rechtsextremen, Marine le Pen, hält Strauss-Kahns Ambitionen auf die Präsidentschaft bereits mit der Verhaftung für gescheitert. Auch der stellvertretende Vorsitzende von Sarkozys konservativer Prartei UMP, Renaud Muselier, spricht von einem Desaster. "Das ist eine Katastrophe für unser Land und für unser Bild nach außen, denn er ist der Chef des IFW."

Auch die Pariser Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" glaubt, dass die Festnahme in New York Konsequenzen haben wird: "Es ist eine unglaubliche Information, die in dieser Nacht hereingeplatzt ist. Wenn sie sich betätigen sollte, hätte sie erhebliche politische Konsequenzen. Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen führte Dominique Strauss-Kahn zuletzt bei den Umfragen. Seine Festnahme könnte die Gesamtlage völlig ändern."

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Die Ehefrau des Beschuldigten, Anne Sinclair, hält es für ausgeschlossen, dass ihr Gatte in New York ein Zimmermädchen vergewaltigen wollte. "Ich glaube nicht eine einzige Sekunde an die Anschuldigungen, die gegen meinen Mann erhoben werden", schrieb Sinclair am Sonntag in einer kurzen Stellungnahme an die französische Nachrichtenagentur AFP. Alle Beteiligten sollten Anstand und Zurückhaltung wahren. Sie sei überzeugt, dass die Unschuld ihres Mannes bewiesen werde.

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