Presseschau zur Sicherungsverwahrung Kommentatoren geißeln Nachlässigkeit der Politik

Ein aus der Sicherungsverwahrung entlassener Sexualstraftäter, der in Dortmund ein siebenjähriges Mädchen sexuell missbraucht haben soll, kommt in Untersuchungshaft. In der deutschen Presse wird der Vorfall heftig diskutiert.

Nachdem in Dortmund ein gerade aus der Sicherungsverwahrung entlassener Sexualstraftäter ein siebenjähriges Mädchen sexuell missbraucht haben soll, schlagen die Wogen der Empörung hoch. Auch die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich mit dem Fall.

Rheinische Post

Der Kommentator der "Rheinischen Post" nennt den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm, der zur Freiheit des Sexualtäters führte, "in Teilen haarsträubend" und "menschenrechts-verletzend":

"Geradezu zynisch liest sich die OLG-Festellung, bei den bisherigen Missbrauchs-Taten habe es sich - die erwähnten Details legen das Gegenteil nahe - "um Sexualstraftaten ohne Gewalt" gehandelt." Der Gerichtsbeschluss atme den "Geist des täterorientierten Urteils" des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. "Von dem Geist, besser: Ungeist lässt sich seit seiner Mai-Entscheidung zur Sicherungsverwahrung leider auch das sonst hoch geschätzte Bundesverfassungsgericht leiten."

Kölner Stadtanzeiger

Der "Kölner Stadtanzeiger" nennt den Fall "eine Katastrophe für das Kind und verheerend für den deutschen Rechtsstaat". Den Politikern kreidet der Kommentator an, früher Vorsorge für den Fall einer Niederlage in Straßburg treffen müssen:

"Bisher wechselten die Täter einfach vom Gefängnis in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung. Das Bundesverfassungsgericht fordert nun ein Abstandsgebot zwischen Knast und Anstalt: Therapiemöglichkeiten, Weiterbildung und den unbegrenzten Versuch der Resozialisierung - um jeden Preis. Bund und Länder seien nun gemeinsam aufgerufen, diese Gesetzeslücke zu schließen. "Damit sich Dortmund nicht wiederholt."

"Berliner Morgenpost"

Die "Berliner Morgenpost" nimmt ebenfalls die Politik in die Pflicht und kritisiert ihre mangelnde Bereitschaft, sich des schwierigen Themas anzunehmen.

"Politiker erwecken manchmal den Eindruck, es sei ihnen vieles wichtiger als Gefahren, die Wähler im Alltag zu spüren glauben." Auf ein Gesetz zur angemessenen Unterbringung von Triebtätern warteten alle Beteiligten bislang vergebens. Doch auf den ersten Sitzungen nach der Sommerpause diskutiere der Bundestag als einzigen Extra-Tagesordnungspunkt "eine Verhandlungslösung im Nahost-Konflikt" - obwohl der Bundestag gar keine Hoheit über das Geschehen besitze wie im Fall deutscher Triebtäter.

DPA
jwi/DPA/AFP

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