Problembär Lebender Bruno klagt wegen totem Bruno

  • von Malte Arnsperger
JJ1, Bruno oder Problembär: Vor einem Jahr zog der Braunbär mit den vielen Namen durch Bayern - dann wurde er getötet. Dagegen klagt ein Rechtsanwalt, der selber Bruno heißt. "Dass der Bär erschossen wurde, war unverhältnismäßig", sagte er zu stern.de.

Er war neben Klinsmanns WM-Helden der Star des vergangenen Sommers: JJ1 alias Bruno, der Problembär. Freudig wurde der zottelige Besucher aus Italien empfangen, sogar Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf hieß ihn herzlich willkommen. Wochenlang erkundete der erste Bär auf deutschem Gebiet seit 170 Jahren die Landschaft Bayerns. Doch seine Wanderschaften, auf denen er Schafe riss, Bienenstöcke plünderte und durch Wohngebiete streunte, waren den Behörden irgendwann nicht mehr geheuer. Der Bär musste sterben. Noch wochenlang wurde über Brunos Schicksal diskutiert, Schnappauf zum Rücktritt aufgefordert, ja sogar Morddrohungen gegen den Hüter der Ordnung in der bayrischen Natur gingen ein. Und nur einen Tag nach dem Abschuss von JJ1 hatten Schnappauf und der unbekannte Todesschütze erste Strafanzeigen am Hals. Am Ende waren es rund 50.

"Notstand war abwegig"

Die Anzeigen wurden allesamt eingestellt, einen Verdacht auf eine Straftat gab es nicht. Doch jetzt, rund ein Jahr nach seinem Auftauchen, beschäftigt das Tier wieder die Justiz. Der bayerische Rechtsanwalt Rudolf Riechwald - er heißt mit zweitem Namen ausgerechnet Bruno - hat beim Münchner Verwaltungsgericht Klage gegen den Freistaat und die Regierung von Oberbayern eingereicht. Der menschliche Bruno ist der Ansicht, dass mit dem Abschuss des tierischen Brunos gegen die bayerische Verfassung verstoßen wurde. Insbesondere gegen Artikel 141. In dem steht seit 1998 geschrieben: "Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist (…) der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut."

Rudolf Bruno Riechwald

Rechtsanwalt Rudolf Bruno Riechwald, Fachwanwat für Verwaltungsrecht, klagt vor dem Verwaltungsgericht München wegen des Abschusses des Braunbären Bruno

Grund genug für Riechwald vor Gericht zu ziehen. "Ich klage dafür, dass vom Gericht entschieden wird, dass die Abschusserlaubnis gegen das Gesetz verstoßen hat", sagt Riechwald zu stern.de. "Das der Bär erschossen wurde, war unverhältnismäßig." Bruno sei nicht gefährlich gewesen und habe keinen Menschen angegriffen. Der wegen ihm ausgerufene Notstand sei deshalb "einfach abwegig" gewesen. Zwar kann der Advokat seinen Namensvetter nicht wieder zum Leben erwecken. Doch er will dessen Brüdern ein ähnliches Schicksal ersparen. Brunos Mutter hat im heimischen Südtirol mehrere Junge großgezogen. Wildexperten erwarten, dass sie schon in diesem Sommer in ihrem jugendlichen Elan den Spuren von Bruno folgen könnten. Riechwald will durch seine Klage eine ähnliche tierische Tragödie wie 2006 erhindern.

WWF zweifelt an Erfolgsaussichten der Klage

Die Tierschutzorganisation WWF ist skeptisch, ob sich auf juristischem Wege der Aufenthalt künftiger Bären in Bayern angenehmer gestalten lässt. Zwar gebe es mittlerweile einen Managementplan, in dem der Freistaat festgelegt hat, wie mit den Tieren in Zukunft umgegangen werden soll. "Doch dieser Plan ist leider nur ein Notfallplan. Es fehlt die Vision. Mit einem Rechtsstreit wird man das nötige Engagement jedoch kaum erzwingen können", teilte WWF-Sprecher Jörn Ehlers auf stern.de-Anfrage mit. Er gibt der Klage Riechwalds wenig Aussicht auf Erfolg. "Aber immerhin redet man wieder über Bären. Und wenn sich Leute informieren, tut das der unaufgeregten Diskussion des Themas sicher gut."

Bär Bruno besuchte auf seiner Bayern-Tour auch den Ort Kochel am See. Dort hielt er sich an einem Bienenstock schadlos, brach einen Kaninchen-Stall auf und legte vor dem Polizeirevier eine Rast ein. Anwalt Riechwald hielt sich zu der Zeit ebenfalls in dem oberbayerischen Ferienort auf. Aber trotz dieser unmittelbaren Nähe zu dem wilden Tier sieht sich Riechwald nicht als bayerischer "Robin Wood". Der engagierte Jurist hat nicht in erster Linie den Naturschutz im Sinn. Ihm liegt viel mehr der Schutz der Verfassung und der Grundrechte am Herzen. Nicht nur des Tieres sondern auch des Menschen. "Gegen die Abschussgenehmigung kann jeder Bürger klagen. Es war ein staatlicher Eingriff in unsere Natur und mit dem Abschuss wurden auch die Grundrechte jedes Bürgers verletzt."

Während sich das bayerische Umweltministerium nicht zu dem Verfahren äußern will, blickt die Regierung von Oberbayern dem Gerichtstermin am 31. Mai gelassen entgegen. "Wir gehen davon aus dass die Klage als unzulässig zurückgewiesen wird", sagte ein Sprecher zustern.de. "Denn es besteht kein individuelles Interesse des Herrn Riechwald. Er wurde in seinem Rechten nicht beeinträchtigt."

Anwalt Riechwald grummelt wie ein Bär: "Das ist unmöglich, das leuchtet mir nicht ein." Schließlich werde in der Abschussgenehmigung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dagegen Widerspruch eingelegt werden kann. "Sonst wäre ja auch für niemanden eine Überprüfung staatlichen Handels möglich."

Aber auch Riechwald räumt seiner Klage keine großen Chancen vor Gericht ein. "So wie ich unsere Justiz kenne, befürchte ich, dass sie abgewiesen wird, weil gesagt wird, ich sei nicht betroffen." Auf den Kosten für das Verfahren - der Streitwert liegt bei 5000 Euro - die Riechwald nach eigenen Angaben selber trägt, bliebe der Anwalt im Falle der Niederlage zwar sitzen. Dies ficht ihn jedoch nicht an. Denn: "Ganz Deutschland hat sich über den Abschuss aufgeregt, und irgendjemand muss doch etwas dagegen tun."

Ach ja. Der tote Bär, um den sich die Menschen jetzt weiter streiten, liegt tiefgekühlt an einem unbekannten Ort. Minister Schnappauf hatte angekündigt, ihn für ein Museum präparieren zu lassen. Aber welches das sein wird und ab wann Brunos Überreste ausgestellt werden, ist noch offen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Brunos Geschwister und die Menschen besser vertragen und sie kein Fall für die Gerichte werden.

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