RAF-Mord Wisniewski soll Buback getötet haben

Der Mord der RAF an Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor 30 Jahren steht vor der Aufklärung. Nicht die inhaftierten Christian Klar und Knut Folkerts sind die Mörder, sondern Stefan Wisniewski - sagen die ehemaligen RAF-Mitglieder Peter-Jürgen Boock und Verena Becker.

Überraschende Wende im Fall Siegfried Buback: 30 Jahre nach der Ermordung des Generalbundesanwalts und seiner zwei Begleiter gibt es mehrere Hinweise darauf, dass der Exterrorist Stefan Wisniewski die tödlichen Schüsse abgegeben haben könnte. Entsprechend äußerte sich das Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock im "Spiegel".

Dem Magazin zufolge soll es zudem ähnliche Aussagen von Boocks früherer Komplizin Verena Becker geben. Die Bundesanwaltschaft wollte den "Spiegel"-Bericht auf AP-Anfrage nicht kommentieren. Bislang galten die damaligen RAF-Terroristen Christian Klar, Knut Folkerts und Günter Sonnenberg als Hauptverantwortliche für die Tat vom 7. April 1977.

Boock ist Michael Bubacks Informant

Boock ist nach eigener Aussage der Informant von Michael Buback, dem Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts. Anlass für die Kontaktaufnahme, die vor knapp zwei Wochen stattgefunden habe, sei die Diskussion über die mögliche Begnadigung Klars gewesen. "Da läuft meiner Meinung nach einiges schief. Ich wollte Michael Buback erzählen, dass nicht Klar seinen Vater erschossen hat", sagte Boock in einem Interview des "Spiegels".

Boocks Aussage zufolge gehörten Wisniewski und Sonnenberg zu dem Kommando, das Buback und seine zwei Begleiter am 7. April 1977 ermordete. "Ob Klar eventuell ein Fluchtfahrzeug besorgt oder auch gefahren hat, kann ich nicht ausschließen, ich weiß es einfach nicht", sagte Boock, der bei der Tat nicht dabei war. Allerdings habe Sonnenberg, der als Fahrer des Fluchtmotorrads gilt, über entsprechende Ortskenntnisse in Karlsruhe verfügt.

Verfassungsschutz hatte schon in den 80ern Hinweise auf Wisniewski

Wisniewski dagegen habe die militärische Ausbildung an den entsprechenden Waffen gleich zwei Mal absolviert. Auf den Einwurf des "Spiegel"-Interviewers, dann "ist logisch, wer geschossen hat", antwortete Boock mit "Ja". Wisniewski war 1981 unter anderem wegen der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt worden und kam 1999 frei.

Auch die ehemalige RAF-Angehörige Becker verriet nach Informationen des "Spiegels" dem Verfassungsschutz bereits Anfang der 80er Jahre, dass Wisniewski vom Soziussitz eines Motorrads die tödlichen Schüsse auf Buback abgegeben haben soll. Laut Becker fuhr Sonnenberg das Tatmotorrad, Klar soll im Fluchtauto, einem Alfa Romeo, auf die Täter gewartet haben, schreibt das Magazin. Der Verfassungsschutz habe dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Boock kritisiert Schweigen der Exkomplizen

Schon seit 1990 habe das Bundeskriminalamt (BKA) zudem ernstzunehmende Hinweise darauf, dass der 1980 wegen des Buback-Mordes, trotz kaum vorhandener Beweise, zu lebenslanger Haft verurteilte Folkerts sich am Tattag nicht in Deutschland aufgehalten habe, schreibt der "Spiegel" weiter und beruft sich dabei auf Vernehmungsprotokolle der 1980 in der DDR untergetauchten und später enttarnten früheren RAF-Angehörigen Silke Maier-Witt.

Die heutige Friedensaktivistin hat danach 1990 ausgesagt, Folkerts habe am 7. April 1977, dem Tattag, auf der niederländischen Seite der deutsch-holländischen Grenze in einem Auto auf sie gewartet und nach Amsterdam gefahren. Folkerts hat bisher zu seiner Tatbeteiligung geschwiegen. Derweil kritisiert Boock das Schweigen seiner früheren Komplizen. "Sie machen es genauso, wie es die Kriegsgeneration gemacht hat, und was wir damals angeprangert haben", sagte der Exterrorist.

Er habe immer gedacht, die RAF-Mitglieder würden anders mit ihrer eigenen Geschichte umgehen. "Aber das ist nicht so", sagte Boock, der nach eigener Aussage Reue, Scham und Wut über seine Vergangenheit empfindet Boock war 1977 an der Entführung und Ermordung von Hanns-Martin Schleyer beteiligt. 1980 sagte er sich von der RAF los, wurde ein Jahr später verhaftet. Nach 17 Jahren Haft kam er 1998 schließlich frei und lebt heute in der Nähe von Freiburg.

Bundesanwaltschaft lädt Buback-Sohn als Zeugen vor

Die Bundesanwaltschaft hat den Sohn des von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback einem Bericht zufolge als Zeugen vorgeladen. Ein Mitarbeiter der Behörde habe ihn telefonisch informiert, dass er als Zeuge vorgeladen werde, erklärte Michael Buback in der "Welt am Sonntag". Auch einen konkreten Termin gebe es schon, schreibt Buback in einem Gastbeitrag für die Zeitung.

Er glaube zu wissen, wer wirklich am Mord an seinem Vater beteiligt gewesen sei, schreibt Buback weiter. Diese Schlussfolgerungen beruhten auf bereits länger bekannten Erkenntnissen, die er offensichtlich aber anders bewerte, als dies bisher von offizieller Seite geschehen sei. Buback wies die Vorwürfe zurück, er setze sich aus persönlichen Gründen für eine Begnadigung Klars ein. Er habe lediglich die Information erhalten, dass Klar an der eigentlichen Tat nicht beteiligt gewesen sei. Diese habe er aus Gründen der Fairness öffentlich gemacht. "Falls dies wahr sein sollte, hat es für mich persönlich große Bedeutung, aber es muss keinerlei Auswirkungen auf die Bewertung der Schwere der Gesamttaten von Klar haben", schreibt Buback.

Fall Buback soll neu aufgerollt werden

Der Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback muss nach Ansicht mehrerer Politiker neu aufgerollt werden. Das forderten führende Vertreter von CDU, FDP und Grünen in der "Welt am Sonntag".

"Wenn Behörden seit Jahren über genaue Tathergänge Bescheid wussten, diese aber nicht der Justiz zur Verfügung gestellt haben sollten, würde das eine juristische und politische Aufarbeitung erforderlich machen", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der "Welt am Sonntag". Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach stellte fest: "Mord verjährt nie. Die neuen Informationen müssen Anlass dazu sein, den gesamten Fall neu zu untersuchen."

Für die Grünen sagte der Innenpolitiker Christian Ströbele: "Wenn die Justiz damals tatsächlich von den entlastenden Aussagen wusste, hat sie unverantwortlich gehandelt. Dann sind damals Menschen für etwas angeklagt und verurteilt worden, obwohl Beweise gegen deren Tatbeteiligung vorlagen. Das muss auch heute noch Konsequenzen haben."

Bosbach forderte eine eingehende Untersuchung, in der drei Fragen geklärt werden müssten: "Erstens müssen wir prüfen, ob die Informationen zutreffend sind. Zweitens, warum diese nicht in das Verfahren eingebracht wurden. Und drittens ist zu klären, wer die Informationen aus welchen Gründen zurückgehalten hat", sagte der CDU-Politiker. Sollte es der Justiz damals darum gegangen sein, Zeugen zu schützen, hätte sie auch andere Wege wählen können. "Man hätte zum Beispiel einen Aktenvermerk in das Verfahren einbringen können, in der es heißt: 'Aus dienstlicher Quelle wurde bekannt'", erläuterte Ströbele. Dies sei damals in anderen Verfahren durchaus üblich gewesen.

AP
Stephan Köhnlein/AP

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema