Buback-Mord Wisniewski droht neues Verfahren

Hat Stefan Wisniewski vor 30 Jahren tatsächlich den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen? Wenn diese Informationen stimmen sollten, dann droht dem Ex-RAF-Terroristen ein neues Ermittlungsverfahren, so Staatsanwalt Klaus Pflieger.

Nach den jüngsten Informationen über den Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor 30 Jahren zeichnet sich ein neues Ermittlungsverfahren ab. Wenn es zutreffe, dass das frühere RAF-Mitglied Stefan Wisniewski der Todesschütze gewesen sei, dann müsse gegen ihn ein neues Verfahren durchgeführt werden, sagte der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger dem WDR. Seines Wissens nach waren der Bundesanwaltschaft die jetzt bekannt gewordenen Informationen über den Tathergang nicht bekannt. Dass der Verfassungsschutz entsprechende Erkenntnisse zurückgehalten haben soll, glaubt Pflieger nicht.

Der "Spiegel" hatte unter Berufung auf zwei Ex-Mitglieder der Rote Armee Fraktion berichtet, dass Wisniewski 1977 die Schüsse auf Buback abgegeben habe. Damit würden bisherige Annahmen, auf denen Urteile gegen Wisniewski, Christian Klar und Knut Folkerts beruhten, in Frage gestellt. Laut dem Bericht haben Verfassungsschutz und BKA die neuen Informationen nicht an die Justiz weitergegeben.

"Die Behauptung, dass der Verfassungsschutz solche Erkenntnisse gehabt haben soll, das muss schon noch einmal näher dargelegt werden", sagte Pflieger. Auswirkungen der neuen Informationen auf Klar erwartet er nicht. In Bezug auf den seit 26 Jahren inhaftierten Mann und die anderen im Fall Buback Verurteilten gebe es "eigentlich keine neue Situation". Die Bundesanwaltschaft habe auch nie behauptet, Klar habe auf Buback geschossen. Anders liege der Fall bei Wisniewski, der nie wegen des Mordes an Buback beschuldigt worden sei. Wisniewski, 1981 unter anderem wegen der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer verurteilt, kam 1999 frei.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries lässt offen, ob der Mordfall Siegfried Buback noch einmal aufgerollt werden sollte. "Das kann man so noch nicht sagen", sagte die SPD-Politikerin im ZDF. Zunächst sei es wichtig, dass die Bundesanwaltschaft die Menschen vernehme, die neue Aussagen in Aussicht gestellt hätten, und das Ganze dann aufbereite. "Dazu muss man gucken, wer hat was wann gewusst." Sie könne nicht beurteilen, ob es stimme, dass Erkenntnisse nicht weitergegeben worden seien.

Die Politik fordert über Kenntnisse oder Nicht-Kenntnisse von BKA und Verfassungsschutz Aufklärung. So sagte CSU-Generalsekretär Markus Söder der "Bild"-Zeitung: "Die Aufarbeitung des RAF-Terrors muss bis ins letzte Detail gehen. Dazu gehören auch möglich Versäumnisse der Behörden. Es kann nicht sein, dass ein RAF-Terrorist nicht belangt wurde, weil wichtige Hinweise damals nicht weitergegeben wurden."

Der Sohn Bubacks zeigte sich ebenfalls erschüttert von der Möglichkeit, dass der Verfassungsschutz 20 Jahre lang Hinweise auf den Schützen beim Mord an seinem Vater für sich behalten haben könnte. Michael Buback sagte ebenfalls der "Bild": "Ich kann mir das kaum vorstellen. Ich hoffe, dass, wenn sich das doch als wahr herausstellen sollte, die Verantwortlichen sehr gut begründen können, warum sie den Angehörigen diese wichtigen Informationen vorenthalten haben."

Laut "Süddeutscher Zeitung" deutet allerdings nichts daraufhin, dass Wisniewskis ein Mittäter sei. Unter Berufung auf eine Liste des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 1981, die alle Beweismittel zu den RAF-Morden enthalte, berichtet die Zeitung: In keiner der konspirativen Wohnungen der Roten Armee Fraktion (RAF) in Karlsruhe seien Spuren von Wisniewski gefunden worden. Es habe im Umfeld der Karlsruher Buback-Täter aber Hinweise auf eine Anwesenheit der Ex-Terroristin Verena Becker gegeben, die laut "Spiegel" schon vor 20 Jahren Wisniewski als Täter benannt haben soll.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ströbele will PKG einschalten

Hans-Christian Ströbele, der die Grünen im Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste vertritt, sagte der "Tageszeitung": "Ich werde beantragen, die neuen Erkenntnisse zur RAF im Parlamentarischen Kontrollgremium auf die Tagesordnung zu setzen." Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem "Tagesspiegel": "Wenn entlastende Aussagen vorenthalten wurden und dadurch Fehlurteile zu Lasten von Angeklagten gefällt wurden, ist das ein Rechtsstaatsskandal." Vor allem müssten "die Verfassungsschützer darlegen, warum sie gegebenenfalls solche Erkenntnisse nicht an die Justiz und andere Sicherheitsbehörden weitergegeben haben. Dies wäre auch unter Wahrung des Zeugenschutzes möglich gewesen."

Nach Einschätzung der frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) darf Informantenschutz nicht dazu führen, dass Straftaten nicht in ausreichendem Detail aufgeklärt werden. Im Rbb-Inforadio sagte sie: "Das muss aufgeklärt werden, da reicht es nicht aus, dass die Behörden sagen: Nein, da sagen wir nichts." Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hatte gefordert, den Fall Buback neu zu untersuchen.

Bundesanwaltschaft beschäftigt sich mit den Hinweisen

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe befasste sich nach Informationen der ARD bereits mit den neuen Hinweisen. Dabei habe man sich auch mit den Spekulationen und Vorwürfen um möglicherweise zurückgehaltene Aussagen von damaligen RAF-Terroristen beschäftigt, hieß es. Am Montag wolle die Bundesanwaltschaft eventuell die Ex-Terroristen Peter-Jürgen Boock und Verena Becker anhören. Generalbundesanwältin Monika Harms werde die Öffentlichkeit am Montagnachmittag oder Dienstag informieren.

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