"Project Blue Beam" Mutmaßliche Spionage-Ballons lassen Alien-Verschwörer aufblühen

Verschwörungstheorie Ballon
Noch immer ist nicht geklärt, ob es sich bei den abgeschossenen Flugobjekten über den USA um Spionageballons handelte. Anhänger von Verschwörungserzählungen haben dagegen eine ganz andere Erklärung.
© U.S. Navy via AP / DPA
In den USA wurden sie gesichtet, in Kanada und China: Die mutmaßlichen Spionage-Ballons verunsichern viele Menschen auf der ganzen Welt. Verschwörungsideologen haben für die Unbekannten Flugobjekte allerdings ihre ganz eigenen Erklärungen.

Wer am vergangenen Wochenende nicht in würdelosem Fummel auf dem Sofa lag und aus Versehen die Twitter-App geöffnet hat, dem ist es vielleicht entgangen: Wir befinden uns mitten in einer Alien-Invasion – beziehungsweise nicht – so ganz sicher ist sich der virtuelle Stammtisch da noch nicht. Ob die unbekannten Flugobjekte (UFO) über den USA, Kanada oder China nun tatsächlich Spionageballons sind oder nicht, bleibt abzuwarten. Und wie immer, wenn etwas im Unklaren bleibt, blühen die wildesten Verschwörungserzählungen. Die Einen meinen, wir werden tatsächlich von Außerirdischen angegriffen, die Anderen behaupten, es sei eine weltweite Inszenierung. Für die meisten Verschwörungsgläubigen steht allerdings einmal mehr fest: Alles hängt mit allem zusammen – und am Ende steht mal wieder der Untergang der Welt, so wie wir sie kennen.

Zwischen Aliens und Satanismus – Verschwörungserzählungen fluten Twitter

Innerhalb weniger Stunden fand man tausende Tweets unter den Hashtags #UFO, #UFOTwitter und #Aliens. Viele User posteten Videos von angeblichen Raumschiff-Sichtungen. Einige von ihnen schon auf den ersten Blick als schlechte 3D-Animation zu erkennen. Andere luden Filmaufnahmen hoch, die angeblich aus dem Nahen Osten oder Frankreich stammen sollen. 

Viele dieser Videos sind bereits einige Jahre alt und mehrmals als manipuliert identifiziert worden. Wenn es also nicht die Außerirdischen sind, die die Unbekannten Flugobjekte geschickt haben, wer dann? 

Kurz nachdem die erste Alien-Hysterie abgeklungen und aus vermeintlichen Raumschiff-Sichtungen eher ein Meme geworden war, verbreitete sich eine andere Verschwörungserzählung, die in den vergangenen Jahren immer wieder durch Foren oder soziale Netzwerke geisterte: "Project Blue Beam"

Project Blue Beam: Jahrzehnte alte Verschwörungserzählung erlebt zweiten Frühling

Im Gegensatz zu denen, die bereits die Ankunft von außerirdischen Lebewesen auf der Erde wähnen, vermuten die Anhänger des "Project Blue Beam" eine weltweite Verschwörung an deren Ende – wiedermal – die Unterjochung der Menschheit durch eine kleine Elite stehen soll. Die Erzählung geht auf Journalist, Autor und Verschwörungsideologe Serge Monast zurück, der seine kruden Thesen 1995 im gleichnamigen Buch präsentierte. 

Wäre "Project Blue Beam" als Drehbuch für ein Science Fiction-Film eingereicht worden, es wäre vermutlich ablehnt worden. Es wirkt, als hätte man die gängigsten Verschwörungsmythen zusammengewürfelt, ein Prise "Krieg der Sterne" dazu gemischt und alles solange geschüttelt, bis sich die Mythen gegenseitig belegen oder verstärken.

Mittelpunkt der Erzählung ist ein von "Eliten" der Erde inszenierter Angriff von Außerirdischen. Um dies auch möglichst glaubwürdig darzustellen, fabuliert Monast von riesigen Hologrammen, die in den Himmel projiziert werden sollen. Das, so seine Anhänger, sei auch der Grund, warum derzeit so viele UFO-Sichtungen bekannt würden. Erklärungen wie die von US-Vize-Verteidigungsministerin Melissa Dalton, wonach der Himmel über den Vereinigten Staaten seit des Abschusses des ersten mutmaßlichen Spionageballons genauer überwacht werde, ignoriert die "Theorie" selbstredend. 

9/11, Satanismus, New World Order: Beim "Project Blue Beam" ist alles drin

Stattdessen nimmt man jede größere Verschwörungserzählung und wirft sie in einen gemeinsamen Topf: Monast erklärt, das "Project Blue Beam" bestünde aus vier Schritten: Im ersten werde New York City drei Mal angegriffen. Für Anhänger der Geschichte ist sonnenklar, dass der erste Angriff die Terroranschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 waren. Darauf würden ein biochemischer und ein nuklearer Angriff folgen. 

Zudem würden künstlich erzeugte Erdbeben Objekte zu Tage fördern, die die bisherigen Weltreligionen widerlegten. Gleichzeitig werde eine antichristliche Lehre verbreitet. 

Laut Monast sei Ziel der inszenierten Invasion, dass die Erdbevölkerung sich aus Angst zu einer einzigen großen Glaubensgemeinschaft zusammenfügen soll. Anschließend erscheine den Menschen – ebenfalls durch die Hologramme – der "Erlöser" am Himmel. Dies sei wahlweise Jesus in christlich geprägten Ländern oder der Prophet Mohammed in Teilen mit großer Muslimischer Community. Die Gläubigen seien so dankbar für die "Hilfe des Himmels", dass sie sich zu einer einzigen großen Glaubensgemeinschaft zusammenfände und den Erlöser als ihren Anführer akzeptieren. Ob das nun Jesus oder Mohammed sein soll und wie sich alle Weltreligionen aus einen Messias einigen sollen, lässt Monast im Dunklen.

Ein Best Of der Verschwörungsmythen

Allerdings warnt er eindringlich davor, sich dem Erlöser anzuschließen. Denn dieser sei von den "Eliten" auf den Himmel projiziert und habe kein barmherziges Motiv, sondern solle die Menschheit in einen satanischen, antichristlichen Weltstaat führen, um – wie in fast allen Verschwörungsmythen – die "Neue Weltordnung" zu installieren, in denen die Eliten die Menschen zu ihren Sklaven machen.

Von außen betrachtet wirkt diese Verschwörungserzählung bereits irrwitzig genug. Die Details, die sie belegen sollen, klingen allerdings noch abstruser und wie ein Best Of aller Verschwörungsmythen. 

So stellt sich natürlich die Frage, wie genau man riesige Hologramme auf den Himmel projizieren soll. Schließlich brauchen diese ja eine Art von Reflektionsfläche, um sie überhaupt sehen zu können. Selbstverständlich haben die Anhänger der Theorie bereits eine Antwort: Chemtrails. 

Fake-News im Faktencheck – Video soll angeblich Chemtrails zeigen
Aufnahmen des US-Militärs zeigen einen "Smoke screen" und werden irrtümlich für Chemtrails gehalten.
© Commons
100 Jahre altes Video soll Chemtrails zeigen – doch eigentlich werden Kriegsschiffe versenkt

Ursprünglich sollten diese ja ein Giftnebel sein, der die Gedanken der Bevölkerung kontrolliert, aber in der Funktion ist man natürlich flexibel. 

Zudem soll bereits Nostradamus das Projekt vorhergesehen haben. Ebenso sei es im sogenannten "Bibel-Code" vermerkt, dem Verschwörungsgläubige ebenfalls hellseherische Fähigkeiten nachsagen. Science Fiction-Filme der vergangenen Jahrzehnte, die auch nur im Entferntesten mit Aliens zutun haben, sollen zu einem Programm gehören, um die Menschen auf das Projekt vorzubereiten. 

Dennoch wirkt ein Plan, die Menschheit zu unterjochen, der auf einem Hologramm von Jesus Christus fußt, mehr als wackelig. Schließlich kehren sich mehr und mehr Menschen vom Glauben ab. Aber auch dafür hat die Erzählung rund um das "Project Blue Beam" eine Lösung, die ebenfalls in unzähligen anderen Verschwörungserzählungen zu finden ist: Elektromagnetische Kontrolle.

Durch Glasfaser-, Starkstromkabel und Telefonleitungen sollen übernatürliche Phänomene ausgelöst werden. Kein Witz: Gespenster und Poltergeister sollen die Menschheit in Panik und Hysterie versetzen, um sich schließlich dem vermeintlichen "Messias" anzuschließen. 

So viele Punkte an der Erzählung von Monast auch widerlegt werden können: Für Verschwörungsgläubige ist sie ein gefundenes Fressen. Je ausführlicher und abstruser die vermeintliche Theorie ist, desto mehr angebliche Belege kann sie präsentieren. Auch wenn sie sich schlussendlich nur gegenseitig stützen. Unabhängig lassen sich keine der Informationen von Monast prüfen.

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